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M 41 am neuen Hauptbahnhof. Seit der Verlängerung zum Hauptbahnhof hat die Metrobuslinie M 41 auch auf ihrem Kreuzberger und Neuköllner Linienabschnitten deutliche Fahrgastzuwächse zu verzeichnen. Die BVG hat dennoch in den Vormittagsstunden das Fahrtenangebot auf dem Kreuzberger Abschnitt halbiert. Foto: Raul Stoll |
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Gerade angesichts der finanziellen Lage
der BVG ist es der falsche Weg, das Fahrgeld
einbringende Verkehrsangebot zu kürzen,
während die Kosten für die Verwaltung
auf einem viel zu hohen Niveau verbleiben.
Somit entfernt sich die BVG immer mehr
von einem „durchschnittlich gut geführten
Verkehrsunternehmen“. Dieses Kriterium ist
aber nach EU-Recht die Voraussetzung dafür,
dass die BVG – wie vom rot-roten Senat
geplant – ab 2008 weiterhin alle Bus-, Straßenbahn-
und U-Bahn-Verkehre in Berlin
erbringen kann.
Paradoxerweise sind von der aktuellen
Angebotskürzung insbesondere die Metrolinien
betroffen, obwohl diese nach Angaben
der BVG stark steigende Fahrgastzahlen aufweisen.
Die Folge: längere Wartezeiten und
weniger Komfort durch vollere Fahrzeuge.
BVG kürzt Angebot auf Hauptachsen
Konkret wurden von der BVG zum 10. Dezember
auf folgenden vier Hauptachsen
Kürzungen vorgenommen:
- Bei der Metrobus-Linie M 32 vom Rathaus Spandau in die Louise-Schröder-Siedlung nach Staaken ist ein Viertel des Angebots montags bis freitags zwischen 9 und 13 Uhr sowie an Sonnabenden entfallen. Gerade angesichts der hohen Einwohnerdichte dieser Hochhaussiedlung mit über 20 000 Einwohnern und der deutlichen Fahrgastzunahme auf dem M 32, welche durch Taktverdichtungen Ende 2004 auf der Hauptachse Brunsbütteler Damm ausgelöst worden sind (kostenneutral finanziert durch die gleichzeitigen starken Angebotskürzungen auf dem Magistratsweg), hat die IGEB kein Verständnis für die nun erfolgten Einschränkungen des Angebots.
- Bei der Metrobus-Linie M 41, die seit ihrer Verlängerung zum Hauptbahnhof erhebliche Fahrgastzuwächse aufweist, hat die BVG das Angebot zwischen dem Halleschen Tor und dem Hermannplatz in den Vormittagsstunden auf einen 10-Minuten-Takt halbiert. Hier zeigt sich sehr deutlich, dass die Einführung des Metro- Netzes auch ein Marketing-Trick der BVG war, um Angebotskürzungen vor Medien, Politik und Fahrgästen kaschieren zu können. So wurden im ersten Schritt viele im Umkreis der Blücher- und Urbanstraße liegende Ergänzungslinien wie 248 und 341 eingestellt und die Kunden auf die ersatzweise verdichtete Linie M 41 (ehemals 241) verwiesen. Nun folgte der zweite Schritt, bei dem der M 41 wieder weitgehend auf die Fahrtenhäufigkeit vor der Angebotsverbesserung reduziert wurde. Das Ergebnis ist für viele Kunden ernüchternd – längere Wege zur Haltestelle und mehr Umsteigezwänge, weil die Ergänzungslinien alle ersatzlos gestrichen wurden. Und auf der Hauptachse wird auch nicht häufiger gefahren als früher! So wird das Metro-Netz zum Mogel-Netz!
- Gleiches gilt auch für die Metrobus-Linie M 82 vom Rathaus Steglitz nach Marienfelde. Hier reduzierte die BVG den Takt und das Platzangebot im Schüler- und Berufsverkehr durch die Umstellung vom 5 auf den 7 oder 10-Minuten-Takt. Für die IGEB ist diese Maßnahme angesichts der Bedeutung der Linie M 82, welche das Zentrum von Steglitz über Lankwitz Kirche und die Gallwitzallee mit der rund 20 000 Einwohner zählenden Hochhaussiedlung rund um die Waldsassener Straße in Marienfelde verbindet, völlig unverständlich. Gerade im Schülerverkehr herrscht auf der wichtigsten Nord-Süd-Verbindung in Steglitz drangvolle Enge, liegen doch fünf große Oberschulen mit zusammen über 5 000 Schülern an der Linie M 82. Auch hier ist der Vergleich mit dem Angebot vor der Einführung des Metronetzes interessant: Die damals auf der Gallwitzallee verkehrenden Linien 182 und 187 hatten ein dichteres Fahrtenangebot als der heutige Metrobus M 82. Neben Kapazitätsproblemen sorgt die Angebotsreduzierung zudem noch für schlechtere Anschlüsse zur S-Bahn – eine logische Folge der unterschiedlichen Grundtakte. So sind im Berufsverkehr bei Fahrten in die Innenstadt teilweise 9 Minuten Umsteigezeit das Ergebnis. Die falschen Angebotskürzungen der BVG werden also auch die S-Bahn treffen.
- Bei der Straßenbahn ist die durch Friedrichshain und Prenzlauer Berg fahrende Metro-Tram M 10 von den Kürzungen betroffen. Auf dieser Linie kommt zwischen 18 und 20 Uhr nur noch alle 7 statt alle 5 Minuten ein Zug. Das hat zur Folge, dass am U-Bahnhof Warschauer Straße alle direkten Umsteigeanschlüsse von und zur im 5-Minuten-Takt fahrenden U-Bahn entfallen.
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Mit einem halben Jahr Verspätung wurde nun vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg die Straßenanbindung zum östlichen Zugang des Bahnhofs Berlin Südkreuz hergestellt, so dass auch BVG-Busse hier vorfahren können. Die Buslinien 184 und 248 bieten über die neue Straße namens Ballonfahrerweg wichtige Direktverbindungen zwischen dem Fern-, Regional- und S-Bahnhof sowie den benachbarten Ortsteilen. Foto: Raul Stoll |
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Ergänzungsnetz ebenfalls reduziert
Auch abseits der Hauptachsen gab es einige
Kürzungen im Verkehrsangebot der BVG. So
fährt der Kiezbus in Hermsdorf (Linie 326)
nicht mehr an Sonntagen – er hatte wegen
seiner bisher auf fünf Stunden beschränkten
Einsatzzeit ohnehin nur eine begrenzte
Nachfrage.
Der Betrieb auf der Buslinie 347 in den
Abendstunden und am Wochenende wurde
weiter reduziert. Damit schikaniert die
BVG die vielen treuen Fahrgäste dieser Linie,
die sich hartnäckig gegen alle Vertreibungsversuche
der BVG wehren, weiter. Nachdem
eine von der BVG geplante Verkürzung der
Linie im Jahr 2003 am Widerstand der Anwohner
gescheitert ist, hat auch die teilweise
Umstellung auf den 30-Minuten-Takt
nicht dazu geführt, dass die Busse leerer geworden
sind. Kein Wunder, denn kaum ein
anderes, so dicht bebautes innerstädtisches
Wohnquartier ist so schlecht mit dem ÖPNV
erschlossen, wie das von der Linie 347 bediente
Quartier um den Rudolfplatz und die
Corinthstraße. Insofern hat die IGEB keinerlei
Verständnis für die nun erfolgte erneute
Angebotskürzung der BVG.
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Es ist nicht lange her, da plante man noch eine neue Straßenbahnstrecke zwischen Berlin-Schöneweide und Adlershof und hat dafür eine eigene Trasse (der Sandstreifen rechts) in der Mitte des neuen Groß-Berliner Damms freigehalten. Heute wird die großzügig dimensionierte Straße von der sinnvoll veränderten Buslinie 163 bedient, allerdings nur zu ausgewählten Zeiten. Ausgerechnet zu den Stunden, in denen hier das höchste Verkehrsaufkommen zu erwarten wäre, verkehrt sie nicht. Soll bewiesen werden, dass man die Straßenbahn nicht braucht? Foto: Raul Stoll |
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Auch positive Veränderungen
Allerdings gab es zum Fahrplanwechsel am
10. Dezember auch positive Veränderungen
im Angebot der BVG:
- So wird in Adlershof das Liniennetz
aufwandsneutral so verändert, dass die
Wissenschaftsstadt WISTA besser über
den Groß-Berliner Damm aus Schöneweide
erreichbar ist und zum anderen
ein neu entstandenes Gewerbegebiet
mit einem Baumarkt am Adlergestell
durch die Buslinie 163 mit dem ÖPNV
erschlossen wird. Leider hat sich die Eröffnung
dieser Linie um mehr als eine
Woche verschoben, weil die zuständige
Senatorin erst dann Zeit hatte, den schon
lange fertig gestellten neuen Groß-Berliner
Damm zu eröffnen. Klare Prioritätensetzung
des Senats: Ein paar positive
Medienberichte mit einer lächelnden
Verkehrssenatorin sind eben wichtiger
als ein planmäßiger ÖPNV-Betrieb. Sehr
ärgerlich ist zudem, dass die neue Linie
163 zwischen 8 und 14 Uhr den Streckenabschnitt
zwischen Schöneweide
und Adlershof nicht bedient, wo dies
doch gerade die Hauptanreisezeit der
Studierenden zur Wissenschaftsstadt ist.
Auch wird das Busangebot an der Haltestelle
Magnusstraße – dem Zentrum
der WISTA – durch diese Maßnahme
weiter reduziert. Es wird Zeit, dass der
Senat endlich die schon planfestgestellte
und vorbereitete Straßenbahntrasse
vom S-Bahnhof Adlershof zur WISTA
baut. Dieser aufstrebende Uni- und Forschungsstandort
braucht endlich auch
eine gute ÖPNV-Anbindung und nicht
nur einen Autobahnanschluss!
- Positiv ist auch, dass die Buslinie 248 nach
Fertigstellung einer neuen Straßenverbindung
nun endlich direkt den Bahnhof
Südkreuz erreicht und damit eine attraktive
Verbindung aus Kreuzberg zum neuen
Fern- und Regionalbahnhof herstellt. Leider
entsprechen aber die neu gebauten
Haltestellen am Bahnhof Südkreuz keinem
zeitgemäßen ÖPNV-Standard. Dass Linien
busse noch in Busbuchten verschwinden,
damit der Autoverkehr sie überholen
kann, ist Verkehrspolitik der 60er
Jahre. Und da ein Kasseler Bord fehlt, ist
die Haltestelle auch nicht behindertengerecht.
- Außerdem fährt mit der Buslinie 349
wieder ein Bus in die Siedlung Eichkamp,
wobei allerdings das Angebot
eines Stundentakts deutlich unter dem
erforderlichen Minimalstandard bleibt,
so dass der verkehrliche Erfolg dieser Linie
wohl ausbleiben wird. Kurios ist der
von der BVG durchgeführte Betrieb der
Linie 349: Der Bus fährt eine Runde in
25 Minuten und steht danach 35 Minuten
am Endpunkt herum – und das jede
Stunde. Unwirtschaftlicher kann man
ÖPNV nicht betreiben. Daher fordert die
IGEB die sofortige Verdichtung des Angebots
der Linie 349 auf einen 30-Minuten-
Takt.
Trotz dieser drei positiven Maßnahmen
überwiegen die Angebotsverschlechterungen.
Zusammen mit der Fahrpreiserhöhung
zum 1. April 2007 (auch wenn diese
nur einen Teil der Fahrgäste trifft) wird
die BVG so keine neuen Fahrgäste gewinnen.
Es bleibt zu hoffen, dass nun auch
die politisch Verantwortlichen erkennen,
dass die Angebotskürzungen beim Berliner
ÖPNV – wie wir sie nun schon seit
einem Jahrzehnt erleben – ein Ende haben
müssen. Ansonsten wird die Mobilität
der Berliner, die ohne eigenes Auto leben
(und das sind bemerkenswerte 68% der
Einwohner, also fast 2,3 Millionen Menschen)
dauerhaft eingeschränkt sein – mit
verheerenden sozialen, wirtschaftlichen
und ökologischen Folgen.
Positive Tendenzen im Koalitionsvertrag
Erste positive Tendenzen enthält der Koalitionsvertrag,
der fordert, dass „mit der BVG ein
Verkehrsvertrag abgeschlossen wird, der die
im Nahverkehrsplan festgelegten Verkehrsleistungen
definiert und deren finanzielle Abgeltung
durch das Land regelt.“ Dies würde
bedeuten, dass das jetzige Verkehrsangebot
– was dem in den Eckpunkten des Nahverkehrsplans
festgelegten Umfang weitgehend
entspricht – fortbestehen würde. Doch eines
ist dafür auch nötig, und daran scheint es der
Politik zu fehlen: Der Wille zur ausreichenden
Finanzierung der BVG entsprechend ihrer
(überdurchschnittlich hohen) Kosten. Denn
wenn man die BVG wie im bisherigen Unternehmensvertrag
chronisch unterfinanziert,
kann die Spirale aus steigendem Schuldenberg
und Angebotskürzungen nicht gestoppt
werden.
Berliner Fahrgastverband IGEB
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