Autobahnbau blockiert nochmals
Bahnbau
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Die „Pickelhaube“ wacht auch über das neue Ostkreuz. Ab 10. Dezember halten hier die Regionalzüge der Linien RE 1, RE 2, RE 7 und RB 14 und verkürzen die Reisezeiten nach Frankfurt/Oder, Cottbus und zum Flughafen Schönefeld. Da sollten Rolltreppen und das noch fehlende Dach eigentlich selbstverständlich sein! Foto: Tom Gerlich |
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Der neue Bauzustand bringt auch noch
einmal größere Veränderungen mit sich. Erneut
ist es die Vorsorgemaßnahme für eine
mögliche A100-Verlängerung zur Frankfurter
Allee (17. Bauabschnitt), die für neue
Einschränkungen sorgt. Die „letzte Lücke“
zwischen Gleis 6 und Bahnhofsvorplatz wird
dort nun geschlossen. Die provisorische
S-Bahn-Nutzung des künftigen Regionalbahnsteigs
Rn1 mit dem Gleis 8 endet.
Dieser Seitenbahnsteig, der bisher die
stadteinwärts fahrenden S-Bahn-Züge aufnahm,
lag äußerst praktisch ebenerdig am
Zugang zur Sonntagstraße und ermöglichte
so einen barrierefreien Zugang zur S-Bahn
ohne die Gefahr von defekten Aufzügen.
Bis Dezember 2018 bleibt dieser Bahnsteig
nun außer Betrieb und wird für die Nutzung
durch die hier künftig endende Regionalbahnlinie
RB 26 hergerichtet. Direkt
daneben entsteht das neue Gleis 7 mit dem
Seitenbahnsteig Rn2 – ebenfalls für den Regionalverkehr.
Gleis 6, auf dem bisher provisorisch die
S-Bahnen stadtauswärts fuhren, wird dem
S-Bahn-Betrieb nun über ein Jahr schmerzlich
fehlen, denn es dient vorübergehend der
Anbindung des Talgo-Werkes an der Revaler
Straße. Sobald die Autobahnvorleistung mit
zwei Schlitzwänden und einem Deckel fertiggestellt
ist, können die Gleise 7 und 8 in
ihrer endgültigen Lage mit Bahnsteig und
der nördliche Teil des Nachbaus der historischen
Fußgängerbrücke hergestellt werden.
S 3 fährt wieder auf die Stadtbahn
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Oberhalb der Pfeiler fährt die S 9 ab 10. Dezember am Ostkreuz vorbei und stellt dafür die Direktverbindung zwischen der Stadtbahn und dem Berliner Südosten wieder her. Das mittlere Gleis (rechts) ist als Kehrgleis hergerichtet und wird dann planmäßig von der S 75 genutzt, die für ein Jahr am Ostkreuz enden muss. Foto: Tom Gerlich |
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Der S-Bahn-Betrieb auf der Stadtbahnebene
wird nun seit dem 21. August über die Gleise
3 bis 5 abgewickelt. Gleis 5 am Bahnsteig
D muss dabei alle stadteinwärts fahrenden
und endenden Züge aufnehmen. Abends
endet hier der 10-Minuten-Takt der S 3, die
nun wieder von Erkner kommend auf die
Stadtbahn fährt – derzeit bis Westkreuz. Im
Wochenende-Nachtverkehr bleibt das Ostkreuz
Endpunkt für alle S 3-Züge – wie schon
vor dem Umbau. Die S 5 fährt zunächst weiterhin
alle 10 Minuten nach Spandau, die S 7
nach Potsdam. Verkürzt wurde die S 75, die
zunächst am Ostbahnhof und ab Dezember
auf Gleis 5 am Ostkreuz endet.
Vom Bahnsteig E fahren die Züge stadtauswärts.
Gleis 4 ist hierbei zunächst weitgehend
ungenutzt. Ab Dezember starten
dort die Züge der S 75 nach Wartenberg in
der Hauptverkehrszeit alle 10, sonst alle 20
Minuten. Das Prinzip „vorfahren“ gilt dann
insbesondere für die S 75-Nutzer, denn der
10-Minuten-Takt setzt erst in Lichtenberg
ein. Gleis 3 dient im Regelbetrieb der S 3
nach Friedrichshagen und Erkner. Die S 5
Richtung Strausberg Nord und die S 7 nach
Ahrensfelde nutzen es ebenfalls, können
aber im Gegensatz zur S 3 bei Störungen
alternativ auch über Gleis 4 geleitet werden.
Gleis 2 am Bahnsteig Ru, das bisher provisorisch
von der S 3 genutzt wurde, erhält
nun eine neue Bahnsteigkante mit 76 statt
96 Zentimetern Höhe und dient zusammen
mit Gleis 1 ab Dezember den Regionalzügen,
die über die Stadtbahn fahren.
Dächer und Fahrtreppen
in Frage gestellt
Ein bequemer und regengeschützter Umstieg
am neuen Ostkreuz war keinesfalls
selbstverständlich. Die geplante zweite
Bahnsteighalle auf der Ringbahnebene wurde
von der DB eingespart, aber das Land Berlin
sprang hier mit einbehaltenen S-Bahn-
Mitteln ein und finanzierte zumindest das
Dach, das heute die Fahrgäste der Regionalbahn
schützt. Ein ähnliches Schicksal sollte
den unteren Regionalbahnsteig Ru ereilen,
dessen Dach nun bis zur Inbetriebnahme im
Dezember errichtet werden muss.
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Foto: Florian Müller |
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Die neue Fußgängerbrücke erinnert dank des Denkmalschutzes an das alte Bauwerk von Brademann. Durch den Bau der Autobahnvorleistung bindet sie bisher nur die Südseite an. Ab Dez. 2018 wird sie auch wieder ihrer alten stadtteilverbindenden Funktion gerecht. Foto: Florian Müller |
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Auch einen Teil der Fahrtreppen wollte
die DB in Ostkreuz, dem Bahnhof mit den
deutschlandweit meisten täglichen
Zugabfahrten, einsparen. Nur beharrlicher, vom
Fahrgastverband IGEB initiierter Protest
sorgte dafür, dass nun zumindest die planfestgestellten
Anlagen (nachträglich) eingebaut
werden. Lücken bleiben trotzdem,
denn nicht alle ursprünglich vorgesehenen
Rolltreppen wurden auch planfestgestellt.
Dies bleibt unverständlich, sollen doch auch
vom oberen Regionalbahnsteig Ro künftig
Züge zum Flughafen fahren – bis zur Fertigstellung
der Dresdener Bahn immerhin
halbstündlich!
Das historische Erbe des Bahnhofs wurde
weiter „gerupft“, als ursprünglich vorgesehen.
Geradezu vorbildlich wirken die Replik
der Fußgängerbrücke von Richard Brademann,
die wiederaufgebauten „Aufsichtsbuden“
und die nachempfundenen Dächer
auf den Bahnsteigen D und E. Doch das optisch
gelungene Dach auf dem Bahnsteig D
wurde gleich nach der Fertigstellung wieder
abgedeckt und wie das Nachbardach von
Bahnsteig E (und das Dach der Fußgängerbrücke)
mit Standardmaterial neu gebaut.
Laut Bahn sei dies aus Brandschutzgründen
unvermeidbar gewesen.
Budenlandschaft auf den Bahnsteigen
Der Bau von gesichtslosen Glaskisten zu
Verkaufszwecken zerstört den bis dato gelungenen
Raumeindruck auf beiden Bahnsteigen
leider völlig. Wie schon oben in der
Ringbahnhalle rückt hier der Kommerz in
den Vordergrund und verstellt den Fahrgästen
den Weg. Die Bahnsteigbreite daneben
mag normgerecht ausreichend breit sein –
das hat das Eisenbahnbundesamt nach Prüfung
bestätigt. Doch die engste Stelle des
Bahnsteigs dahin zu legen, wo das höchste
Aufkommen ist, bleibt eine Fehlplanung.
Da stellt sich schon die Frage, warum das
eigentlich zur Erhaltung vorgesehene ehemalige
Stellwerk OKO am östlichen Ende des
Bahnsteigs E „zufällig“ abgerissen wurde –
wäre es doch problemlos vom Bahnsteig
aus erreichbar und damit auch vermietbar
gewesen. Aber so besteht noch Platz für
weitere Glasquader am Bahnsteigende, wie
es durch die Ansiedlung eines Systemgastronomen
bereits auf dem Ringbahnsteig
geschehen ist.
Toiletten sucht der gemeine Reisende
dagegen jenseits des Systemgastronomen
vergeblich. Immerhin ist auch hier ein Umdenken
zu erkennen, denn inzwischen ist
eine Toilettenanlage auf dem nördlichen
Vorplatz, also da, wo derzeit die A100-Vorleistung
verbuddelt wird, vorgesehen. Diese
will die DB wieder an einen Pächter übergeben,
der dann wohl die üblichen 1 Euro als
„Eintritt“ verlangen wird.
Warschauer Straße als Baustelle eröffnet
Der Bahnhof Warschauer Straße ist eng
mit den Baumaßnahmen am Ostkreuz verknüpft.
Und so fand auch dort ein Wechsel
des Bauzustandes statt. Der ehemalige S3-Bahnsteig
wurde neu errichtet und soll künftig
den Zügen stadtauswärts dienen. Aktuell
muss er allerdings den gesamten Betrieb in
beiden Richtungen mit bis zu 48 Zügen pro
Stunde in Summe aufnehmen. Ab Dezember
wird die S 75 zum Ostkreuz zurückgezogen
und auch die zweite Verbindungskurve
von und nach Treptower Park wieder in Betrieb
genommen, so dass dann die S 9 auf
die Stadtbahn zurückkehrt. Bis zum Fahrplanwechsel
im Dezember 2018 werden die
beiden bisher genutzten Gleise zwischen
Ostbahnhof und Warschauer Straße in veränderter
Lage neu errichtet. Auch der bisher
provisorisch genutzte Bahnsteig wird in
seiner endgültigen Form fertiggestellt und
dient dann künftig den stadteinwärts fahrenden
Zügen.
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Viel Platz unter der Warschauer Brücke, doch trotz der steigenden Ein- und Aussteigerzahlen ist bisher kein westlicher Zugang geplant. Foto: Tom Gerlich |
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Durch Planungsfehler und Verzögerungen beim Bau erfolgt der Zugang nun durch ein enges und verwinkeltes Wellblech-Provisorium. Foto: Tom Gerlich |
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Die pünktliche Eröffnung des Bahnhofs
Warschauer Straße war keinesfalls sicher,
denn die Bauarbeiten am Empfangsgebäude
wurden durch Fehlplanungen
deutlich verzögert. Notdürftig wurde ein
Gerüstgang mit Wellblechwänden durch
das Empfangsgebäude gezogen, um den
Zugang zum neuen Bahnsteig zu ermöglichen.
Trotz der hellen Beleuchtung wurde
hier durch die zwei zu meisternden und
schlecht einsehbaren 90-Grad-Kurven sowie
die Verzweigung auf zwei Abgänge
ein neuer unübersichtlicher Angstraum
geschaffen. Wenig vertrauenserweckend
ist auch, dass dieser Weg durch die Baustelle
als einziger Fluchtweg ausgeschildert
ist. Im Gegensatz zum bisher genutzten
Bahnsteig gibt es keinen Rettungsplatz
auf der Westseite der Brücke als zweiten
Fluchtweg.
Wieder zu kurze Bahnsteigdächer
Symptomatisch für Missstände bei Berliner
Bahnsteigneubauten ist auch das verkürzte
Dach. Hatte der alte Bahnhof Warschauer
Straße noch ein Dach auf ganzer Läge, so
müssen die Fahrgäste nun auch hier mit einem
halben Dach auskommen, das nur für
4-Wagen-Züge reicht.
Die wichtige direkte Verbindung zur U 1
fehlt weiterhin, denn die Fußgängerbrücke
wurde bisher nicht zum Empfangsgebäude
verlängert.
Chaos nach der Betriebsaufnahme
Seit dem 21. August fahren die Züge wieder
durch. Doch die Freude darüber war bei den
Fahrgästen zunächst begrenzt, denn in der
ersten Zeit gab es keinen störungsfreien Tag.
Die Betriebsqualität war mangelhaft und
immer wieder wurden durch die Störungen
ganze Zuggruppen abgestellt und Linien
eingekürzt.
So endete der 10-Minuten-Takt der S 3 zeitweise
aus Friedrichshagen kommend bereits
in Rummelsburg und die S 75 wurde stundenweise
komplett nach Lichtenberg zurückgezogen.
Auch die Halbierung des Taktes von 10
auf 20 Minuten kam auf beiden Linien vor. Die
stadteinwärts fahrende S 3 wartete oft minutenlang
auf der Stabbogenbrücke, bevor sie
endlich an den Bahnsteig gelassen wurde.
Auch nach Beseitigung der ersten Störungen
sind weitere Nicht auszuschließen,
denn das Betriebsprogramm ist mit der neu
gebauten Infrastruktur anspruchsvoll. Zwar
wurden viele Weichen und Signale eingebaut,
doch der fehlende Gleiswechsel östlich
vom Ostkreuz, der eine Einfahrt aus Lichtenberg
kommend nach Gleis 4 ermöglichen
würde, wurde an den ersten Tagen bereits
schmerzlich vermisst. Unverständlich bleibt
auch, warum zwar stadteinwärts direkt am
Bahnsteiganfang von Gleis 5 ein Signal steht,
während stadtauswärts am Gleis 3 darauf
verzichtet wurde, obwohl es gerade dort für
die Leistungsfähigkeit der Strecke sinnvoll
gewesen wäre.
Doch trotz aller (vermeidbarer) Infrastrukturdefizite
und „Kinderkrankheiten“ war die
Betriebsaufnahme zum 21. August angesichts
der Dimension der „Jahrhundertbaustelle“
Ostkreuz eine große Leistung aller
Beteiligten. (ge)
IGEB S-Bahn und Regionalverkehr
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