Die von Bund und Land Berlin geplante Verlängerung der Stadtautobahn
A100 von Neukölln zur neuen Abfahrt „Am Treptower
Park“ ist in die entscheidende Phase getreten. Der Berliner Senat
hat die Planungen für die mit 430 Millionen Euro wohl teuerste
Autobahn Deutschlands ausgelegt. Stadtweit ruft das Projekt
Proteste hervor: Die Verlängerung der A100 ist verkehrspolitisch
unsinnig und ökologisch bedenklich. Steuermillionen sollen für
ein Projekt verbaut werden, das noch aus Zeiten der autogerechten
Stadtplanung stammt.
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Der hohe Preis für die Autobahn nach Treptow: 1. Mergenthalerring: Verlust von Kleingärten, 2. Beermannstraße: Abriss von 3 Wohnhäusern, 3. Am Treptower Park: Fällung von Platanen, 4. Puschkinallee: Brücke als Barriere und Fällung von Platanen, 5. S-Bhf Treptower Park: Autobahnbrücke vor Bahnhofszugang Kartengrundlage: Stadtplan Berlin 1:20.000 C Tilo Schütz, www.baerleinplan.de / Fotos: Tilo Schütz |
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Finanziert werden soll der Bau aus dem Budget für den Bundesverkehrswegeplan.
Diese Mittel sind leider bisher zweckgebunden.
Zeitgemäßer wäre es, die Bundesmittel nicht mehr nur
für Autobahnen und Bundesstraßen zu Verfügung zu stellen.
So wäre es viel sinnvoller, die für die A100 geplante Summe für
die Sanierung bestehender Straßen und U-Bahn-Strecken zu
verwenden.
Viele Nachteile für S-Bahn- und Busfahrgäste
Nicht nur aus finanziellen Gründen lehnen viele Menschen den
Bau ab, auch die Fahrgäste von S-Bahn und BVG haben gewichtige
Gründe: So drohen den S-Bahn-Kunden aufgrund der Unterquerung
der Ringbahn beim Autobahnbau 40 Wochenend-Unterbrechungen
und eine sechswöchige Sperrung des wichtigen
S-Bahn-Rings zwischen Treptower Park und Neukölln. Neben
den Beeinträchtigungen, die der Umbau des Ostkreuzes mit sich
bringt, würde also ein weiterer Bereich geschaffen, in dem das
S-Bahn-Fahren durch Pendelverkehr oder Busse im Ersatzverkehr
unterbrochen wird und bedeutend länger dauert.
Aber nicht nur während des Baus würden die Fahrgäste mit
Nachteilen rechnen müssen. Nach dem Bau der A100 will die Senatsverkehrsverwaltung
auf der Elsenstraße die bisherige Busspur
in eine allgemeine Fahrspur umwandeln, um Platz für vier
(!) Linksabbiegespuren zu schaffen. Mehrere Buslinien – zurzeit
104, 167, 194 – würden dadurch in den A100-Stau gestellt. Die
Beschleunigung dieser Buslinien entfiele ebenso wie der Umsteigeanschluss.
Ein neues Haltestellenkonzept der BVG für den
Busknoten Treptow liegt bisher nicht vor.
Zusätzlich soll der Verkehrsfluss von der neuen Autobahn über
die Elsenstraße in die Stralauer Allee optimiert werden, was für
den 104er Bus auf Alt-Stralau „im Stau stehen“ bedeuten würde.
Mit langen Wartzeiten an dieser Kreuzung wäre auch auf der
Linie 194 im Markgrafendamm zu rechnen.
Mehr Autoverkehr auch auf den meisten Stadtstraßen
Extrem hohe Kosten und viele Nachteile für Fahrgäste und Anwohner
wären der Preis für eine geringfügige Verlagerung von
Verkehr aus einigen Straßen. Teilweise würde diese Verlagerung
sogar durch neu induzierten Verkehr kompensiert oder übertroffen
werden, denn wenn die Verbindung von Neukölln nach
Treptow für die Autofahrer zukünftig schneller und attraktiver
erscheint, werden sich mehr Menschen für das Auto entscheiden
als für die S-Bahn auf dem Ring. Der Status quo trägt bisher
dazu bei, im Süd-Ost-Bereich der Innenstadt die umweltfreundlichen
Verkehrsmittel zu fördern. Das würde sich ändern.
Der Senat glaubt nach eigenem Bekunden, dass ein Teil des
Kfz-Durchgangsverkehrs in der Berliner Innenstadt nur durch
gezielte Infrastrukturerweiterung abgeleitet werden kann. Die
A100 würde aber genau das Gegenteil bewirken: Über die
Stadtautobahn und die ausgebaute Stralauer Allee
würde der Verkehr direkt in die östliche Innenstadt
geführt, anstatt ihn via A113 tangential
abzuleiten.
Dass Stadtautobahnen nicht zur Entlastung
beitragen, zeigt der bisherige Stadtautobahnring-
West: Nahezu auf allen Hauptverkehrsstraßen
in der City-West werden die
Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid
überschritten. Die Situation ist dort auf den
innerstädtischen Straßen nicht anders als in
Prenzlauer Berg, wo es zum Glück noch keine
Autobahn gibt. Die für die Zeit nach dem Bau
der A100 prognostizierten Entlastungen von
Hermannstraße (-8%), Karl-Marx-Straße (-4%)
und Sonnenallee (-2%) wären irrelevant, weil
diese geringfügigen Verkehrsabnahmen weder
eine merkbare Lärmentlastung bringen
noch Chancen zum Straßenumbau eröffnen
würden. Anders formuliert: Deutlichte Entlastungen
gäbe nur in einigen Straßen mit wenigen
Anwohnern, aber dort wo die meisten
Menschen betroffen sind, wären die Entlastungen
durch den A100-Bau am geringsten!
Flächenhafte Stadtzerstörung
Der Bau der Berliner Stadtautobahn hat stets
zur Vernichtung von Gebäuden und Freiflächen
geführt und das Umfeld der Trasse dauerhaft
geschädigt. Das droht nun ein weiteres
Mal. Für die A100-Verlängerung sollen in Neukölln
hunderte Kleingärten und in Treptow
vier Wohnhäuser mit 200 Wohnungen an der
Beermannstraße beseitigt werden. Die übrig
bleibenden Anwohner sollen mit sieben Meter
hohen Lärmschutzwänden abgeschottet
werden. Das beliebte Naherholungsgebiet
und Gartendenkmal Treptower Park würde
vom Ortskern regelrecht abgeschnitten, denn
die Straße Am Treptower Park soll als Autobahnzubringer
neunspurig (!) ausgebaut werden
– mit erheblichen Problemen an dieser
Anschlussstelle. Prognosen erwarten hier bis
zu 80 000 Fahrzeuge täglich.
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Wie der Stadtautobahnbau die Stadt zerstört hat, sieht man am S-Bahnhof Bundesplatz. Ähnliches droht nun am S-Bahnhof Treptower Park. Foto: Martin Schlegel |
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Entgegen den Absprachen der Koalitionsparteien
kündigt der Berliner Senat auch gleich
den 17. Bauabschnitt an: Weiterbau der A100
bis zur Frankfurter Allee. Hierfür müssten die
denkmalgeschützte Osthafendirektion abgerissen
und Tunnelrampen am Ostkreuztunnel
angelegt werden. Der geplanten Aufwertung
des Stadtquartiers am Ostkreuz stünde die
Autobahn diametral entgegen. Bekannt ist,
dass die Einfädelung der Autobahn auf die
Frankfurter Allee für die Ampelplaner nicht
regelbar ist und somit häufige Staus vorprogrammiert
wären. Neben den bedenklichen
direkten Auswirkungen würde der Bau der
A100 zu höherer CO2-Belastung führen. Das
ist mit den Klimaschutzzielen, zu denen sich
Berlin bekannt hat, nicht zu vereinbaren.
Autobahnbau kann nicht „kompensiert“ werden
Deshalb versucht der Senat nach eigenen Angaben,
den zusätzlichen CO2-Ausstoß durch
Maßnahmen im Stadtentwicklungsplan Verkehr
zu kompensieren. Doch entsprechende
Projekte kommen seit Jahren nicht voran: So
wird das Straßenbahnnetz aufgrund des U5-
Baus kaum erweitert. Im Gegenteil: Einzelne
Strecken werden systematisch sabotiert, z. B.
mit der Anlage des „walk of fame“ auf der Straßenbahntrasse
in der Potsdamer Straße. Die
Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung
scheitert zum einen an den politischen Widerständen
in den meisten Bezirken und zum
anderen an der Tatsache, dass so viele Tiefgaragenplätze
gebaut wurden, dass eine oberirdische
Bewirtschaftung kaum noch greift.
Da sowohl die Umsetzung wie auch die
Wirkung der sogenannten „Kompensations-
Maßnahmen“ bezweifelt werden müssen,
könnten sie auch nicht die Nachteile des A100-
Baus rechtfertigen. Martin Schlegel, BUND Berlin
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