Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin fuhr zusammen
mit ihren beiden Töchtern von Wuppertal
nach Lindern. Beide Kinder verfügten über
gültige Fahrkarten, wobei eines der Kinder
zusätzlich einen Schwerbehindertenausweis
besaß.
In dem Schwerbehindertenausweis waren
die Merkzeichen G und RF sowie die Berechtigung
zur Mitnahme einer Begleitperson
eingetragen. Eine Wertmarke war nicht
vorhanden.
Im Rahmen einer Fahrkartenkontrolle
wurde beanstandet, dass der Schwerbehindertenausweis
nicht über eine Wertmarke
verfügte. Die Beschwerdeführerin könne daher
nicht kostenlos als Begleitperson mitfahren.
Vielmehr hätte sie eine eigene Fahrkarte
erwerben müssen.
Der Kontrolleur stellte der Beschwerdeführerin
eine Fahrpreisnacherhebung über
60 Euro aus.
Gegen diese Fahrpreisnacherhebung
legte die Beschwerdeführerin Widerspruch
ein und wies darauf hin, dass beide
Töchter einen Fahrschein gehabt hätten
und sie als Begleitperson auch ohne Wertmarke
unentgeltlich befördert werden
müsse (vgl. § 228 SGB IX).
Antwort der Beschwerdegegnerin
Die Beschwerdegegnerin teilte mit, dass
der Schwerbehindertenausweis nur zur
unentgeltlichen Beförderung der Begleitperson
berechtige, wenn eine entsprechende
Wertmarke vorhanden sei. Da
diese nicht vorgelegen habe, sei die Fahrpreisnacherhebung
berechtigt. Die Forderung
über 60 Euro bleibe daher bestehen.
Die Beschwerdeführerin war damit nicht
zufrieden und bat die söp um Prüfung und
Durchführung eines Schlichtungsverfahrens.
Schlichtungsarbeit
Die söp prüfte das Anliegen der Beschwerdeführerin
und kam zu dem Ergebnis, dass
die Fahrpreisnacherhebung zu Unrecht
ausgestellt wurde.
Nach § 228 Abs. 1 Satz 1 SGB IX werden
schwerbehinderte Menschen, die infolge
ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit
im Straßenverkehr erheblich
beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos
sind, von Unternehmern, die öffentlichen
Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen
eines entsprechend gekennzeichneten
Ausweises […] im Nahverkehr im Sinne des
§ 230 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert;
die unentgeltliche Beförderung verpflichtet
zur Zahlung eines tarifmäßigen Zuschlages
bei der Benutzung zuschlagpflichtiger
Züge des Nahverkehrs. Voraussetzung ist,
dass der Ausweis mit einer gültigen Wertmarke
versehen ist. Sie wird gegen Entrichtung
eines Betrages von 80 Euro für ein Jahr
oder 40 Euro für ein halbes Jahr ausgegeben,
vgl. § 228 Abs. 2 Satz 1 SGB IX.
§ 228 Abs. 6 Nr. 1 SGB IX bestimmt ergänzend,
dass auch ohne Vorliegen einer gültigen
Wertmarke die Begleitperson eines
schwerbehinderten Menschen unentgeltlich
befördert wird, wenn die Berechtigung
zur Mitnahme einer Begleitperson nachgewiesen
und dies im Ausweis des schwerbehinderten
Menschen eingetragen ist. Dies
war hier der Fall. Der Schwerbehindertenausweis
berechtigte daher auch ohne Wertmarke
zur kostenlosen Mitnahme einer Begleitperson,
nämlich der Beschwerdeführerin,
so dass sie keinen eigenen Fahrschein
benötigte.
Vor diesem Hintergrund schlug die söp
die Einstellung der Fahrpreisnacherhebung
sowie den Verzicht auf die offene Forderung
vor. Zudem regte sie als Ausgleich für
die Unannehmlichkeiten die Übersendung
eines Reisegutscheins im Wert von 20 Euro
an. Der Schlichtungsvorschlag wurde von
der Beschwerdegegnerin vorbehaltlos
angenommen. Zugleich entschuldigte
sich die Beschwerdegegnerin bei der Beschwerdeführerin
für die entstandenen
Strapazen und Unannehmlichkeiten. Die
Angelegenheit konnte so einvernehmlich
geklärt werden.
Dr. Katja Schmidt
Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff
können von Verkehrsunternehmen wie von
deren Kunden noch so gut geplant und organisiert
sein: Es wird immer wieder zu Problemen
kommen, die Anlass zur Beschwerde
geben. Wer auf seine Beschwerde keine
zufriedenstellende Antwort bekommt, kann
sich an die söp, die Schlichtungsstelle für
den öffentlichen Personenverkehr, wenden.
Sie erarbeitet dann einen Schlichtungsvorschlag
zur einvernehmlichen und außergerichtlichen
Streitbeilegung. Das erspart allen
Beteiligten Geld, Zeit und Ärger.
SIGNAL-Leserinnen und -Leser können in
jeder Ausgabe anhand eines konkreten Falls
einen Einblick in die praktische Arbeit der
söp bekommen.
Aber auch Fahrgäste im Nahverkehr der
Länder Baden Württemberg, Bayern, Berlin,
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Sachsen-Anhalt und Thüringen können
sich an die söp wenden, wenn sie auf ihre
Beschwerde hin von dem an der Schlichtung
teilnehmenden Verkehrsunternehmen der
Region keine sie zufriedenstellende Antwort
erhalten haben.
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
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