Gravierende Auswirkungen auf Bahn- und Busverkehr

IGEB-Stellungnahme gegen Verlängerung der Autobahn A100

Nicht überraschend fordert der ADAC die Verlängerung des innerstädtischen Autobahnrings. Aber die meisten Berliner Verkehrs- und Umweltverbände lehnen das Projekt entschieden ab. In SIGNAL 2/2009 hat sich bereits der BUND Berlin geäußert. Nachstehend drucken wir die Stellungnahme des Berliner Fahrgastverbandes IGEB ab, die am 20. April als Stellungnahme im Rahmen des förmlichen Planfeststellungsverfahrens abgegeben wurde.

Stellungnahme zur Auslegung der Planfeststellungsunterlagen für den Neubau der BAB 100 zwischen dem Autobahndreieck Neukölln und der Anschlussstelle Treptower Park

Der Berliner Fahrgastverband IGEB lehnt den Weiterbau der BAB 100 aus verkehrlichen, umweltpolitischen und städtebaulichen Gründen ab. Die ausgelegten Planfeststellungsunterlagen berücksichtigen die Auswirkungen des Autobahnbaus auf den Verkehr insgesamt und speziell auf den öffentlichen Verkehr nicht oder vollkommen unzureichend. Wichtige Aspekte sind nicht untersucht worden und können somit in ihren schädlichen Auswirkungen auf den öffentlichen Verkehr nicht angemessen beurteilt werden. Im Einzelnen:

  • Durch den Weiterbau innerstädtischer Autobahnen sind deutliche Verlagerungseffekte zu Gunsten des motorisierten Individualverkehrs und zu Lasten der umweltund stadtverträglichen Verkehrsarten zu erwarten, die den verkehrlichen und ökologischen Zielsetzungen des Berliner Senats diametral entgegenstehen. In den Planfeststellungsunterlagen fehlen entsprechende Untersuchungen über Verlagerungseffekte vom SPNV und ÖPNV zum motorisierten Individualverkehr, die sich alleine schon aus den Reisezeitveränderungen für den Straßenverkehr ergeben. Es fehlen außerdem Untersuchungen über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Verlagerungen auf S-Bahn GmbH und BVG.
  • Der Stadtentwicklungsplan (StEP) Verkehr, auf den sich der Weiterbau der BAB 100 stützt, befindet sich gerade in der Fortschreibung. Es zeichnet sich ab, dass etliche Ziele, insbesondere die Modal-Split-Ziele sowie die Ziele zur Nachfrageentwicklung im ÖPNV, deutlich verfehlt werden, so dass in der Fortschreibung die geplanten Maßnahmen grundsätzlich überdacht werden müssen. Eine auf den alten überholten StEP gestützte Argumentation ist somit nicht belastbar.
  • Schon jetzt kommt es während der morgendlichen Hauptverkehrszeiten regelmäßig zu Staubildungen auf dem südlichen Abschnitt der BAB 100. Auf diesem Abschnitt werden durch den geplanten 16. Bauabschnitt der Verkehr und damit die Staubildungen während der Hauptverkehrszeiten noch deutlich zunehmen. Das wird zu Verlagerungen in das Hauptverkehrsstraßennetz führen, was wiederum Auswirkungen auf den BVG-Busverkehr hat. Entsprechende Untersuchungen fehlen jedoch.
  • Durch den Bau des 16. Bauabschnittes der BAB 100 wird durch die enorme Verkehrszunahme im Bereich rund um die Elsenstraße ein Zugzwang für den Weiterbau der BAB bis zur Frankfurter Allee entstehen. Deshalb hätten schon jetzt die städtebaulichen, verkehrlichen und umweltpolitischen Auswirkungen des Weiterbaus bis zur Frankfurter Allee untersucht und bewertet werden müssen.
  • Den benannten, aber nicht nachzuweisenden erheblichen Entlastungseffekten für das Innenstadtstraßennetz stehen zum Teil deutliche Verkehrszunahmen selbst im weiteren Umfeld der Autobahnanschlussstellen gegenüber, wie bei den in den letzten Jahren neu eröffneten Autobahnabschnitten immer wieder festzustellen ist. Es ist in den Planfeststellungsunterlagen nicht dargestellt worden, welche Auswirkungen die erwartenden Verkehrszunahmen auf den BVG-Busverkehr haben. Gerade wegen der durch den Autobahnbau zu erwartenden Verkehrszunahmen ist es nicht akzeptabel, dass die vorhandenen Busspuren in der Elsenstraße offenbar wegfallen sollen.
  • Aus den ausgelegten Planfeststellungsunterlagen ist zu entnehmen, dass offenbar der geplante Umsteigeknoten im BVGBusliniennetz an der Haltestelle S-Bahnhof Treptower Park/Puschkinallee/Elsenstraße wegfallen bzw. verlagert werden soll. Eine solche gravierende Verschlechterung für die BVG-Fahrgäste ist nicht hinnehmbar. Es müssen mindestens drei Busse gleichzeitig an der Haltestelle halten können und zur Anschlussgewährung eine Standzeit von mindestens drei Minuten nehmen können.
  • Die Auswirkungen des Baus und Betriebs der Anschlussstelle Sonnenallee sowie der damit vorhandenen Verkehrszunahme auf der Sonnenallee auf die Fahrzeiten und die Pünktlichkeit der verkehrlich sehr bedeutsamen Metrobuslinie M 41 sind nicht untersucht worden. Gleiches gilt für die Halbanschlussstelle Grenzallee und die Buslinie 277. Auch ist nicht geprüft worden, ob künftig Busspuren an den Knotenpunkten mit den Autobahnabfahrten erforderlich sind, um die für den ÖPNV angestrebte Qualitätsstufe A nach HSB mittels fahrdynamischer LSA-Beschleunigung realisieren zu können.
  • Die in Kapitel 4.7.4 dargestellten LSA-Planungen, die keine ÖV-Beschleunigung und -Priorisierung vorsehen, sondern stattdessen mit einer MIV-Koordinierung (Grüne Welle) ausgeführt werden sollen, entsprechen nicht den Vorgaben des StEP Verkehr und der Koalitionsvereinbarung. Weiterhin werden im Bereich der Anschlussstelle Treptower Park die Qualitätsstufen in Nebenrichtung, die für den Busverkehr relevant sind, nicht angegeben. Es steht zu befürchten, dass diese mangelhaft sind, da die LSA-Schaltung vornehmlich auf den MIV-Hauptstrom von und zur Autobahn ausgelegt werden soll.
  • Aufgrund der Lage der geplanten BAB-Anschlussstelle Treptower Park in unmittelbarer Nähe von Kinocenter, Einkaufszentrum, S-Bahnhof und den Bushaltestellen existieren hier sehr starke Fußgängerströme. Die Zielsetzung, durch „koordinierte Verkehrsorganisation (Grüne Welle) den (Kfz-)Verkehr flüssig bis zur Stralauer Allee zu leiten“, lässt deutliche Beeinträchtigungen für den Fußgängerverkehr erwarten. Trotzdem sind die Verkehrsbedürfnisse des Fußgängerverkehrs, der zu einem wesentlichen Teil aus den Umsteigebeziehungen zwischen S-Bahn und Buslinien resultiert und damit quer zu den Haupt-Kfz-Strömen verläuft, nicht untersucht worden.
  • Die Auswirkungen der geplanten Bauabläufe sind für die Fahrgäste der Ringbahn nicht akzeptabel. Die vorgesehene 6-wöchige Komplettsperrung und die zusätzlichen 40 (!) Wochenendsperrungen der Ringbahn führen für die Fahrgäste der S-Bahn zu nicht akzeptablen Beeinträchtigungen.
  • Die Verkehrsführung der Buslinien während der in Kapitel 8.3 genannten baubedingten Sperrungen und der damit für die Fahrgäste verbundenen Auswirkungen sind nicht dargestellt.

Berliner Fahrgastverband IGEB

aus SIGNAL 3/2009 (Juli 2009), Seite 13

 

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