Teilnehmer waren Experten, Abgeordnete
und Vertreter von Fahrgastverbänden, u. a.
Deutscher Bahnkunden-Verband (DBV), Pro
Bahn, Initiative Deutsch-Polnischer Schienenpersonenverkehr
und Ostbahn-Initiative.
Sogar aus Stettin (Szczecin) waren Teilnehmer
angereist, u. a. der frühere Vizedirektor
des Marschallamtes Westpommern Ryszard
Zajfert und jetzt Deutschland-Beauftragter
der SLD.
Ein Zeichen setzen
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Halt im niederschlesischen Bahnhof Węgliniec (Kohlfurt) Foto: Dr. Heike Stock |
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Mit dieser Fahrt sollte auch ein Zeichen in
Richtung Bundesverkehrsministerium und
Konzernspitze der Deutschen Bahn gesetzt
werden. Der frühere DB-Chef Rüdiger Grube
hatte auf dem „Bahngipfel“ des Polen-Beauftragten
der Bundesregierung, Brandenburgs
Ministerpräsident Manfred Woidke,
zugesagt, die Wiederaufnahme des Fernverkehrs
nach Breslau ab Dezember 2018
(nach Schließung der Elektrifizierungslücke
Hoyerswerda—Horka) ernsthaft zu prüfen.
Der Bund muss seine politische Verantwortung
für den grenzüberschreitenden
Fernverkehr endlich wahrnehmen. Dazu
gehört auch die Beseitigung aller bürokratischen
Hemmnisse und Engpässe des
grenzüberschreitenden Verkehrs, die die
Konkurrenzfähigkeit der Bahn verhindern.
Der Personenverkehr zwischen Deutschland
und Polen wächst. Aber der Anteil der
klimafreundlichen Schiene liegt nur bei 2 bis
3 Prozent.
Die Rekordfahrt am 15. Juli
Um 9.37 Uhr verließ der Sonderzug Berlin
Ostkreuz. Bereits um 13.08 Uhr wurde der
Breslauer Hauptbahnhof erreicht, wo weitere
polnische Gäste zustiegen, u. a. Marek Dyduch,
stellvertretender Parlamentspräsident
des Sejmik von Niederschlesien. In Oppeln
hatten die dortigen Sozialdemokraten einen
Empfang am Bahnsteig bei der Ankunft
um 13.58 Uhr organisiert. Auch Angehörige
der deutschen Minderheit und Vertreter von
Presse und Fernsehen waren dabei. In der
Wojewodschaft Opolskie gibt es traditionell
familiäre und kulturelle Verbindungen nach
Deutschland. Daher gab es auch hier zahlreiche
Proteste gegen die Einstellung des
Eurocity Wawel zwischen Berlin und Breslau
im Dezember 2014.
Bemerkenswert sind die Fahrzeiten auch
deshalb, weil sie tagsüber unter schwierigen
betrieblichen Bedingungen realisiert
werden konnten: Sonderzüge haben bei
der Trassenvergabe eine niedrigere Priorität,
und es musste der Engpass der im Abschnitt
Lübbenau—Cottbus—Horka eingleisigen
„Görlitzer Bahn“ durchfahren werden, wo
es durch den Ein-Stunden-Takt im Regionalverkehr
und umgeleitete Güterzüge zu
Kreuzungs- und Abstandshalten kam. Planmäßige
Halte gab es in Cottbus, Kohlfurt
(Węgliniec) (6 Minuten), Liegnitz (Legnica)
und Breslau. Insgesamt wurden die Bedingungen
eines Interregio-Expresses realistisch
„simuliert“.
Erste Rekordfahrt 2016
Bereits am 16. Juli 2016 konnte bei einer ähnlichen
Sonderzugfahrt demonstriert werden,
dass ein Laufweg über Görlitz trotz des Umwegs
gegenüber dem Laufweg des Kulturzuges
über Forst eine attraktivere Fahrzeit
von 3 Stunden 52 Minuten von Berlin nach
Breslau ermöglicht (siehe SIGNAL 5/2016).
Seit Dezember 2016 steht die Verbindungskurve
von Horka (die Verbindung
von der Görlitzer Bahn auf die „Niederschlesische
Magistrale“) zur Verfügung. Sie
bietet eine Abkürzung zum Knotenpunkt
Kohlfurt. Ab hier bis Oppeln steht auf polnischer
Seite eine moderne zweigleisige
elektrifizierte Bahnstrecke zur Verfügung.
Diese ist fast durchgehend mit 160 km/h
befahrbar. Sie wird derzeit mit dem europäischen
Zugsicherungssystem ETCS ausgestattet.
Es gibt sogar einen Zwei-Gleis-Wechselbetrieb, daher sind „fliegende
Überholungen“ möglich.
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Die Idee der Aktion „Ferdinand Lassalle Express“ wurde auf der Abschiedfahrt im letzten EC Wawel geboren. Foto: Dr. Heike Stock |
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Auch während der Schnellfahrt gab es ein Kulturangebot. Foto: Dr. Heike Stock |
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Vor der Rückfahrt nach Berlin in Oppeln Hbf (Opole Gł.). Foto: FotDr. Heike Stockograf |
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Leider gibt es in Deutschland und in Polen
keine Diesellok und keinen Dieseltriebzug,
der für 160 km/h zugelassen und gleichzeitig
mit der polnischen und deutschen Zugsicherung
(SHP und INDUSI) ausgestattet ist.
Sowohl der „Dresden—Breslau-Express“ als
auch der „Kulturzug Berlin—Breslau“ dürfen
maximal 120 km/h fahren.
Nur zwischen Stettin und Lübeck werden
von DB Regio Triebzüge der Baureihe 623
eingesetzt, die 140 km/h fahren können. Da
eines dieser Fahrzeuge an Wochenenden
nicht benötigt wird, konnten wir es mit Zustimmung
des dortigen Aufgabenträgers
für unsere Rekordfahrt chartern. Mit einem
Fahrzeug für 160 km/h wären zwischen Berlin
und Breslau sogar Fahrzeiten von nur 3
Stunden 10 Minuten möglich.
In einer Studie des Büros ETC, finanziert
mit Unterstützung der EU im INTERREG Programm
„Via Regia Plus“, wurde eine mögliche Fahrzeit von nur 2 Stunden 55 Minuten
errechnet, sofern die 72 km lange Lücke
Cottbus—Spremberg—Horka elektrifiziert
und zweigleisig ausgebaut würde. Immerhin
werden ab Dezember 2018 über Cottbus—Senftenberg—Hoyerswerda—Horka
trotz des Umweges Fahrzeiten von 3 Stunden
35 Minuten ohne Wechsel der Traktion
möglich sein.
Unsere Rückfahrt nach Berlin am 15. Juli
2017 erfolgte als Tagesrand-Spätverbindung
um 21.47 Uhr vom Hauptbahnhof in Oppeln.
Einige Studenten, die in Breslau ausgestiegen
waren, nutzen die Spätverbindung als
„Disko-Zug“ und konnten nach Besichtigung
der „Breslauer Szene“ um 22.37 Uhr vom
Breslauer Hauptbahnhof noch nach Berlin
zurückkehren.
Ausblick 2019
Unser Ziel für 2019: Drei schnelle Züge Berlin—Breslau.
Sobald der Flughafen BER in
Betrieb geht, sollte eine Mittags- und eine
Abendverbindung (von Berlin aus gesehen)
auch den Flughafen-Bahnhof anbinden
und die Potenziale der polnischen Fluggäste
nutzen.
- Sinnvoll für die Frühverbindung von Berlin
wäre ein 160 km/h schneller Triebzug
mit Dieseltraktion (ggf. ein „polonisierter“
Triebzug der Baureihe 611) über die kürzere
und schnellere Strecke via Stadtbahn
und Spremberg, da eine Anbindung des
Flughafens zur frühen Zeit keinen Sinn
macht. Fahrzeit ca. 3 Stunden 10 Minuten.
- Mittags könnte der EC Wawel über Senftenberg
und Hoyerswerda elektrisch bis
nach Krakau (Kraków) verkehren und sich
in den IC-Takt Breslau—Oppeln—Krakau
einreihen.
- Abends wäre eine Spätverbindung (über
BER) ggf. durch Verlängerung des IC Norddeich—
Cottbus über Hoyerswerda und
Horka bis nach Breslau und Oppeln zu
prüfen.
Es ist wahrscheinlich, dass unter den verkehrspolitischen
Rahmenbedingungen
diese Fernzüge nicht eigenwirtschaftlich
angeboten werden können. Hier müssen
Bund, Länder und auch die polnische Regierung
zusammen einen Kompromiss zur
Finanzierung erarbeiten. Auch der Sonderzug
war extrem teuer. Weil die Trassenpreise
besonders in Deutschland viel zu hoch
sind, mussten für die Sonderfahrt über
3000 Euro an DB Netze und PLK gezahlt
werden.
Dringenden Handlungsbedarf gibt es bei
der Beschaffung von 160 km/h schnellen
Schienenfahrzeugen, die mit INDUSI und
SHP (ggf. ETCS für Polen) ausgerüstet sind.
Die PKP Intercity verfügt nur über 10 Elektrolokomotiven
(Baureihe EU 44 „Husar“),
die den Fernverkehr von Warschau nach
Berlin, aber auch nach Tschechien und
Österreich bewältigen müssen. Hier sollte
eine betreiberneutrale Pool-Lösung mit
finanzieller Unterstützung der EU geprüft
werden.
Dr. Jürgen Murach < br/>
Stv. Vorsitzender des Fachausschusses Mobilität der SPD Berlin
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