Derzeit regelt das Personenbeförderungsgesetz
in §13, Absatz 2: „Beim Straßenbahn-,
Obusverkehr und Linienverkehr mit
Kraftfahrzeugen ist die Genehmigung zu
versagen, wenn (…) durch den beantragten
Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen
beeinträchtigt werden, insbesondere
a) der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln
befriedigend bedient werden
kann,
b) der beantragte Verkehr ohne eine wesentliche
Verbesserung der Verkehrsbedienung
Verkehrsaufgaben übernehmen
soll, die vorhandene Unternehmer oder
Eisenbahnen bereits wahrnehmen,
c) die für die Bedienung dieses Verkehrs vorhandenen
Unternehmer oder Eisenbahnen
die notwendige Ausgestaltung des
Verkehrs innerhalb einer von der Genehmigungsbehörde
festzusetzenden angemessenen
Frist und, soweit es sich um
öffentlichen Personennahverkehr handelt,
unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3
selbst durchzuführen bereit sind.“
|
Die Liberalisierung des Busfernlinienverkehrs gefährdet auch Direktverbindung in Urlaubsgebiete, so beispielsweise diese InterCity-Verbindungen zum Seebad Heringsdorf auf der Insel Usedom. Foto: Christian Schultz Foto: Fotograf |
|
Es bleibt festzuhalten: Die derzeitige Fassung
des Personenbeförderungsgesetzes
verbietet keinesfalls einen Busfernlinienverkehr,
soweit damit eine nachweisbare Verbesserung
des Verkehrsangebotes in heute
schlecht bedienten Relationen verbunden
ist. Somit ist eine Änderung des § 13 PBefG
im Grunde gar nicht notwendig.
Die Umsetzung der Koalitionspläne hätte
für den Schienenverkehr im Wesentlichen
folgende Auswirkungen:
1. Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten
des Schienenpersonenfernverkehrs
durch fehlende Busmaut
Es gäbe zusätzliche Wettbewerbsverzerrungen
zu Lasten des SPFV. Für jeden InterCity-
Zug bzw. jeden ICE sind Trassen- und Stationsgebühren
fällig. Entsprechende Pläne für
eine Busmaut gibt es dagegen bisher nicht.
So können mit dem Bus günstigere Tarife
angeboten werden – zu Lasten des Schienenpersonenfernverkehrs,
teilweise auch
des Regionalverkehrs!
2. Auslastung des Fernzugangebotes
durch Buskonkurrenz gefährdet
Eine schlechtere Auslastung im SPFV (bedingt
durch die weitere Aufteilung des
Verkehrsmarkts) würde die wirtschaftliche
Betriebsführung vieler Bahnverbindungen
gefährden, da Fernbuslinien – wie jetzt bereits
zwischen Berlin und Hamburg bzw. Berlin
und Dresden – vorzugsweise zwischen
Ballungsräumen angeboten werden dürften.
So hat beispielsweise Veolia Verkehr im
Januar 2010 den Antrag auf Genehmigung
von drei Fernbuslinien beim Regierungspräsidium
Düsseldorf eingereicht. Es handelt
sich dabei um die Strecken Essen—Kiel,
Mönchengladbach—München und Essen—
München. Mehr als 20 Städte sollen durch
diese Linien angebunden werden. Akut gefährdet
sind auch die seit der kurzsichtigen
Einstellung des InterRegio-Angebots ohnehin
schon stark reduzierten Direktverbindungen
in Urlaubsgebiete. Eine schlechtere
Auslastung im SPFV verschlechtert zudem
die ökologische Bilanz des Schienenverkehrs.
3. Konkurrenz durch Fernbuslinien
auch für den Schienen-Regionalverkehr
In vielen Relationen hat der RegionalExpress-
Verkehr mittlerweile Aufgaben des
Fernverkehrs übernommen, z. B. in den Relationen
Berlin—Rostock—Warnemünde
und Nürnberg—Dresden. Es ist unverständlich,
wenn einem mit Steuergeldern finanzierten
Zugangebot Fahrgeldeinnahmen
nun durch parallele Busfernlinienverkehre
entzogen würden.
4. Auslastung der Schieneninfrastruktur
durch zusätzliche Fernbuskonkurrenz
gefährdet
Jede Verringerung des Angebotes im
SPFV hat letztlich eine Reduzierung der
Trassengeldeinnahmen zur Folge und
verschlechtert damit die wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen der Infrastrukturvorhaltung.
Die Initiative der CDU/CSU/FDP-Koalition
zugunsten des Busfernverkehrs lässt
die eindeutigen Vorteile des Schienenverkehrs
einmal mehr völlig unberücksichtigt
und ist damit ein unverantwortlicher verkehrspolitischer
Rückschritt. Auch der Vorstandsvorsitzende
der DB AG, Rüdiger Grube,
sprach sich kürzlich im Rahmen eines
Meinungsaustauschs mit DBV-Präsident
Gerhard Curth gegen eine Verlagerung von
Fernverkehren von der Schiene auf Busse
aus – obwohl die Deutsche Bahn selbst Betreiberin
von Fernbuslinien ist!
Der Schienenverkehr reduziert die Abhängigkeit
vom Erdöl
Angesichts der zunehmenden Verknappung
und Verteuerung begrenzter Erdölvorräte
und der Abhängigkeit von Importen muss
es eigentlich vordringliches Ziel sein, diejenigen
Verkehrsträger zu fördern, mit denen
diese Risiken vermieden, zumindest aber
deutlich reduziert werden können. Dies gilt
umso mehr, wenn die Rohstofflieferungen
in erheblichem Maße aus politisch instabilen
Regionen der Welt stammen. Der weitgehend
elektrisch betriebene Schienenverkehr
bietet dagegen die Möglichkeit, auf
regenerative und heimische Energiequellen
zurückzugreifen.
Mit dem Schienenverkehr Klimaschutzziele
umsetzen
Der Reisebus glänzt zwar mit sehr niedrigem
Energieverbrauch und geringen Kohlendioxidemissionen,
verliert aber ohne Partikelfilter
und Entstickung gegenüber der
Schiene viele Punkte. Nachfolgende Daten
zeigen beispielhaft einige Vergleichswerte
(Quelle: „Daten zum Verkehr“, Ausgabe 2009,
Umweltbundesamt):
Kohlendioxid:
• Reisebus: 32 g/Pkm (Gramm pro Personenkilometer)
• Eisenbahn-Fernverkehr: 52 g/Pkm
Stickoxide:
• Reisebus: 0,34 g/Pkm
• Eisenbahn-Fernverkehr: 0,07 g/Pkm
Partikel:
• Reisebus: 0,011 g/Pkm
• Eisenbahn-Fernverkehr: 0,001 g/Pkm
Diese Daten basieren allerdings auf unterschiedlichen
Auslastungsannahmen: Reisebus
60% und Eisenbahn-Fernverkehr nur
44%! Die Komfortunterschiede zwischen
beiden Verkehrsmitteln bleiben bei diesen
Zahlen ebenfalls unberücksichtigt.
Sicherheit: Schienenverkehr am besten
Bezüglich der Sicherheit schneidet der
Schienenverkehr am besten ab:
[... Tabellen siehe rechte Spalte ...]
Hierbei muss berücksichtigt werden, dass
durch Pkw-Fahrer verursachte Bahnübergangsunfälle
grundsätzlich der Bahn zugerechnet
werden.
Im Fall der deutlichen Ausweitung von
Busfernlinienverkehren ist zu befürchten,
dass sich die Sicherheit des Reisebusverkehrs
tendenziell verschlechtert. Eine Fahrplantreue
ist angesichts der heutigen extremen
Belastung des Fernstraßennetzes nur
schwer zu realisieren.
Die gesetzliche Wahrung der Fahrgastrechte
wird diese Situation noch weiter
verschärfen. Im Dezember 2009 haben die
europäischen Verkehrsminister die entsprechende
Verordnung für den Omnibuslinienverkehr
auf den Weg gebracht. So müssen
bei Annullierungen und Verspätungen Busunternehmen
zum Beispiel für einen kostenlosen
Rück- oder Weitertransport sorgen.
Der Druck auf das Personal, pünktlich am
Zielort anzukommen, verführt durch diese
Rahmenbedingungen schnell zu Leichtsinn
mit der Folge eines hohen Unfallrisikos.
Der Schienenverkehr bietet dagegen
mit seiner Spurführung und dem technisch
gesicherten und geregelten Betriebsablauf
unschlagbare Vorteile. Selbst wenn
der Triebfahrzeugführer während der Fahrt
dienstunfähig wird, wird durch die Sicherheitsfahrschaltung
(SIFA) ein gefahrloser
Halt des betroffenen Zuges ohne Risiko für
die Reisenden sichergestellt. Und was passiert
in einer vergleichbaren Situation beim
Reisebus ?
Um den Sicherheits- und Umweltvorteil
der Bahn stärker zu nutzen und zur Gewährleistung
einer nachhaltigen Entwicklung
muss ihr Anteil am gesamten Verkehr deutlich
gesteigert werden. Das wurde beispielsweise
auch seitens des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
in entsprechenden Veröffentlichungen
bereits festgestellt.
Bezogen auf den Schienenpersonenverkehr
wäre es daher für die aktuelle Verkehrspolitik
wesentlich dringlicher und zielführender,
heute bestehende Wettbewerbsverzerrungen
zu Lasten der Bahn – unabhängig
vom Thema Busmaut – endlich zu beseitigen.
Beispiel 1: Nachteile für die
Bahn durch uneinheitliche
Regelungen bezüglich der
Mineralöl- bzw. Ökosteuer
bei den einzelnen Verkehrsträgern
Im Gegensatz zum Schienenverkehr
(jährliche Belastung
350 Mio. Euro) sind die konkurrierenden
Verkehrsträger
Flugzeug und Binnenschiff
von der Mineral- und Ökosteuer
befreit.
Beispiel 2: Nachteile durch
Einbeziehung des Schienenverkehrs
in den Emissionshandel
Der elektrisch betriebene Schienenverkehr
ist als einziges Verkehrsmittel vollständig
in den Emissionshandel einbezogen. Dem
Schienenverkehr entstehen dadurch Kostennachteile
in Höhe von ca. 100 Mio. Euro
pro Jahr, die sich über die Fahrpreise natürlich
auf die Kunden auswirken. Rechtliche
Verschärfungen werden ab 2013 sogar noch
zu deutlich höheren Belastungen führen.
Hierdurch drohen Verlagerungseffekte auf
andere Verkehrsträger, was zu einer Erhöhung
der Emissionen im Verkehrsbereich
führen wird.
Beispiel 3: Nachteile für die Bahn beim
Ausbau der Infrastruktur
Fahrzeiten der InterCity-/EuroCity-Züge,
z. B. 2:16 Stunden zwischen Berlin Hbf und
Dresden Hbf, sind unattraktiv und erreichen
damit nicht einmal Vorkriegsniveau;
sie sind leider das Ergebnis einer Infrastruktur,
deren Zustand zurzeit lediglich
in Teilabschnitten die von der Trassierung
her mögliche Höchstgeschwindigkeit von
160 km/h und mehr zulässt. Die Fernbusse
ermöglichen dagegen in dieser Relation
dank neu- bzw. ausgebauter Autobahnstrecken
mittlerweile ähnliche Fahrzeiten
wie die Intercity-/Eurocity-Züge – allerdings
mit deutlich günstigeren Fahrpreisen!
Bereits seit vielen Jahren wird beispielsweise
auch die Elektrifizierung der Strecke
Nürnberg/Regensburg—Marktredwitz—
Cheb (Eger)/—Hof—Reichenbach (Vogtland)
diskutiert. Die Realisierung lässt dagegen
auf sich warten – von dem Abschnitt
Hof—Reichenbach einmal abgesehen (die
Finanzierung erfolgt hierbei aus Geldern der
Konjunkturprogramme).
Beispiel 4: Aufgaben des Bundes entsprechend
Artikel 87e Grundgesetz
Der Bund ist gemäß Artikel 87e Grundgesetz
verpflichtet, zum Wohl der Allgemeinheit
auch den Fernverkehr auf der
Schiene mit zu gestalten. Gerade das
Angebot an überregionalen Direktverbindungen
lässt jedoch nach Einstellung des
InterRegio-Angebots die Fahrwünsche
vieler Reisender unberücksichtigt. Ganze
Regionen wurden seinerzeit mit Duldung
des Bundes vom Fernverkehr abgehängt!
Die Verbindung Berlin—Hof—Regensburg—
München sei an dieser Stelle nur
stellvertretend genannt.
Ein Konzept eines erweiterten Fernverkehrsnetzes
mit umsteigefreien Direktverbindungen
sowohl zur Verbesserung des Binnenverkehrs
als auch des internationalen Bahnangebotes
wurde in den vergangenen Monaten
seitens des Deutschen Bahnkunden-Verbands
erarbeitet und zeigt erhebliches Verbesserungspotenzial
(siehe Artikel Seite 12). Als
Betreiber für die vorgeschlagenen Linien
kommen dabei grundsätzlich alle interessierten
Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU)
infrage – nicht ausschließlich die Deutsche
Bahn. Deutscher Bahnkunden-Verband
|