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Foto/Montage: Holger Mertens |
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Es gibt viele Gründe, Kontakt mit einem Verkehrsunternehmen
aufzunehmen. Nachfragen bezüglich einer Fahrverbindung
oder Tarifinformationen, Abo-Angelegenheiten und zum
großen Teil eben auch Hinweise und Beschwerden.
Wie damit umgegangen wird, beeinflusst,
ob wir das Unternehmen als sympathisch
wahrnehmen oder nicht. Und gegebenenfalls,
ob wir ihm den Rücken zukehren. Die
Meinung der Kunden müsste also hoch im
Kurs stehen.
Doch das tut sie leider nicht. Größtenteils
hat der Anrufer das Gefühl, Störfaktor zu
sein. Häufig wird ihm nicht weitergeholfen.
Viele Stichproben des Berliner Fahrgastverbandes
IGEB in den letzten 18 Monaten haben
das gezeigt. Am schlechtesten schnitt
dabei die BVG ab. Wenn man hier etwas
anderes als eine Fahrtinformation haben
möchte, hat man eigentlich schon verloren.
Den Finger am Abzug
So wurde beispielsweise eine Beschwerde
über schlecht vom Schnee geräumte Haltestellenbereiche
mit der schlichten Begründung,
dass dafür die BSR zuständig sei, abgebügelt.
Die Bitte, es doch wenigstens an
die BSR weiterzuleiten, wurde mit Auflegen
quittiert. Überraschend häufig haben die
BVG-Mitarbeiter dabei den Finger am Abzug.
Rund die Hälfte der Beschwerden endete
abrupt mit dem Auflegen des Call-Agenten.
Schlüsselbegriffe waren dabei die Bitte um
Weiterleitung eines Anliegens, die erneute
Nachfrage zum Namens des Mitarbeiters
und die Bitte, mit dessen Vorgesetzten sprechen
zu dürfen.
BVG Callcenter: 030 19 44 9
In weniger als 20 Prozent aller Anrufe war
der Mitarbeiter bereit, das Anliegen an die
betreffenden Stellen weiterzuleiten. Doch
wenn es gemacht wurde, kamen zumeist
kompetente Antworten. Entweder durch einen
Rückruf oder per Post. 80 Prozent waren
jedoch nicht bereit, telefonische Beschwerden
aufzunehmen, sondern verwiesen darauf,
dass man dies doch gefälligst schriftlich
zu tun hätte, per Brief oder E-Mail.
Nicht nur im Test wurden diese Erfahrungen
gemacht. In Internetforen ist die BVGHotline
nach zahlreichen Tatsachenberichten
als „Kunden-Firewall“ verschrien. Selbst
einfache Informationen sind häufig mangelhaft.
So wurde beispielsweise die Frage nach
der tatsächlichen Endstelle mehrerer Straßenbahnlinien
während Bauarbeiten bei
Nachfrage falsch beantwortet. Hier ist das
Callcenter den hauseigenen komplizierten
Umleitungsbeschilderungen auf den Leim
gegangen.
Auch bei akuten Umleitungen, beispielsweise
durch Staatsbesuche oder Demonstrationen,
haben Mitarbeiter falsche Informationen
herausgegeben. Diese führten
dazu, dass Fahrgäste 60 Minuten auf ihre
Straßenbahn warteten, obwohl sie nur zu
einer anderen Abfahrtshaltestelle hätten
gehen brauchen. In solchen Fällen müsste
der Callagent eigentlich bei der Betriebsleitstelle
nachfragen und den Kunden dann
zurückrufen.
Viele Nummern führen nach Rom
Ein ganz anderes Bild liefert die Deutsche
Bahn, was jedoch keineswegs positiver zu
bewerten ist. Hier gibt es nämlich gleich
dutzende Telefonnummern und noch mehr
Ansprechpartner: Kundentelefon, Bahnhofsmanager,
Drei-S-Zentralen, Sonderrufnummern.
Doch wer ist zuständig? Und wie ist
seine Telefonnummer? Hier einige Beispiele:
- 08000 99 66 33 Hotline Behinderungen im Reiseverkehr (kostenlos)
- 0180 5 99 66 33 Allgemeine Hotline Regio und Fern (kostenpflichtige Service-Nummer)
- 0800 1 50 70 90 Fahrplanauskunft (kostenlos)
- 0800 5 99 66 55 Bahn-Bau-Telefon (kostenlos)
- 030 29 71 055 Drei-S-Zentrale Berlin Ostbahnhof
- 0331 23 56 881 DB Regio Potsdam Regionaler Ansprechpartner RAN
- 030 2970 DB Vermittlung
Dies ist nur ein Bruchteil der Nummern, ständig
ändern sich diese, man weiß nie, wer
wann wofür zuständig ist. Doch hat man die
richtige Nummer und das Glück, dass auch
jemand rangeht, so kann man davon ausgehen,
dass das Schlimmste überstanden
ist. Hinweise an die Drei-S-Zentralen über
fehlende oder falsche Ansagen wurden entgegengenommen
und es wurde umgehend
für Änderung gesorgt. Auch die Bahnhofsmanager
(Telefonnummern hängen immer
am entlegensten Infokasten eines Bahnsteigs
aus) lassen Fehler beispielsweise in
der Wegeleitung schnell korrigieren oder
Defekte umgehend reparieren.
Einzig DB Station&Service war außer Stande,
einen simplen Aushang am Bahnhof
Gesundbrunnen einzurichten, der auf die
zusätzlichen Regionalzüge zur S-Bahn-Krise
im Sommer 2009 verweisen sollte, trotz diverser
Anrufe alle 2 Tage über den Zeitraum
von drei Wochen. Jedes Mal wurde umgehende
Abhilfe versprochen, passiert ist bis
zur Einstellung des Angebotes jedoch gar
nichts.
Kein Anschluss unter dieser Nummer
Die S-Bahn Berlin hat eine ganz eigene Art,
mit Anrufen umzugehen. Zurzeit der tiefsten
S-Bahn-Krise lagerte man das Callcenter
einfach zum Bahn-Schwesterunternehmen
DB Dialog aus. Die Mitarbeiter dort kannten
die Berliner S-Bahn allenfalls von Fotos oder
Berlin-Urlauben – wenn überhaupt. Doch
auch dann, wenn die S-Bahn selbst an der
anderen Leitung sitzt, läuft nicht alles rund.
So hörten alle Anrufer an mehreren Tagen,
so auch am 29. August 2009 während der Betriebszeiten
des Kundentelefons, die Ansage,
man rufe außerhalb der Geschäftszeiten an.
S-Bahn Berlin Kundenhotline: 030 29 74 33 33
Kritik an unzureichender Fahrgastinformation
hört man am S-Bahn-Kundentelefon
gar nicht gern. Auch kann man selten
über aktuelle Störungen informieren. Die
Mitarbeiter können einem häufig nur das
sagen, was auf der Website steht. Zusätzliche
Informationen zu Verspätungen gibt
es nicht.
Befremdlich: Auf Beschwerden über zu
früh durchgeführte Abfahrten gab es zur
Antwort: „Nein, das glaub ich nicht!“, und
Beschwerden über Aufsichten wurden
ebenfalls nicht angenommen. Diese wären
gefälligst schriftlich zu stellen.
Engagiert, aber unverbindlich
Recht gut schneidet der VBB ab. Grantige
oder unfreundliche Mitarbeiter sind bei
dem Test nicht ein einziges Mal aufgetreten.
Wissen die Hotline-Mitarbeiter mal
nicht weiter, fragen sie intern nach. Dann
erhält der Anrufer auch schon mal einen
Rückruf des passenden Experten des Hauses.
Einziges Manko: Die Hotlinemitarbeiter
lassen sich viel zu selten zu verbindlichen
Aussagen hinreißen; der Konjunktiv
herrscht vor.
VBB-Infocenter: 030 25 41 41 41
Auch windet man sich häufig aus der Verantwortung,
wenn man sich nicht zuständig
sieht, beispielsweise bei Qualitätsmängeln.
Dabei hat der VBB doch gerade dafür eine
eigene Abteilung, die für solche Hinweise
dankbar ist. Schließlich schickt man doch
selbst ehrenamtliche Qualitätstester, die
sogenannten „VBB QualitätsScouts“, auf die
Jagd nach Service-Lücken.
Entwicklung in die falsche Richtung
Insgesamt stellt sich die derzeitige Situation
als bedenklich dar. Es kann eigentlich
nicht mehr schlechter werden, dachten unsere
Tester. Doch dann entdeckte im Testzeitraum
die BVG eine Barriere, die sie den
anrufenden Hilfesuchenden zusätzlich in
den Weg stellen kann. Diese ist vielen noch
von früher bekannt. Erfreuten sich Sprachcomputer
zur Jahrtausendwende großer
Beliebtheit, haben inzwischen die meisten
Firmen glücklicherweise erkannt, dass mit
der virtuellen Ich-habe-Sie-leider-nicht-verstanden-
Gesprächspartnerin die Anrufer zur
Weißglut gereizt werden und dies für das
nachfolgende Gespräch mit echten Mitarbeitern
nicht gerade eine gute Basis bildet.
Da hat beispielsweise der Mobilfunkbetreiber
o2 im März 2009 eine groß angelegte
Werbekampagne gestartet. Auf Plakaten,
Internetseiten und im Fernsehen sah man
Spielzeugroboter, die ihre Freizeit genossen.
„Wir schicken die Roboter in den Ruhestand.
Wenn Sie uns anrufen, sprechen Sie nur mit
echten Menschen und der besten Kundenhotline
im Test.“
Einige dieser Roboter muss die BVG dann
von den Alterswohnsitzen abgeworben haben,
denn nur zwei Monate später stellte
sie dem Anrufer ein neues Sprachdialogsystem
in den Weg, das mit minutenlanger
Redegewandtheit erst überwunden werden
muss, um in die noch längere Warteschleife
zu gelangen. Wenn man sich danach nicht
dankbar zeigt, wird auf der anderen Seite
auch gern mal aufgelegt. Dann bleibt ein
verdutzter Kunde zurück, der sich mit nervenden
Sprachcomputern und minutenlangen
Warteschleifen in den finanziellen Ruin
telefoniert hat – für nichts. (hm) IGEB Fahrgastbelange
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