|
|
Foto: BfVst |
|
Auch heute noch ist der Erfolg ungebrochen.
Die Kehrseite dieser positiven Entwicklung:
Insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten
sind die Züge regelmäßig überlastet.
Verschärft wird die Situation, weil nicht wenige
„Randberliner” den RE 1 ab Potsdam
bzw. Erkner als schnellen S-Bahn-Ersatz benutzen.
Gegenwärtig wird die Linie täglich
von zwei Zugpaaren pro Stunde mit jeweils
5 Doppelstockwagen von DB Regio bedient.
Das reicht jedoch oft nicht mehr aus. Zu den
Berufsverkehrszeiten erwarten die berlinnahen
Zusteiger nur noch Stehplätze. Und
die Fahrgastzahlen werden weiter steigen.
Für 2030 prognostiziert der VBB einen Anstieg
um bis zu 63 Prozent gegenüber 2015.
Mehr Sitzplätze durch Taktverdichtung
Aufgrund der aktuellen und prognostizierten
Fahrgastzuwächse sollen ab Dezember
2022 im Berufsverkehr pro Tag acht zusätzliche
Zugpaare auf dem Abschnitt Frankfurt
(Oder)—Berlin—Brandenburg an der
Havel verkehren, die nur auf den wichtigsten
Bahnhöfen halten, zwischen Frankfurt
(Oder) und Berlin Ostkreuz zum Beispiel nur
in Fürstenwalde (Spree) und Erkner.
|
Die Sorge, ein haltender RE 1 könnte den Güterverkehr behindern, führte dazu, dass DB Netz die Planungen für den vom Land Berlin bestellten Regionalbahnhof Köpenick einstellte. Die Lösung: Der künftige Regionalbahnhof soll auf einem dritten Gleis umfahren werden können. Endlich geht es weiter mit den Planungen, aber mit der Fertigstellung ist nun nicht vor 2027 zu rechnen. Foto: BfVst |
|
Im Zusammenhang mit dieser Angebotsausweitung
wurde immer wieder von einem
20-Minuten-Takt auf dem RE 1 gesprochen.
Für den Abschnitt Erkner—Berlin Stadtbahn—Potsdam Hbf, auf dem die Züge auf
allen Regional- und Fernbahnhöfen halten,
trifft das auch annähernd zu – allerdings
auch nur in den Hauptverkehrszeiten Montag
bis Freitag.
Außerhalb dieses Abschnittes fahren drei
Züge in einer Stunde, aber nicht in einem
„sauberen” Takt. Das ist aufgrund der unterschiedlichen
Haltekonzeptionen für die drei
Umläufe auch gar nicht möglich.
|
© VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH 2018 |
|
Und außerhalb der Hauptverkehrszeiten,
in denen der dritte Zug pro Stunde nicht
verkehrt, aber die Fahrplanlage der beiden
verbleibenden Züge wegen der Zugfolge auf
der Berliner Stadtbahn erhalten bleiben muss,
wird es auf allen Stationen, auf denen beide
halten, zu einem „Humpeltakt” von ungefähr
20/40 kommen. Das ist die Kehrseite der Einführung
des 20-Minuten Taktes zwischen Erkner
und Potsdam. Nur die RE 1-Fahrgäste, auf
deren Station auch ab Dezember 2022 nur ein
Zug pro Stunde hält, sind davon nicht betroffen
und behalten ihren Stundentakt.
Mehr Sitzplätze durch längere Züge
So attraktiv die zusätzlichen Züge für die
Mehrzahl der Fahrgäste sind, so problematisch
sind sie für einen stabilen Bahnverkehr,
denn seit dem 18. Dezember 2013 wird die
Stadtbahn im Abschnitt Charlottenburg—Ostbahnhof
von der DB Netz AG als überlasteter
Schienenweg definiert.
Deshalb konzentrieren sich die Untersuchungen
und Planungen für den RE 1 im Rahmen
von i2030 auf eine Erhöhung der Sitzplatzkapazität
durch Verlängerung der Züge.
Dies ist gegenwärtig jedoch nicht möglich,
da zahlreiche Bahnhöfe und Haltepunkte
nicht die erforderliche Bahnsteiglänge aufweisen.
In Brandenburg sind das die Halte
Wusterwitz, Kirchmöser, Götz, Groß Kreutz,
Fangschleuse, Hangelsberg, Berkenbrück,
Briesen (Mark), Jacobsdorf (Mark), Pillgram,
Frankfurt(Oder)-Rosengarten, Kraftwerk
Finkenheerd, Finkenheerd, Wiesenau und
Ziltendorf. Für sie werden nun Bahnsteigverlängerungen
auf die Normlänge von 210
Metern geprüft.
Kurios ist, dass das Eisenbahn-Bundesamt
derzeit ein Planfeststellungsverfahren für
den Bahnhof Eisenhüttenstadt durchführt,
in dem der Rückbau auf 140 m lange Bahnsteige
(optional 170 m) vorgesehen ist. Hier
kommt i2030 gerade noch rechtzeitig, um
auf 210 m lange Bahnsteige umzuplanen.
Das i2030-Teilprojekt „Korridor RE 1” sollte
nach Auffassung des Berliner Fahrgastverbandes
IGEB aber auch eine Überprüfung
der Stadtbahn beinhalten, um beispielsweise
durch Anpassungen der Leit- und
Sicherungstechnik die Trassenkapazitäten
erhöhen zu können. Zur Entlastung des am
stärksten genutzten RE 1-Abschnitts
Berlin-Charlottenburg—Potsdam Hbf sollte außerdem
die S-Bahn durch zweigleisigen Ausbau
der Strecke zwischen Berlin-Wannsee und
Potsdam Hbf beschleunigt und stabilisiert
werden. Die Verlängerung des zweigleisigen
Abschnitts von Potsdam Hbf Richtung
Potsdam-Babelsberg, in Betrieb genommen
am 25. März 2019, war ein Schritt in die richtige
Richtung, ist aber noch nicht ausreichend.
ODEG erhält Zuschlag ab 2022
|
Diesen Triebzug, den Desiro HC von Siemens, will die ODEG ab Dezember 2022 auf dem RE 1 einsetzen. Sie hat im März 2019 zwei vierteilige und 21 sechsteilige Züge bestellt. Die Endwagen sind einstöckig, die Mittelwagen doppelstöckig. Züge dieser Bauart fahren bereits jetzt im Ruhrgebiet als „Rhein-Ruhr-Express“ RE 11 für Abellio. Abb: ODEG |
|
Im Rahmen des großen Vergabeverfahrens
„Netz-Elbe-Spree” war auch der RE 1 neu
ausgeschrieben worden. Am 25. Januar 2019
teilte der VBB mit, dass diese Linie ab dem
Fahrplanwechsel im Dezember 2022 nicht
mehr von DB Regio, sondern bis 2034 von
der Ostdeutschen Eisenbahn GmbH (ODEG)
befahren werden wird.
Bereits am 25. März 2019 unterzeichneten
die ODEG und Siemens einen Vertrag
über die Herstellung von 23 Triebzügen
vom Typ Desiro HC (High Capacity) mit angetriebenen
einstöckigen Endwagen und
doppelstöckigen, nicht angetriebenen Mittelwagen.
Von den bestellten 23 Zügen sind
21 sechsteilig und zwei vierteilig. Die sechsteiligen
Züge sind für den Einsatz auf dem
RE 1 vorgesehen. Sie sind 157,6 m lang, also
kaum länger als die DB-Doppelstockzüge
mit 5 Wagen und Lok, haben aber 637 statt
607 Sitzplätze.
Bei künftig weiter steigender Nachfrage
auf dem RE 1 hat der VBB die Option, bei
der ODEG auch Züge mit 800 Sitzplätzen zu
bestellen. Das kann dann durch Kauf weiterer
vierteiliger Desiro-Züge gewährleistet
werden, die 400 Sitzplätze bieten, beim
Einsatz in Doppeltraktion also 800, die dann
allerdings nur dort halten können, wo die
Bahnsteige 210 m lang sind.
Dazu äußerte ODEG-Geschäftsführer Arnulf
Schuchmann im März in einem Interview
mit der Märkischen Oderzeitung: „Der
zweite Punkt einer Optionsausübung wäre
im Dezember 2025. Dort könnten wir auch
aus Sechsteilern Achtteiler machen. Die Option
haben wir bei Siemens im Vertrag verankert.
Dabei muss man abwarten, wie sich
die Bahnsteigproblematik entwickelt. Wenn
ich mir vorstelle, wir haben nur noch lange
Züge, dann funktioniert das nach jetzigem
Stand beim RE 1 nicht. Da wäre ein vernünftiger
Druck auf die Politik und DB Netz nötig,
Finanzierungsmittel bereitzustellen, damit
eine solche Linie Bahnsteige bekommt, die
eben 210 Meter lang sind. Wenn man wollte,
bekommt man das bis Ende 2025 natürlich
hin.“
Hoch hinaus – bei den Bahnsteigkanten
|
21 Zentimeter Höhenunterschied, die für mobilitätseingeschränkte Reisende eine starke Beeinträchtigung darstellen. Für den „normalen” Reisenden mag es „nur” ein großer Schritt sein, für Rollstuhlfahrer beispielsweise ist es ein unüberwindbares Hindernis. Vom Untergeschoss zur Tür ist die Steigung schon sportlich, eine weitere Erhöhung des Neigungswinkels durch eine Rampe wäre nicht zu schaffen. Mitte und rechts ist deutlich ersichtlich: Die Bahnsteighöhe mit 55 cm ist optimal an die Einstiegshöhe der Fahrzeuge angepasst. Bei Erhöhung des Bahnsteigs wäre die Barrierefreiheit nicht mehr gegeben. Foto: BfVst |
|
Foto: BfVst |
|
Foto: BfVst |
|
So eher nebenbei tauchen in den Präsentationen
zu i2030 Bekenntnisse auf, die verkünden,
dass nach ohnehin anstehenden Bahnsteigum-,
-aus- und -neubauten auf dem
RE 1 alle Bahnhöfe künftig eine einheitliche
Bahnsteighöhe aufweisen sollen. Vater des
Gedankens ist der Bund, der das Bahnsteighöhen-Chaos
zwischen 38 und 96 Zentimetern
beenden will, um eine genormte Barrierefreiheit
herzustellen. Das Maß aller Dinge
soll dann 76 Zentimeter betragen. Warum?
Bereits seit 1905 empfiehlt die Eisenbahnbau- und
Betriebsordnung EBO diese Höhe,
die im Fernverkehr großflächig angewendet
wird und auf den RE 1-Bahnhöfen in Berlin
sowie auf dem östlichen Streckenast nach
Frankfurt (Oder) vorhanden ist.
Das Ansinnen ist zwar löblich, dessen Umsetzbarkeit
aber schwierig. Denn im Regionalzugverkehr
hat sich mit der Ausbreitung
der Doppelstockwagen ab den 1990er die
ideale Einstiegshöhe von 55 Zentimetern
etabliert. Das entspricht dem Maß der Bahnhöfe
auf dem westlichen Streckenast Wusterwitz—Potsdam. Im Jahre 2011 haben alle
Bundesländer und die Deutsche Bahn in den
Regelwerken diese Höhe dann auch festgeschrieben.
In vielen Verkehrsverträgen ist
sie die Maßgabe für die Barrierefreiheit, und
Bahnhof für Bahnhof wurde bzw. wird auf 55
Zentimeter angepasst. Bundesweit ist Thüringen
hierbei mit 95 Prozent seiner Bahnsteige
Vorreiter. Daher kommt der Widerstand
von den Ländern nicht von ungefähr.
Beim RE 1 hat man sich entschlossen, das
Problem fahrzeugseitig zu lösen. Die neuen
Züge vom Typ Desiro HC haben zur Gewährleistung
der Barrierefreiheit in den beiden
Wagen mit barrierefreiem WC jeweils eine
Tür passend für 55 und eine passend für 76
cm hohe Bahnsteige.
Die unendliche Geschichte:
Regio-Bahnhof Köpenick
Eigentlich sollte er schon 2007 ans Netz gehen,
der Regionalzughalt in Berlin-Köpenick.
Doch die Deutsche Bahn machte einen ersten
Rückzieher, als sie die Kosten nicht allein
tragen wollte. Als eine Kostendeckung vom
Land Berlin zugesichert wurde, ging es mit
der Planung weiter. Da bei Wuhlheide die
Güterzüge nach Osteuropa vom Berliner
Außenring auf die Frankfurter Strecke eingefädelt
werden, fürchtete DB Netz jedoch,
durch den Regionalbahnhof könne die Streckenkapazität
beeinträchtigt und der Güterverkehr
behindert werden. Sie ließ das
Vorhaben erneut ruhen.
Nun ist es wieder in den Fokus gerückt.
Auch wenn der Halt nicht zu den vordringlichen
Kernthemen von i2030 gehört, so war
er dennoch ein Bestandteil der Voruntersuchungen
und hatte Einfluss auf die RE 1-Planungen.
Mittlerweile haben sich Bund, Land
und Bahn geeinigt, ein drittes Gleis einzuplanen,
um die Güterzüge von der Frankfurter
Strecke am künftigen Regionalbahnhof
vorbei direkt auf die Abzweigung zum
Berliner Güterring zu lenken. Immer wieder
kommt es hier schon heute zu Trassenkonflikten
und gegenseitigen Behinderungen
zwischen dem Regional- und dem Güterverkehr.
Nach vorsichtigen Schätzungen könnte
im Jahre 2020 ein neuer Planfeststellungsbeschluss
vorliegen und ab 2022 mit dem
Bau begonnen werden. Sofern keine juristischen
Winkelzüge Dritter für zusätzliche
Verzögerungen sorgen, kann 2027 mit der
Inbetriebnahme gerechnet werden. Dann
werden, so ergaben die Voruntersuchungen,
etwa 5400 Menschen mehr in Berlin-Köpenick
ein-, aus- oder umsteigen. Noch nicht
berücksichtigt ist dabei das größte Bauvorhaben
Köpenicks. Der Bezirk will das gesamte
Areal des alten Güterbahnhofs bebauen.
Dann werden hier auf 58 Hektar Fläche
zwischen den S-Bahnhöfen Köpenick und
Hirschgarten etwa 1700 Wohnungen für bis
zu 5000 zusätzliche Köpenicker entstehen.
Berliner Fahrgastverband IGEB
|