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Dienstagvormittag: „Es ist doch zum
Mäuse melken!“, Ulricke tobt. Ihr Kollege
ahnt Schlimmes, doch noch bevor er seinem
fragenden Gesichtsausdruck etwas
Verbales anfügen kann, fährt sie fort. „Die
neuen Fahrgastzahlen sind da! Es sind
schon wieder mehr geworden! Da rackert
man sich jeden Dienstag ab, um es denen
so unangenehm wie möglich zu machen,
doch die lassen sich einfach nicht vergraulen!“
Peter stimmt ihr zu. Inzwischen hat auch
er den Bericht überflogen: „Und es geht
noch weiter! Laut dieses Berichtes sind die
Fahrgeldeinnahmen im letzten Jahr sogar
deutlich gestiegen!“
„Das ist schlecht, sehr schlecht!“, ergänzt
Ulricke. „Damit ist unsere ganze Argumentation
dahin, dass sich die Einnahmen nur
durch Tariferhöhungen verbessern lassen.“
„Stimmt“, hakt Peter ein, „faktisch sind
die Fahrpreise ja im letzten Jahr sogar
gefallen. Die Entschädigungsleistungen
und dann das viel zu preiswerte Seniorenticket…“
Ulricke faucht: „Hör bloß auf! Dieses
elendige Seniorenticket! Da arbeitet man
jahrelang, um diese Gruppe aus den Verkehrsmitteln
rauszuekeln, und jetzt kommen
die alle wieder! Wir sind erledigt! Jetzt
können wir es doch vergessen, dass wir unsere
Fahrpreiserhöhung zum Vergraulen
der Kunden noch durchbekommen! Das
sieht doch jetzt ’nen Blinder mit Krückstock,
dass Fahrpreissenkungen zu höheren
Einnahmesteigerungen führen, als es
eine Tariferhöhung je könnte!“
„Ach, jeder?“, unterbricht Peter sie. „Du
vergisst unsere Hauptstadt-Politiker! Die
glauben uns doch jeden Mist! Wir erzählen
denen einfach, wir brauchen höhere Tarife,
und dann bekommen wir die bestimmt
auch. Die glauben doch immer noch, dass
man höhere Einnahmen nur durch höhere
Tarife bekommt. Alles andere ist zu kompliziert.“
Ulrickes Stimmung dreht sich plötzlich.
„Du könntest Recht haben, Peter! Wir versuchen
das einfach. Wie immer. Und wenn
wir Glück haben, werden wir damit wieder
ein paar Fahrgäste los, können die Tarife
danach wieder erhöhen, werden wieder
ein paar Fahrgäste los und so weiter. Auftrag
erfüllt. Herrlich!“
Auch Peter ist sichtlich zufrieden. Er
schlägt seiner Kollegin vor, Feierabend zu
machen, und lädt sie auf einen Schokoriegel
ihrer Wahl ein. (hm) IGEB Stadtverkehr
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