Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin fuhr mit einem
Bus eines Fernbusunternehmens von
Münster Hbf. nach Rostock ZOB. Für diese
Fahrt hatte sie bei dem Busunternehmen
eine Fahrkarte zu einem Preis von 22,00
Euro erworben. Die Beschwerdeführerin
schilderte, dass sie auf dieser Fahrt einen
Koffer mitgenommen habe, der im Gepäckraum
des Busses verstaut worden sei. Nach
der Ankunft in Rostock sei der Koffer nicht
mehr auffindbar gewesen. Stattdessen
habe sich lediglich der Koffer eines anderen
Fahrgastes im Gepäckraum des Busses
befunden. Im Koffer der Beschwerdeführerin
hätten sich hauptsächlich Kleidungsstücke,
Kosmetik, Schmuck sowie ein Laptop
befunden. Den Wert des Koffers mit Inhalt
bezifferte die Beschwerdeführerin auf
2857,72 Euro.
Die Beschwerdeführerin meldete den
Verlust umgehend dem Busfahrer, der den
übrig gebliebenen Koffer in das zuständige
Fundbüro gebracht habe. Nach eigenen Angaben
wandte sich die Beschwerdeführerin
auch an das Busunternehmen, ohne jedoch
eine Antwort zu erhalten. Erst nach mehreren
erneuten Nachfragen teilte das Busunternehmen
mit, dass das Gepäckstück der
Beschwerdeführerin nicht habe ausfindig
gemacht werden können.
Antwort der Beschwerdegegnerin
Die Beschwerdeführerin war damit nicht
zufrieden und forderte erneut eine Entschädigung
vom Busunternehmen für den verschwundenen
Koffer. Daraufhin wurde der
Beschwerdeführerin eine Zahlung in Höhe
von 350,00 Euro angeboten. Die Beschwerdeführerin
hielt dieses Angebot aber für
nicht ausreichend und wandte sich zwecks
juristischer Prüfung an die Schlichtungsstelle
(söp).
Schlichtungsarbeit
Die söp prüfte das Anliegen der Beschwerdeführerin
und kam zu dem Ergebnis, dass
ein Schadensersatzanspruch der Beschwerdeführerin
nicht ausgeschlossen ist. Da die
Verordnung (EU) Nr. 181/2011 einen Anspruch
für den Fall eines Gepäckverlustes
nur in Verbindung mit einem Unfall vorsieht,
es einen solchen aber nicht gegeben hat,
sind u. a. die Bestimmungen in den Beförderungsbedingungen
des Busunternehmens
(AGB) maßgeblich.
Zugunsten des Busunternehmens hat die
söp zunächst festgestellt, dass aufgrund der
AGB ein Anspruch der Beschwerdeführerin
jedenfalls zum Teil fraglich sein könnte. In
Ziffer 18.5.1 AGB heißt es: „Wertsachen, wie
z. B. Bargeld, Schmuck, […], Laptops, iPads,
Tablet-PCs […] sind im Handgepäck und
nicht im Reisegepäck zu befördern und obliegen
der Sorgfaltspflicht des Fahrgastes.“
Werden Wertgegenstände dennoch im Reisegepäck
befördert, besteht kein Anspruch
auf Haftung. Die Beschwerdeführerin hatte
Schmuck und einen Laptop im Koffer verstaut
(Wert insgesamt: ca. 1500 Euro), obwohl
diese Sachen im Handgepäck hätten
untergebracht werden müssen. Eine Entschädigung
könnte insoweit daher bereits
aus diesem Grund ausscheiden.
In Ziffer 21.4.2 AGB heißt es weiter: „Für
Verlust von Gepäckstücken, der nicht im Zusammenhang
mit einem aus der Nutzung
des Kraftomnibusses resultierenden Unfall
steht, sowie für Vertausch oder Diebstahl
der Gepäckstücke wird die Haftung, außer
bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, ausgeschlossen.“
Der Koffer der Beschwerdeführerin
wurde offenbar von einem Dritten
an sich genommen, so dass eine Haftung
ausgeschlossen sein könnte. Problematisch
ist jedoch, wie die Verantwortung zwischen
der Beschwerdeführerin und dem Busunternehmen
zu verteilen ist.
Unabhängig von den Bestimmungen in
den AGB des Busunternehmens trifft die
Beschwerdeführerin die Beweislast dafür,
dass sich die benannten Gegenstände auch
tatsächlich in ihrem Koffer befunden haben.
Inwieweit ihr dieser Beweis gelingen kann,
ist im Schlichtungsverfahren mangels Beweisaufnahme
nicht aufklärbar.
Zugunsten der Beschwerdeführerin
stellte die söp darauf ab, dass die Beschwerdeführerin
mit dem Busunternehmen
einen Beförderungsvertrag abgeschlossen
hatte. Das Busunternehmen
trifft daher die Nebenpflicht zur unversehrten
Ankunft des Fahrgastes und seiner
Sachen. Eine Haftung wegen des Verlustes
des Koffers kommt nach §§ 280, 241 Abs.
2 BGB dann in Betracht, wenn das Busunternehmen
oder seine Erfüllungsgehilfen
eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis
verletzen und das Busunternehmen diese
Pflichtverletzung auch zu vertreten hat.
Dies könnte vorliegend gegeben sein. Insbesondere
die Praxis der Gepäckherausgabe
des Busunternehmens könnte dafür
sprechen, dass die Sorgfaltspflichten nicht
in ausreichendem Maße beachtet wurden.
Allerdings war die Situation vor Ort für die
Schlichtungsstelle im Nachhinein nicht
überprüfbar.
Wo genau der Koffer abhandenkam, ist
nicht klar. Grundsätzlich trifft den Busfahrer
aber eine Obhutspflicht, so dass er auch
verpflichtet ist, das Gepäck während der
Zwischenaufenthalte zu beaufsichtigen. Das
hat z. B. das AG München am 8. Dezember
2015 festgestellt (283 C 5956/15). Es spricht
einiges dafür, dass vorliegend entweder der
Obhutspflicht nicht in ausreichendem Maße
Genüge getan wurde oder aber die Praxis
der Kontrolle bei der Gepäckherausgabe
und Gepäckentgegennahme mangelhaft
war, was ein höheres Organisationsverschulden
des Busunternehmens begründen
könnte.
Anhaltspunkte, die ein Mitverschulden
der Beschwerdeführerin am Verlust ihres
Gepäcks begründen könnten, sind nicht
erkennbar. Das AG München (s.o.) hat insoweit
festgestellt, dass es Busreisenden
nicht zuzumuten sei, bei Zwischenstopps
das Fahrzeug zu verlassen, um ihr im Gepäckraum
befindliches Gepäck vor Diebstahl
zu schützen. Das sei Aufgabe des
Buspersonals.
Da ein Schadensersatzanspruch nicht ausgeschlossen
werden konnte, war maßgeblich,
wie hoch der Zeitwert der abhandengekommenen
Gegenstände – mit Ausnahme
der Wertsachen – war. Nach den Ermittlungen
der söp und unter Zugrundelegung der
Zeitwerttabelle vom Deutschen Textilreinigungs-Verband
e. V. (DTV) belief sich der
Zeitwert für die belegten Gegenstände auf
einen Betrag in Höhe von 687,00 Euro und
der der nicht belegten Gegenstände auf
150,00 Euro. Zwar hatte das Busunternehmen
bereits ein Zahlungsangebot in Höhe
von 350,00 Euro unterbreitet. Allerdings
wurde nicht erläutert, wie sich dieses Angebot
zusammensetzt.
Angesichts der Beweislast auf beiden Seiten
hat die söp eine Zahlung in Höhe von
750,00 Euro für angemessen erachtet. Dieser
Betrag setzt sich aus dem gesamten Zeitwert
der belegten Gegenstände sowie ca.
50 Prozent des Zeitwertes der nicht belegten
Sachen, ausgenommen der Wertsachen,
zusammen.
Das Busunternehmen hat diesen Vorschlag
angenommen, so dass die Angelegenheit
einvernehmlich beigelegt werden
konnte. (Dr. Katja Schmidt)
Reisen per Bahn, Bus, Flugzeug oder Schiff
können von Verkehrsunternehmen wie von
deren Kunden noch so gut geplant und
organisiert sein: Es wird immer wieder zu Problemen
kommen, die Anlass zur Beschwerde
geben. Wer auf seine Beschwerde keine zufriedenstellende
Antwort bekommt, kann sich
an die söp, die Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr, wenden. Sie erarbeitet
dann einen Schlichtungsvorschlag zur
einvernehmlichen und außergerichtlichen
Streitbeilegung. Das erspart allen Beteiligten
Geld, Zeit und Ärger. Derzeit beteiligen sich
rund 370 Verkehrsunternehmen am Schlichtungsverfahren
der söp.
SIGNAL-Leserinnen und -Leser können in
jeder Ausgabe anhand eines konkreten Falls
einen Einblick in die praktische Arbeit der söp
bekommen.
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
https://soep-online.de
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
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