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Das auch als „Korridoruntersuchung“ bekannte
Gutachten hat alle Schienen-Korridore
zwischen Berlin und Potsdam und alle tangentialen
Korridore im direkten Berliner Umland
betrachtet. Darunter befindet sich auch
der Korridor der ehemaligen Stammbahn von
Berlin über Zehlendorf nach Potsdam.
Für diesen Korridor hat der VBB zwei Lösungsansätze
mit mehreren Varianten untersucht:
Betrieb als Regionalbahn mit Verlängerung
von zwei Zügen pro Stunde von
Griebnitzsee ins Berliner Zentrum
- einmal mit Wiederaufbau der Strecke
zwischen Griebnitzsee und Potsdamer
Platz auf der ursprünglichen Trasse
- alternativ Führung ab Griebnitzsee
über Wannsee und Wiederaufbau nur
zwischen Zehlendorf und Potsdamer
Platz
und
Betrieb als S-Bahn und Verlängerung einer
zukünftigen S-Bahn-Linie S 15 von
Zehlendorf bis nach Dreilinden bzw.
Potsdam Hbf im 20-Minuten-Takt
- eine Variante mit Wiederaufbau der
Stammbahn zwischen Griebnitzsee
und Zehlendorf und Führung der S 15
von Berlin aus bis Potsdam Hbf
- eine beschleunigte Variante S 15X
mit Auslassen einiger Halte zwischen
Zehlendorf und Schöneberg, dadurch
Fahrzeitverkürzung um 3 bis 4 Minuten
- zwei verkürzte Varianten von Zehlendorf
aus nur bis Dreilinden bzw.
Stahnsdorf ohne Durchbindung nach
Potsdam, die weniger gut bewertet
wurden und hier nicht weiter betrachtet
werden
- in allen Varianten würde die S 15(X)
zwischen Zehlendorf und Berlin-Mitte
die bestehenden S-Bahn-Gleise benutzen
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Vorzugsvariante S 15X des VBB für den Korridor Stammbahn. Zeichnungen: BI Stammbahn, Simon Heller |
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Gegenvorschlag der BI Stammbahn zur Vorzugsvariante des VBB Zeichnungen: BI Stammbahn, Simon Heller |
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Als Vorzugsvariante ermittelte die Untersuchung
die S-Bahn-Variante S 15X (s. Abb.
„Vorzugsvariante“). Diese Variante hat auch
unter allen untersuchten Korridoren einen
der besten Werte bezüglich des erwarteten
Mehr-Verkehrs auf der Schiene. Dabei sind
zwei Punkte positiv hervorzuheben: Erstens
zeigt die Untersuchung, dass es grundsätzlich
sinnvoll ist, im Stammbahnkorridor wieder
durchgehende Züge zwischen Potsdam
und Berlin anzubieten – und zwar auf der
ursprünglichen, gradlinigen Trasse über
Kleinmachnow. Zweitens werden drei Züge
pro Stunde und Richtung auf der Stammbahn
geplant, während in früheren Untersuchungen
nur Varianten mit zwei Zügen in
Betracht gezogen wurden.
Die BI Stammbahn begrüßt dieses Ergebnis.
Wir sind jedoch überzeugt, dass die Wiederinbetriebnahme
der Strecke als Regionalbahn
sehr viel besser für die zukünftige Entwicklung
der Region Berlin-Brandenburg ist.
Die unserer Einschätzung nach vielversprechendste
Variante wurde allerdings gar
nicht untersucht: Eine mit dem Zugangebot
der Variante S 15X, aber technisch als Regionalbahn
ausgeführt (siehe Abb. „Gegenvorschlag“).
Diese Variante hätte gegenüber der
S-Bahn-Lösung entscheidende Vorteile:
- In allen S-Bahn-Varianten endet das
neue Angebot in Richtung stadtauswärts
zwangsläufig in Potsdam Hbf. Für
die westlichen Stadtteile Potsdams und
die Region dahinter entsteht keine Verbesserung.
Für die Verkehre zwischen
den Uni-Standorten Griebnitzsee und
Golm entsteht sogar ein neuer Umsteigezwang.
Dem wachsenden Ballungsraum
wird damit nicht Rechnung getragen. In
der Regionalbahnvariante können die
Stammbahnzüge dagegen westlich Potsdams
flexibel in alle Richtungen weitergeführt
werden: nach Werder, Brandenburg,
Golm und bei Bedarf bis nach Magdeburg.
- Ein wesentliches Ziel der Stammbahn ist,
Autoverkehr auf die Schiene zu verlagern.
Die Fahrzeiteinsparung der S 15X gegenüber
der heutigen S-Bahn beträgt gerade
mal 3 bis 4 Minuten, da die Expresszüge
dieselben Gleise nutzen, wie die übrigen
S-Bahnen auch. Das reicht nicht aus, um in
Größenordnungen Autofahrer zum Umsteigen
auf die Bahn zu bewegen. Die Regionalbahn
auf den Stammbahngleisen
könnte zwischen Zehlendorf und Potsdamer
Platz 10 Minuten Fahrzeit einsparen
(13 statt 23 Minuten), zwischen Potsdam
Hbf und Potsdamer Platz ca. 15 Minuten
(25 statt 38 bis 41 Minuten mit S 15X).
- Insbesondere ist angesichts der langen
Fahrzeit der S 15X nach Berlin-Mitte unklar,
ob sich nicht eine Mehrheit der Fahrgäste
aus Potsdam auf die verbleibenden zwei
Regionalzüge je Stunde konzentrieren und
dort statt zu einer Entlastung zu einer weiteren
Überlastung der Züge führen wird.
- Nur mit einem Wiederaufbau mit Regionalbahntechnologie
tritt der Netzeffekt
für den Regionalverkehr der Region ein.
Bei Überlastung der Stadtbahn – wie
derzeit – können zusätzliche Züge von
Potsdam zum Nord-Süd-Tunnel gefahren
werden. Das Gleiche gilt für bau- oder
störungsbedingte Sperrungen der Stadtbahn.
Und je nach zukünftiger Entwicklung
der Nachfrage können durchgehende
Angebote von Westbrandenburg nach
Nordbrandenburg geschaffen werden.
Eine S-Bahn-Lösung würde diese positiven
Effekte dauerhaft verbauen.
- Die hier vorgeschlagene Regionalbahnvariante
bietet dieselbe Zugzahl wie die
Vorzugsvariante, d. h. 3 Züge je Stunde
zwischen Potsdam und Zehlendorf und
12 zwischen Zehlendorf und Berlin-Mitte
(davon 9 mit Halt an allen S-Bahn-Stationen).
Im Gegensatz zu den vom VBB untersuchten
Regionalbahnvarianten führt
diese Variante also zu keiner Mehrung der
Zugkilometer zwischen Zehlendorf und
Berlin-Mitte. Gleichzeitig könnten aber
bei zukünftigem Bedarf weitere Züge auf
der Infrastruktur Platz finden.
- Die Umsetzung der S-Bahn-Lösung ist
abhängig vom Bau des zweiten Nord-
Süd-S-Bahn-Tunnels, dessen Realisierungshorizont
angesichts der jüngeren
Kostenschätzungen unklar ist. Eine stabile
Betriebsdurchführung der Variante S 15X
im alten Tunnel bei 12 Zügen je Stunde
allein auf der Wannseebahn erscheint
unrealistisch. Die Regionalbahnvariante
hat hier den großen Vorteil, dass der
schwierigste Abschnitt bereits gebaut ist:
der Nord-Süd-Fernbahntunnel mitsamt
seiner Ausfädelung zur Stammbahn.
Der kürzlich veröffentlichte Plan des VBB zur
Ausweitung des Angebots auf dem RE 1 zeigt
das ganze Dilemma: Einerseits stößt das Angebot
schon heute an seine Kapazitätsgrenze,
andererseits wird auch im Jahr 2022 in
der Spitzenstunde kein einziger zusätzlicher
Zug zwischen Potsdam und Berlin verkehren.
Die zusätzlichen Züge des RE 1 müssen durch
Streichung von durchgehenden Zügen zwischen
Golm und Berlin erkauft werden.
Um die Lebensqualität in der Region aufrecht
zu erhalten, ist es aber unausweichlich,
Pendlerströme von der Straße auf die Schiene
zu verlagern – seien es Berufspendler
oder Freizeitpendler, sei es von Brandenburg
nach Berlin oder umgekehrt. Dies wird
nur mit mehr Kapazität im Schienennetz
und mit Angeboten einer ganz neuen Qualität
möglich sein: mit der Geschwindigkeit
der Regionalbahn, dem Takt der S-Bahn
und ohne neue Umsteigezwänge an den
S-Bahn-Endhaltestellen. Die BI Stammbahn
fordert deswegen die Länder Berlin und
Brandenburg auf, endlich eine gemeinsame
Konzeption für den Schienenverkehr der Region
von morgen vorzulegen und unverzüglich
mit der Planung für die Stammbahn zu
beginnen. (Simon Heller)
BI Stammbahn
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