Der S-Bahn-Jahresfahrplan 2018

Angebotslöcher bei der Berliner S-Bahn nach dem Fahrplanwechsel

Am 10.12.2017 erlangte der neue Jahresfahrplan seine Gültigkeit und brachte den Nutzern der S-Bahn viele Änderungen – vor allem bedingt durch die Inbetriebnahme neuer Infrastruktur, z. B. der S 9-Südringkurve Warschauer Straße—Treptower Park.

Verständlich, dass es da Unmut gab, wo gewohnte Wege und Abfahrtszeiten geändert wurden. Doch auch rein sachlich betrachtet sorgten Vorgaben und Zwänge dafür, dass sich das Angebot an einigen Stellen deutlich verschlechtert hat und es seither Fahrzeitverlängerungen gibt.

S-Bahnhof Schöneweide
Der Bahnhof Schöneweide bleibt auch nach Fertigstellung der Sterndammbrücken noch jahrelang eine Baustelle, denn im Anschluss werden der Personentunnel saniert und die neue Unterführung für die Straßenbahn gebaut. Damit bleibt der Bahnhof auch in der Fahrplanplanung ein Nadelöhr, das nun durch die S 9 auch mit der Stadtbahn verknüpft ist. Foto: Tom Gerlich

Zunächst aber zu den Verbesserungen: Seit August 2009 war die direkte Verbindung von der Stadtbahn in den Südosten unterbrochen. Die S 9 wurde „temporär” für 8 Jahre nach Pankow verschwenkt, und deren Nutzer mussten zusätzlich auf der Baustelle Ostkreuz umsteigen oder andere Wege wählen. Diese Zeit ist nun vorbei und die gut besetzten Züge zeigen, dass die Verbindung trotz des unattraktiven 20-Minuten-Taktes nachgefragt ist.

Besseres Angebot mit S 26

Positiv sind auch die Wiedereinführung der S 26 auf dem Linienweg Waidmannslust—Teltow und die Korrespondenzhalte von S 25/S 8 und S 26/S 85 in Bornholmer Straße alle 10 Minuten, womit der Wegfall der Direktverbindung zwischen Waidmannslust und Ostkreuz etwas kompensiert wird.

Die „zu frühe” Inbetriebnahme der Ringbahnkurve in Ostkreuz führt jedoch zu deutlichen Verrenkungen und Einschnitten im Fahrplanangebot durch die 2018 noch eingeschränkte Infrastruktur zwischen Ostkreuz und Ostbahnhof sowie die noch mehrere Jahre anhaltenden Bauzustände in Schöneweide.

Der Umsteigezwang am Ostkreuz hatte zumindest den Vorteil, dass dort auch immer die nächste Abfahrt in die gewünschte Richtung erfolgte und nicht gerätselt werden musste, welche Umstiegstaktik den größten Erfolg verspricht. Das hat sich geändert, da die S 9 jetzt ohne Halt am Ostkreuz vorbeifährt und der Fahrgast sich nun wieder vorab informieren muss, ob eine Umsteigeverbindung mit der S 8 und S 85 oder das Warten auf die S 9 die bessere Lösung ist.

S9 Brücke Ostkreuz
Die neue alte S 9 wirbelt den Fahrplan auf der Stadtbahn kräftig durcheinander. Besonders ärgerlich: Die derzeit am Ostkreuz endende S 75 hat keinen Anschluss, da die S 9 ohne Halt am Ostkreuz vorbei fährt. Auch im Nachtverkehr ist der fehlende Halt ein großes Manko. Nach Wartenberg, Erkner und Strausberg muss nun zweimal umgestiegen werden. Foto: Florian Müller

Erschwerend kommt hinzu, dass die S 9 nun in beiden Fahrtrichtungen 3 bis 4 Minuten planmäßig am Treptower Park steht, um in die jeweils andere Trassenlage zu kommen. Stadtauswärts folgt eine weitere Standzeit in Baumschulenweg zur Anschlussgewährung an die S 46 nach Königs Wusterhausen. So vergehen zwischen Ankunft in Treptower Park und Abfahrt in Baumschulenweg 11 Minuten – bei nur 5 Minuten Fahrzeit.

Damit ließe sich als temporärem Kompromiss leben, wenn denn das Geflecht der anderen Linien nicht beeinträchtigt würde. Doch genau das ist leider der Fall!

Wieder Taktlücke zwischen Lichtenberg und Stadtbahn

Die S 75 „verendet” durch die veränderten Fahrplanlagen von S3 und S 5 anschlusslos in Ostkreuz, womit zwischen Stadtbahn und Lichtenberg wieder die berühmt-gefürchtete 7- bis 8-minütige Taktlücke entsteht. Der Anschluss zwischen S 3 und S 75 am Ostkreuz wurde aufgegeben, beide Linien verpassen sich nun knapp. Besonders ärgerlich: Nach dem Ausstieg aus der endenden S 75, fährt oben die S 9 alle 20 Minuten ohne Halt vorbei.

alttag
Mit je 3 Minuten in Treptower Park und Baumschulenweg steht die S 9 auf diesem Abschnitt länger als sie fährt. Nachteilig wirkt sich auch der Trassentausch zwischen S 45, S 46 und S 47 aus, der immer wieder zu 15-Minuten-Löchern führt. Tabelle: S-Bahn Berlin GmbH, gültig ab 10.12.2017

Stadtauswärts ist es ähnlich ärgerlich, denn die S 3/S 9-Trasse aus Spandau würde theoretisch den Anschluss ermöglichen. Doch die S 9 fährt am Ostkreuz vorbei und die S 3 verpasst den Anschluss, um am Ostbahnhof 3 Minuten stehend von der Spandauer Fahrlage in jene ihrer am Ostbahnhof beginnenden Verstärker zu kommen. Eine Verlegung der Wartezeit zum Ostkreuz würde das Problem zumindest in einer Fahrtrichtung (alle 20 Minuten) lösen. Der dabei für Ostbahnhof und Warschauer Straße entstehende „7/13-Humpeltakt” wäre für diese zwei Halte verschmerzbar.

Verschlechterungen im Nachtverkehr

Geht es im Tagesverkehr „nur” um 2 bis 3 Minuten, die vergehen, bis planmäßig der nächste Zug folgt, so sind die Änderungen im durchgehenden Nachtverkehr eine gravierende Verschlechterung. Musste bisher von der Stadtbahn in Richtung Erkner, Strausberg oder Wartenberg nur einmal umgestiegen werden, so sind es jetzt zwei Umstiege oder lange Wartezeiten. Denn statt der S 5 als „Lumpensammler” für S 3 und S 75 ist nun die S 9 die durchgehende Linie nach Spandau – auch nachts ohne Halt am Ostkreuz. Die zum Ostbahnhof verkürzte S 5 hat ihre Anschlussfunktion jedoch behalten. Fahrgäste nach Erkner steigen daher am Ostbahnhof von der S 9 in die S 5 und zwei Halte später am Ostkreuz von der S 5 in die S 3 um. Für die S 75 liegt der nun zweite Umsteigepunkt weiterhin in Lichtenberg und für den S 5-Außenast in Mahlsdorf.

Neben der Stadtbahn hat sich jedoch auch auf der Görlitzer Bahn das Gefüge verschoben. Überlagernde 10-Minuten-Takte bestehen seit Fahrplanwechsel zwischen S 8 und S 85 statt S 8 und S 9 – notwendige Voraussetzung für den Korrenpondenzhalt an der Bornholmer Straße. Auch die anderen Linien wurden angepasst.

S 47-Fahrgäste benachteiligt

Zwischen Neukölln und Baumschulenweg ist die Überlagerung jetzt nicht mehr zwischen S 45 und S 46, sondern richtungsabhängig unter Beteiligung der S 47. Das hat einen deutlichen Nachteil, denn die S 47 fährt nicht den ganzen Tag bis zur Hermannstraße. Wenn die S 47 bereits in Schöneweide endet, entsteht ein ärgerlicher 15/5-Minuten-Takt.

Problematisch ist dieser Angebotswechsel aber auch auf der S 47 selbst, denn dabei entstehen zwischen Spindlersfeld und Schöneweide inakzeptable Taktlöcher von bis zu 33 Minuten. So fährt Montag bis Freitag zwischen 20.36 Uhr und 21.09 Uhr keine Bahn von Schöneweide nach Spindlersfeld. Der 165er Bus ist mit Abfahrten um 20.40 Uhr und 21.00 Uhr auch keine wirkliche Alternative. Noch absurder wird es dadurch, dass nicht etwa die um 21.08 Uhr in Schöneweide eintreffende S 85 planmäßig zur S 47 umgeschildert wird, sondern tatsächlich – immerhin bahnsteiggleich – ein Zug endet und einer beginnt. Rund um dieses Konstrukt finden mehrere Leerfahrten von und nach Grünau statt, die für Fahrgäste nicht nutzbar sind.

Ausblick

Es zeigt sich also, dass der neue Fahrplan völlig zu Recht in der Kritik steht und den Verbesserungen auch zahlreiche Verschlechterungen gegenüberstehen, die sich nicht allein über Bauzustände erklären lassen. Besteller und S-Bahn sind gefordert, hier schnellstmöglich im Sinne ihrer Fahrgäste nachzusteuern und Härtefälle, wie die Taktlücke der S 47 (notfalls auch durch einen zusätzlichen Bus) abzumildern sowie planmäßige Leerfahrten zu vermeiden und diese zur Fahrgastnutzung freizugeben.

Auf der Stadtbahn ist mit der Inbetriebnahme der Viergleisigkeit Ostkreuz--Ostbahnhof im Dezember 2018 mit etwas Entspannung zu rechnen. Mit dieser Maßnahme sollen auch die andauernden Schleichfahrten von Ostkreuz bis Ostbahnhof der Vergangenheit angehören, weil dann eine leistungsfähigere Signaltechnik zur Verfügung stehen soll. (ge)

IGEB S-Bahn und Regionalverkehr

aus SIGNAL 1/2018 (April 2018), Seite 16-17

 

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