Bahnangebot nach Zielona Góra
katastrophal
Grünberg ist die polnische Großstadt, die mit
der Bahn von Berlin aus am schlechtesten zu
erreichen ist. Es gibt täglich nur eine Verbindung
mit einem Regionalzug, der hinter der
polnischen Grenze an jeder „Milchkanne“
hält und gegen 11 Uhr dort ankommt. Um
16.31 Uhr muss man mit der letzten Verbindung
nach Frankfurt (Oder) wieder zurückfahren.
Zu wenig Zeit für einen ordentlichen
Tagesausflug mit einem gemütlichen Essen.
Dabei hat Grünberg Interessantes zu bieten:
eine nicht so stark zerstörte Altstadt mit historischer
Bausubstanz und Weinanbau.
Seit dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember
2018 gibt es eine kleine Verbesserung:
Der Nachtzug von Berlin nach Wien mit Sitzplatzwagen
nach Przemyśl hält in Grünberg.
Wegen seiner Fahrplanlage (morgens nach
Berlin, abends zurück) nutzt er allerdings
nur den polnischen Bürgern, die eine Tagesfahrt
nach Berlin machen möchten. Für die
Berliner und Brandenburg fehlt weiterhin
eine ordentliche Tagesrandverbindung.
Schieneninfrastruktur nach
Zielona Góra hervorragend
Zwischen Berlin und Grünberg gibt es eine
durchgehend zweigleisige und elektrifizierte
Bahnstrecke. Der Abschnitt Erkner—Rzepin
(Reppen) ist mit 160 km/h befahrbar
(demnächst auch ab Berlin-Köpenick). Im
anschließenden Abschnitt Reppen—Grünberg
wurde durch umfangreiche Ausbaumaßnahmen
die Höchstgeschwindigkeit
von 70 auf 120 km/h angehoben. Fast alle
Langsamfahrstellen sind beseitigt und der
modernisierte Bahnhof Grünberg ist sogar
barrierefrei mit Aufzügen ausgestattet.
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Im Bahnhof von Gorzów Wielkopolski (Landsberg an der Warthe). Um 22.46 startete der Zug zur Rekordfahrt und erreichte nach nur 94 Minuten Berlin-Lichtenberg. Foto: Dr. Heike Stock |
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Die Bahnverbindung Berlin—Grünberg
ist ein gutes Beispiel, dass es nicht reicht,
nur auf die Verbesserung der Schieneninfrastruktur
zu orientieren. Diesen Fehler
machen oft die EU Kommission und die
nationalen Verkehrsministerien, und vernachlässigen
dabei das Problem der Fahrzeugbeschaffung.
Denn es gibt fast keine
elektrischen Schienenfahrzeuge, die mit
dem polnischen und deutschen Zugsicherungssystem
(SHP und INDUSI) ausgestattet
sind.
Nur die PKP Intercity verfügt über neun
Lokomotiven (Siemens „Husar“), die aber
alle für den Verkehr nach Warschau, Russland
und Tschechien benötigt werden. Alle
Eisenbahnverkehrsunternehmen scheuen
die teuren Anschaffungen dieser Spezialfahrzeuge
mit Mehrkosten von 0,6 bis 0,8
Mio. Euro pro Fahrzeug.
Sonderfahrt nach Zielona Góra
Am 15. September 2018 haben wir (Veranstalter
waren die AG Polen und der Fachausschuss
Mobilität der SPD Berlin) mit einem
Sonderzug eine Dreiecksfahrt Berlin—Grünberg—Landsberg—Berlin angeboten, um
auf die Probleme und die Hintergründe des
deutsch-polnischen Bahnverkehrs aufmerksam
zu machen. Unter den 95 Teilnehmern
waren Politiker, Verkehrsexperten, Vertreter
von Fahrgastverbänden, IHK-Vertreter, Journalisten,
an Polen interessierte Bürger und
sogar eine Delegation der Sozialisten aus
Paris.
Bei der Organisation mitgeholfen haben
auch Jacek Jeremicz (vielen sicherlich
bekannt von der „Ostbahn-Initiative“) und
die polnischen Sozialdemokraten (SLD) in
Lubuskie.
Da DB Regio derzeit überhaupt keine
Fahrzeuge für Sonderzüge mit Zulassung
für Polen zur Verfügung hat, mussten wir
auf ein 140 km/h schnelles PESA-Fahrzeug
der Niederbarnimer Eisenbahn zurückgreifen.
Zwischen Erkner und Reppen konnten
erstmals die zugelassenen 140 km/h ausgefahren
werden.
Die Fahrt führte zuerst zum traditionellen
Grünberger Weinfest und Umzug. Gleich
nach der Ankunft des Sonderzuges gab es
eine erste Pressekonferenz. Die Berliner Abgeordnete
Ülker Radziwill (Stellvertretende
Fraktionsvorsitzende der SPD) berichtete vor
deutschen und polnischen Medienvertreter
über die Probleme und Lösungsmöglichkeiten.
Ihr Fazit: Wir brauchen dringend einen
betreiberneutralen deutsch-polnischen
Fahrzeugpool, wie er in anderen Grenzregionen
üblich und erfolgreich ist.
Auch Zielona Góra—Gorzów in gutem
Zustand
Die Hauptstadtfunktionen der Wojewodschaft
Lebus sind auf die Städte Grünberg
und Landsberg aufgeteilt. Daher hatten
wir am frühen Nachmittag die Gelegenheit,
mit unserem Sonderzug auch den
Zustand dieser Verbindung zu erkunden.
Bis Zbąszynek (Neu Bentschen) führt der
Weg über die elektrifizierte Hauptstrecke,
auf der auch IC-Züge nach Warschau verkehren.
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Im Bahnhof Międzyrzecz begrüßten die polnischen Partner die Teilnehmer der Sonderfahrt mit den Gästen aus Berlin und Paris. Foto: Dr. Heike Stock |
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Vor wenigen Jahren mussten die Züge
in Czerwieńsk (Rothenburg) die Fahrtrichtung
wechseln. Dies hatte historische
Gründe, dann das Eisenbahnnetz war auf
Leipzig orientiert (Hauptstrecke Posen—Guben—Cottbus—Leipzig). Die Fahrzeit
konnte durch den Neubau einer Verbindungskurve
um über 20 Minuten verkürzt
werden. Die Strecke ist mit 100 bis 20
km/h befahrbar.
Beindruckend ist der Bahnhof Neu Bentschen,
der nach dem 1919 abgeschlossenen
Friedensvertrag von Versailles als moderner
deutscher Grenzbahnhof mit großen Gebäuden
für die Pass- und Zollkontrolle ausgebaut
wurde. Dabei musste das gesamte
Eisenbahnnetz umstrukturiert werden,
denn die Strecken aus Berlin, Leipzig und
Landsberg liefen vorher im benachbarten
Bentschen (heute Zbąszyń) zusammen, das
aber nach dem Ersten Weltkrieg auf polnischem
Territorium lag.
Weiter ging es auf einer Nebenstrecke
über Międzyrzecz (Meseritz) nach Landsberg.
Die Strecke verfügt über zahlreiche
Kreuzungsmöglichkeiten auch für Güterzüge.
Die Höchstgeschwindigkeit lag in den
1990er Jahren noch bei 50 km/h. Sie wurde
auf 80 bis 100 km/h angehoben. In Meseritz,
Partnerstadt des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf,
gab es einen Empfang durch
eine Folklore-Gruppe (organisiert von der
SLD). Bei einem kurzen Halt in Skwierzyna
(Schwerin/Warthe) erläuterte Jacek Jeremicz
seine Initiative zur kommunalen Nutzung
und Sanierung des Bahnhofsgebäudes, die
er als kommunaler Abgeordneter angestoßen
hat.
In Gorzów Ausbau der Straßenbahn
In Landsberg werden derzeit das gesamte
Straßenbahnnetz, der Bahnhof und das Viadukt
der Ostbahn saniert und modernisiert.
Der frühere Stadtdirektor Jacek Jeremicz
hatte sich in seiner Amtszeit für den Erhalt
der Straßenbahn und Ersatzbeschaffung von
deutschen Städten engagiert. Er erläuterte
uns in einem sauberen Hybridbus der Stadtwerke
(MPK) die wichtigsten Vorhaben der
Erweiterung und Modernisierung des Straßenbahnnetzes
und der Stadtentwicklung.
Rekordfahrt Gorzów—Berlin
Durch eine spätere Abfahrt in Landsberg um
22.46 Uhr gab es keine Zugkreuzungen. So
konnten wir „simulieren“, welch attraktive
Fahrzeiten für einen Regionalexpress schon
heute möglich wären, wenn das 1946 von
der Roten Armee demontierte zweite Gleis
zwischen Berlin und Küstrin wiederaufgebaut
würde. Auf der polnischen Seite ist
die Ostbahn zweigleisig und mit 120 km/h
befahrbar.
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Ein Besuch der Altstadt von Zielona Góra (Grünberg) lohnt, aber der Fahrplan ermöglicht noch immer keinen Tagesausflug für Bahnfahrgäste aus Berlin und Brandenburg. Foto: Dr. Heike Stock |
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Durch die spätere Abfahrt gab es genug
Zeit, alle Fahrgäste im neuen Bürgerhaus des
Dorfes Janczewo (6 km von Gorzów) durch
ein traditionell polnisches Abendessen zu
verwöhnen, das die örtlichen Landfrauen
vorbereitet hatten.
Trotz Halten in Kostrzyn und Seelow-Gusow konnten wir in nur 94 Minuten nach
Berlin-Lichtenberg zurückkehren. Diese
Fahrzeit war sogar um einige Minuten kürzer
als die Fahrtzeit der Schnellzüge aus Richtung
Königsberg in den 1930er Jahren.
100 Jahre Republik Polen
Wir haben mit dem Sonderzug auch an das
Jubiläum der Zweiten Polnischen Republik
erinnert, bei deren Gründung die Ostbahn
eine wichtige Rolle spielte. Nach der deutschen
Novemberrevolution 1918 wurde
der spätere Staatschef Józef Piłsudski aus
der Festungshaft in Magdeburg entlassen.
Am 10. November 1918 wurde er in einem
Sonderzug der neuen SPD/USPD-Regierung
unter Phillip Scheidemann über die Ostbahn
und Thorn nach Warschau gebracht, wo er
am 11. November die Republik Polen ausrufen
konnte.
Dr. Jürgen Murach
Stv. Vorsitzender des Fachausschusses Mobilität der SPD Berlin
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