Vorsicht, SatireVorsicht Satire!

Aus der Anstalt: Tariferhöhung

Seit nunmehr 15 Jahren kämpfen die sportbegeisterte Ulricke Jokiel (42) und ihr Kollege und Ex-Ruderer Peter Wille (54) erfolgreich gegen Kundenfreundlichkeit, Fahrgastinformation und Gerechtigkeit. Beide arbeiten daran in der eigens für sie geschaffenen Abteilung zur Vermeidung von Fahrgastzuwächsen (VvF-4), die regelmäßig umbenannt wird.

Dienstagvormittag: „Es ist doch zum Mäuse melken!“, Ulricke tobt. Ihr Kollege ahnt Schlimmes, doch noch bevor er seinem fragenden Gesichtsausdruck etwas Verbales anfügen kann, fährt sie fort. „Die neuen Fahrgastzahlen sind da! Es sind schon wieder mehr geworden! Da rackert man sich jeden Dienstag ab, um es denen so unangenehm wie möglich zu machen, doch die lassen sich einfach nicht vergraulen!“

Peter stimmt ihr zu. Inzwischen hat auch er den Bericht überflogen: „Und es geht noch weiter! Laut dieses Berichtes sind die Fahrgeldeinnahmen im letzten Jahr sogar deutlich gestiegen!“

„Das ist schlecht, sehr schlecht!“, ergänzt Ulricke. „Damit ist unsere ganze Argumentation dahin, dass sich die Einnahmen nur durch Tariferhöhungen verbessern lassen.“ „Stimmt“, hakt Peter ein, „faktisch sind die Fahrpreise ja im letzten Jahr sogar gefallen. Die Entschädigungsleistungen und dann das viel zu preiswerte Seniorenticket…“

Ulricke faucht: „Hör bloß auf! Dieses elendige Seniorenticket! Da arbeitet man jahrelang, um diese Gruppe aus den Verkehrsmitteln rauszuekeln, und jetzt kommen die alle wieder! Wir sind erledigt! Jetzt können wir es doch vergessen, dass wir unsere Fahrpreiserhöhung zum Vergraulen der Kunden noch durchbekommen! Das sieht doch jetzt ’nen Blinder mit Krückstock, dass Fahrpreissenkungen zu höheren Einnahmesteigerungen führen, als es eine Tariferhöhung je könnte!“

„Ach, jeder?“, unterbricht Peter sie. „Du vergisst unsere Hauptstadt-Politiker! Die glauben uns doch jeden Mist! Wir erzählen denen einfach, wir brauchen höhere Tarife, und dann bekommen wir die bestimmt auch. Die glauben doch immer noch, dass man höhere Einnahmen nur durch höhere Tarife bekommt. Alles andere ist zu kompliziert.“

Ulrickes Stimmung dreht sich plötzlich. „Du könntest Recht haben, Peter! Wir versuchen das einfach. Wie immer. Und wenn wir Glück haben, werden wir damit wieder ein paar Fahrgäste los, können die Tarife danach wieder erhöhen, werden wieder ein paar Fahrgäste los und so weiter. Auftrag erfüllt. Herrlich!“

Auch Peter ist sichtlich zufrieden. Er schlägt seiner Kollegin vor, Feierabend zu machen, und lädt sie auf einen Schokoriegel ihrer Wahl ein. (hm)

IGEB Stadtverkehr

aus SIGNAL 6/2010 (Dezember 2010/Januar 2011), Seite 11

 

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