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Familienfreundliches Berlin

Zum Start ins neue Schuljahr werden die Regelungen für Berliner Schülerzeitkarten vereinfacht, und der Kauf wird für die meisten Familien preiswerter. Aber für Fahrten nach Brandenburg bleibt der VBB-Tarif familienfeindlich.

Für junge Berliner in der Ausbildung gibt es aktuell ein stark ausdifferenziertes Tarifsortiment:

Das „Schülerticket AB“ gibt es für 29,50 Euro. Es gilt quasi für jeden Schüler mit Schülerausweis.

Das „ermäßigte Schülerticket“ gibt es schon für 15 Euro, man benötigt hierfür aber einen Berlinpass, den nur einkommensschwache Familien erhalten.

Die Geschwisterkarte gibt es für 18 Euro. Die bekommen Eltern für das zweite Kind bei Vorlage des Wertabschnitts des ersten Kindes.

Für Auszubildende kostet eine Monatskarte 57 Euro.

Alle Karten gibt es außerdem noch etwas günstiger im Abo.

Tarif-Gefälle zwischen Berlin und Brandenburg

Insgesamt sind Schülertickets in Berlin überdurchschnittlich stark gegenüber den Zeitkarten für Erwachsene rabattiert. Kostet die Umweltkarte für Erwachsene in Berlin 81 Euro, so kostet ein Monat für Schüler weniger als ein Drittel hiervon.

Zum Vergleich: Eine Zeitkarte für Erwachsene für einen Landkreis in Brandenburg schlägt mit 89 Euro zu Buche, für Schüler mit happigen 66,40 Euro. Dies sind mehr als zwei Drittel des Erwachsenenpreises – und das vor dem Hintergrund von in der Regel deutlich schlechteren Verkehrsangeboten als in Berlin.

Zum 1. August 2018 wird die Schülermonatskarte in Berlin nun noch günstiger. Die Geschwisterkarte fällt dafür weg. Damit wird es allerdings für eine Familie mit mehr als drei Kindern, die mit Monatskarten zur Schule fahren, teurer – was allerdings nur wenige betrifft und zumindest übergangsweise durch eine Kulanzregelung ausgeglichen wird.

Einen weiteren familien- und verkehrspolitischen Akzent setzt Berlin, indem Kinder einkommensschwacher Familien ab 1. August in Berlin grundsätzlich gratis fahren dürfen. Hier gilt der Berlinpass als Fahrkarte.

Wichtige Vereinfachungen

Neben den Vergünstigungen sind die bevorstehenden Vereinfachungen hervorzuheben, denn die beträchtlichen Erschwernisse beim Kauf der Geschwisterkarte fallen weg. Da beim Kauf der Wertabschnitte des Geschwistertickets stets der Wertabschnitt des ersten Kindes vorgelegt werden musste, war dieses nicht an Automaten erhältlich.

Das wird nun alles einfacher, weil die Kundenkarte wegfällt. Wird die Schülermonatskarte am Automaten oder in einer Verkaufsstelle erworben, muss auf dem Wertabschnitt das Geburtsdatum des Kindes eingetragen werden. Der Wertabschnitt gilt dann zusammen mit dem Berliner Schülerausweis I als Monatskarte Berlin AB.

Bei einem Abonnement gibt es für die Berliner Schüler jetzt auch eine Chipkarte, die VBB-FahrCard – wie für die Erwachsenen.

Und mit dem grundsätzlich kostenlosen Fahren für Kinder einkommensschwacher Familien schlägt die Fahrt zum Verein oder zu Freunden nun nicht mehr extra zu Buche.

Solche Tarifmaßnahmen sind für Berlin leichter als bisher umsetzbar, weil bis auf das landeseigene Unternehmen BVG inzwischen alle anderen relevanten Unternehmen, die in Berlin Linien betreiben, sogenannte Bruttoverträge haben. Das heißt, dass die Unternehmen für das Fahren in voller Höhe bezahlt werden und die Fahrgeldeinnahmen (im Prinzip) in voller Höhe an das Land Berlin abgeführt werden. Die BVG als letztes Unternehmen mit einem Nettovertrag erhält für die aufgrund der vergünstigten Zeitkarten künftig geringeren Fahrgeldeinnahmen vom Land Berlin einen pauschalen Ausgleich.

Berliner Familie nach Brandenburg? Das wird teuer!

Auch für Fahrten mit Kindern ohne Zeitkarten ist der Tarif in Berlin familienfreundlich, denn die Tageskarte für Berlin (und Potsdam AB) erlaubt die kostenfreie Mitnahme von bis zu 3 Kindern.

Einen Preisschock erleben Berliner Familien jedoch, wenn sie mal einen Ausflug nach Brandenburg machen wollen. Zwei Erwachsene und zwei Kinder, die für Berlin mit Zeitkarten ausgestattet sind, zahlen für eine Reise ins Tarifgebiet C und zurück 8 Mal den Anschlussfahrschein für 1,60 Euro, also insgesamt 12,80 Euro.

Liegt das Ziel schon einen Bahnhof hinter der Tarifgrenze von Berlin C, zum Beispiel Beelitz Heilstätten, so werden 30 Euro fällig. Das heißt: Für ein paar Kilometer mehr werden die Kosten mehr als verdoppelt.

Tatsächlich sind es allerdings „nur“ 29 Euro, denn durch den Kauf des Brandenburg-Berlin Tickets aus dem DB-Tarif können alle Fahrten, auch bei größeren Entfernungen, auf einen Preis von 29 Euro begrenzt werden.

Dasselbe gilt natürlich auch für Brandenburger Familien, die einen Ausflug nach Berlin planen.

Tarifausnahmen beseitigen und neue Angebote machen

Attraktiver wäre, wenn auch bei Fahrten von Berlin ins Land Brandenburg die Regel gelten würde, dass Tageskarten zur Mitnahme von bis zu 3 Kindern berechtigen. Zugleich würde der Tarif hierdurch vereinfacht werden, da sich die Mitnahmeregelungen innerhalb des VBB dann nicht mehr von Tarifstufe zu Tarifstufe unterscheiden, sondern einheitlich wären.

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Entfällt künftig: Kundenkarte zum Schülerticket Foto: IGEB

Zwar wird derzeit von verschiedenen Parteien von links bis zur Mitte die Forderung nach kostenfreiem ÖPNV für jedermann gestellt, aber erstaunlicherweise kommt niemand auf die Idee, hiermit erst einmal bei den Kindern anzufangen. Damit würden mehr Kinder frühzeitig an die Nutzung der umweltfreundlichen Bahnen und Busse herangeführt, und es würden zahlreiche schwierige, oft belastende Situationen zwischen Kindern, Kontrolleuren und Zugbegleitern entfallen.

Handlungsbedarf gibt es auch für die Zeit zwischen Schule und Ausbildung oder Studium. In dieser Zeit haben die Kinder in der Regel kein Einkommen und müssen dennoch den „Normaltarif“ der Erwachsenen zahlen. In diesen Monaten oder Jahren verliert der öffentliche Verkehr bisherige Stammfahrgäste, die später zum Teil nicht mehr zurückgewonnen werden können.

Reformbedarf auch in Brandenburg

Uneinheitlich und unübersichtlich ist die Lage im Land Brandenburg, weil die Zuständigkeit bei den Landkreisen liegt und diese meistens die Kosten der Schülerbeförderung bei Familien mit niedrigem Einkommen übernehmen, teilweise aber auch bei allen anderen Schülern. Da in der Regel aber nur der Fahrweg zwischen Wohnort und Schule kostenfrei ist, muss bei anderen Fahrzielen gezahlt werden. Hinzu kommt. dass es im ländlichen Raum für andere Wege als den zur Schule oft gar keine Verkehrsangebote gibt.

Anstatt sich nun über die familienfreundlichen Berliner Neuregelungen zu beschweren, wie es die Landräte laut Märkischer Oderzeitung vom 12. Juli 2018 taten, sollten Landesregierung und Landkreise besser zügig an einer familienfreundlicheren einheitlichen Neuregelung in Brandenburg arbeiten.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 3/2018 (August 2018), Seite 16

 

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