Viele Gutachter, Fahrgast- und Umweltverbände
ebenso wie Wirtschaftsverbände
haben eine DB-Privatisierungsvariante, bei
der das Netz zwar formal im Bundesbesitz
verbleibt, der Deutschen Bahn jedoch das
Nutzungs-/Bilanzrecht bzw. die Bewirtschaftung
für insgesamt 15 Jahre zugestanden
wird, kritisiert. Infrastrukturbetreiber und
Transportunternehmen verbleiben damit de
facto in einem Konzern. Aber der Gesetzentwurf
der Bundesregierung sieht nun genau
dieses vor, so dass zu hoffen bleibt, dass er
im Bundestag oder spätestens im Bundesrat
noch gestoppt wird.
|
Nur das Trennungsmodell sichert dauerhaft den diskriminierungsfreien Netzzugang und schafft damit faire Wettbewerbsbedingungen für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen. Das Bild zeigt einen Zug der Schleswig-Holstein-Bahn GmbH in Büsum. Foto: Christian Schultz, Juli 2007 |
|
Der Berliner Fahrgastverband IGEB lehnt
die integrierte Privatisierung von Netz und
Transport, auch in der nun vorgesehen Variante,
ab und befürwortet das Trennungsmodell.
Wie in SIGNAL 1/2006 bereits ausgeführt,
wäre die ordnungspolitisch sauberste
Lösung – die auch EU-Vorgaben optimal
erfüllt – eine Herauslösung der DB Netz AG
aus dem DB-Konzern. Das Eigentum an der
Schieneninfrastruktur muss auch deshalb
ungeteilt beim Staat verbleiben, damit die
entsprechende grundgesetzliche Verantwortung
für die Schieneninfrastruktur zukünftig
überhaupt umfassend sichergestellt
werden kann.
Bei dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf
zur DB-Teilprivatisierung verbleibt
nunmehr ein erhebliches Diskriminierungspotenzial.
Warum sollte bei einem praktisch
integrierten Konzern die DB AG bei Strecken,
auf denen z. B. ihre Transportgesellschaften
selbst nicht oder nur in geringem Umfang
fahren, ausgerechnet den Konkurrenten attraktive
Trassen anbieten? Warum sollte die
DB Netz AG einem Wettbewerber womöglich
sogar bessere Trassen anbieten, als den
DB-Transportgesellschaften? Gerade beim
Eintritt privater Investoren wird der Druck
auf den Konzern noch deutlich zunehmen,
die Effizienz zu steigern, Kosten zu senken
bzw. Profite zu erwirtschaften und alle
Wettbewerber auf größtmögliche Distanz
zu halten.
Ähnlich wie in den letzten Jahren geschehen,
dürften sich mit einem de facto integrierten
Netz die Infrastrukturkapazitäten
und Investitionsschwerpunkte auch weiterhin
an den DB-Unternehmensbereichen des
Personen- und Güterverkehrs orientieren.
Der Kahlschlag bei der Schieneninfrastruktur,
z. B. die Demontage von Kreuzungsgleisen
oder die Demontage von Verlademöglichkeiten
in Bahnhöfen, wird
aus Effizienzgründen unvermindert
weitergehen.
Bedenklich sind in diesem Zusammenhang auch die im Vorfeld der Privatisierung festgestellten Qualitätsmängel im Bereich der Schieneninfrastruktur. Brisant ist hier der entsprechende Bericht des Bundesrechnungshofs, in dem neben einer Vielzahl von Langsamfahrstellen auf etliche sicherheitsrelevante Mängel hingewiesen wurde, wie z. B. auf nicht funktionsfähige Heißläuferortungsanlagen, unzureichende Vegetationskontrolle, Beeinträchtigung der Standsicherheit von Signalen durch stark korrodierte Ankerschrauben der Signalerdfüße und systematischer Verzug bei der Beseitigung von festgestellten Mängeln an Brücken. Bei der seitens der Politik gewählten Form der Bahnprivatisierung ist eher eine Verstetigung derartiger Mängel zu befürchten als eine Verringerung. Es bleibt fraglich, inwieweit hier mir dem angekündigten Schienenwegekataster tatsächlich ausreichende Regelungen geschaffen werden.
Infrastruktur und Transport tatsächlich untrennbar?
Für das jetzt gewählte Modell der faktisch
integrierten Bahnprivatisierung gibt es keinerlei
Sachzwänge. U. a. fährt auch die Deutsche
Bahn mit ihren Transportunternehmen
mittlerweile im Ausland bzw. drängt weiter
in benachbarte Märkte vor, auch wenn sie
die dortige Infrastruktur nicht selbst betreibt.
Jüngstes Beispiel ist der Verkehr mit
ICE 3 MF zwischen Frankfurt am Main Hbf
und Paris Est. Die Trennung von Schieneninfrastruktur
und Transportunternehmen
ist damit selbst bei komplexen, grenzüberschreitenden
Hochgeschwindigkeitsverkehren bereits Realität! Einen Nachteil hat
das System Schiene damit sicherlich nicht
erfahren, im Gegenteil.
Mit einem unabhängigen Netzbetreiber
(der sogenannten vertikalen Trennung) besteht
die Möglichkeit, die Trassenkapazität
neutral und effizient zu vermarkten. Ein
unabhängiger Netzbetreiber unterliegt zudem
keiner Konzernräson, der Anreiz von
Quersubventionierungen ist gering. Die
institutionelle Trennung von Fahrweg und
Fahrbetrieb schafft daher die vergleichsweise
günstigsten Rahmenbedingungen für
einen funktionierenden, effizienten Wettbewerb
bzw. zur Stimulierung der Nachfrage.
Ob die Bundesnetzagentur bei der nunmehr
geplanten Lösung den freien Zugang
zum Schienennetz tatsächlich umfassend
kontrollieren kann, ist angesichts der bereits
heute anstehenden Aufgaben bei der
Kontrolle allein des Strom- und Gasmarktes
fraglich.
Trennung von Fahrweg und Betrieb – in Schweden bereits seit 1988 Realität
In Schweden ist die nationale Behörde
Banverket Eigentümerin der staatlichen
Eisenbahninfrastruktur und unterhält diese
auch. Diese Reform hat sich seither im
Wesentlichen bewährt. Die Sicherheit des
Systems Schiene ist durch die erfolgte Trennung
nicht gesunken. Alle Teile des Schienennetzes
wurden zwischenzeitlich klassifiziert,
wodurch für jede Strecke definierte
und veröffentlichte Streckenstandards
festliegen. Bahnunternehmen, die das nationale
schwedische Schienennetz nutzen
möchten, benötigen einen Schienenzugangsvertrag
bzw. eine Vereinbarung über
die Fahrplantrassen mit Banverket. Warum
sollten politische Entscheidungsträger in
Deutschland von der nunmehr fast 20-jährigen
Praxis (!) bzw. Erfahrung in Schweden
nicht profitieren? Berliner Fahrgastverband IGEB
|