Gerade gestartet ist schon wieder Schluss:
Nachdem am 14. Dezember 2016 die über
Crowdfunding finanzierte Locomore-Verbindung
zwischen Stuttgart und Berlin in
Betrieb ging, wurde am 11. Mai 2017 beim
Amtsgericht Berlin-Charlottenburg ein Insolvenzantrag
gestellt, da nicht mehr alle
Verbindlichkeiten bedient werden konnten.
Das war nach den positiven Meldungen
gut einen Monat zuvor nicht zu erwarten
gewesen, denn in der Pressemitteilung
vom 6. April 2017 wurde noch mitgeteilt,
dass sich Locomore auf Erfolgskurs befinde.
Seit Betriebsstart hätten rund 70 000
Fahrgäste das neue Angebot genutzt, und
zwar mit zunehmender Tendenz. Um speziell
die Nachfrage in den Spitzenzeiten
besser befriedigen zu können, wurden die
Züge sogar auf bis zu zehn Wagen verlängert.
Auch erste konkrete Planungen für
eine Angebotsausweitung im Frühjahr
2018 wurden angekündigt. Ziel war die
Einrichtung eines Zugpaares in der Relation
Berlin—Dortmund—Düsseldorf—Köln.
Attraktive Fahrzeuge, Fahrzeiten
und Fahrpreise
Insgesamt war das Konzept stimmig: Mit
sehr gelungen modernisierten Reisezugwagen,
die für eine Höchstgeschwindigkeit
von 200 km/h zugelassen sind, konnten
gegenüber dem Fernbus und selbst dem
ICE attraktive Fahrzeiten bei günstigen
Fahrpreisen angeboten werden. Mit den
unterschiedlichen Reisebereichen Basic,
Ruhe, Familie, Themen oder Business wurden
individuelle Reisendenwünsche berücksichtigt.
Selbst eine reservierungspflichtige
Fahrradmitnahme war möglich, ein Angebot,
womit sich die Fernverkehrssparte der
Deutschen Bahn noch immer schwertut (vgl.
u. a. SIGNAL 2/2017 zum Thema „ICE 3-Modernisierung“).
Zum Service gehörte auch
ein Catering am Platz.
Nun muss abgewartet werden, ob die
Suche nach einem Investor zur Fortführung
des Locomore-Zugverkehrs Erfolg haben
wird.
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Locomore hat Insolvenz angemeldet. Eine wesentliche Ursache für das Scheitern von Wettbewerbern im Schienenpersonenfernverkehr sind hohe Trassenpreise. Entsprechend dem am 23. Juni 2017 vorgestellten „Masterplan Güterverkehr“ sind nun zwar Trassenpreissenkungen für den Güterverkehr geplant, jedoch sind auch für den Schienenpersonenverkehr entsprechende Korrekturen notwendig bzw. überfällig! Foto: Florian Müller |
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Die Insolvenz von Locomore setzt damit
die traurige Tradition fort, dass der Entwicklung
von Alternativen zu den Fernverkehrs-Angeboten der Deutschen Bahn kein Erfolg
beschieden ist. So verkehrte am 13. Dezember
2014 der Interconnex Warnemünde—Rostock—Berlin—Leipzig als einer der
wenigen Konkurrenten der Deutschen Bahn
zum letzten Mal. Bereits im August 2014 war
die Öffentlichkeit seitens des Betreibers
Veolia Verkehr darüber informiert worden,
dass der weitere Bestand dieser eigenwirtschaftlich
angebotenen Bahnverbindung
gefährdet sei.
Vielfältige Hindernisse für den
Schienenpersonenfernverkehr
Die Verkehrszeiten des Hamburg-Köln-Express
(HKX) wurden selbst in dieser nachfragestarken
Relation inzwischen deutlich
reduziert und beschränken sich mittlerweile
auf die Verkehrstage Freitag bis Sonntag.
Die angekündigten Fahrten von „Der-Schnellzug.de GmbH“ in den Relationen
Stuttgart—Hamburg, Karlsruhe—Dresden
und Stuttgart—Aachen sind bislang über
das Planungsstadium noch nicht hinausgekommen.
Am Versagen der betreffenden Unternehmen
liegt dies wohl kaum, sondern
vielmehr an den sehr ungünstigen verkehrspolitischen
Rahmenbedingungen. Für Fernverkehrsangebote
geeignete, gebrauchte
Fahrzeuge zu erhalten, ist schwierig, und die
in der Regel notwendige Modernisierung
bindet viel Kapital.
Das altbekannte Problem:
Wettbewerbsverzerrungen
Während Eisenbahnverkehrsunternehmen
für die Nutzung der Schienenwege immer
weiter steigende Trassen- bzw. Stationsgebühren
entrichten müssen, kann der Wettbewerber
Fernbus die Bundesverkehrswege
noch immer kostenlos nutzen und darauf
seine Leistungen zu entsprechend günstigen
Konditionen anbieten. Locomore dagegen
musste Schätzungen zufolge rund 6000
Euro allein für Trassengebühren pro Tag (!)
zahlen.
Für den Interconnex in der Relation Warnemünde—Leipzig
betrugen die Kosten für
die Trassennutzung seinerzeit rund 1300
Euro pro Fahrt und Richtung. Hinzu kamen
noch die Stationsgebühren.
Ähnlich der unbefriedigenden Situation
im Schienengüterverkehr sind daher ernsthafte
strukturelle Änderungen abseits politischer
Sonntagsreden notwendig. Das
derzeitige Trassenpreissystem verhindert
Schienenverkehre. Eine deutliche Absenkung
ist daher überfällig!
Die Forderung u. a. der Allianz pro Schiene
e. V. und der Bundesarbeitsgemeinschaft
der Aufgabenträger des SPNV e. V. (BAGSPNV)
nach einer Halbierung der Schienenmaut
wird deshalb auch seitens des Deutschen
Bahnkunden-Verbands e. V. (DBV)
und des Berliner Fahrgastverbands IGEB e. V.
unterstützt.
Außerdem müssen endlich auch Fernbusse
in das Mautsystem integriert werden!
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV) und
IGEB Fernverkehr
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