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Noch fahren alle ICE ohne Halt durch den Fernbahnhof Zoo. Die DB will nun prüfen lassen, ob diese Züge nun zumindest in den Tagesrandlagen vor 6 Uhr und nach 22 Uhr hier halten dürfen. Foto: Marc Heller |
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Dialog fortgesetzt. DB-Vorstandsvorsitzender Dr. Rüdiger Grube und DBV-Präsident Gerhard J. Curth am 17. November in Berlin. Foto: Georg Radke |
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Im Rahmen ihrer turnusmäßigen Gesprächstermine
trafen am 17. November 2011 in
der Berliner Zentrale der Deutschen Bahn
der DB-Vorstandsvorsitzende Dr. Rüdiger
Grube und DBV-Präsident Gerhard J. Curth,
begleitet durch ihre Referenten, zu einer
einstündigen Erörterung aktueller Themen
zusammen. Grube begrüßte eingangs die
inhaltliche Arbeit des DBV sowie den Arbeitsstil,
mit dem der Dialog vor die öffentliche
Auseinandersetzung gestellt wird.
Gerhard J. Curth erläuterte, dass es für ihn
ein Pflichtthema sei, in jedem derartigen
Gespräch auf den fehlenden Fernzughalt
am Bahnhof Berlin Zoologischer Garten hinzuweisen.
Er bezweifelte, dass, wie von DBSprechern
angegeben, für einen ICE-Halt am
Bahnhof Zoo zunächst Baumaßnahmen erforderlich
seien, denn dieser war bereits ICESystemhalt
und genau hierfür in den 1990er
Jahren umgebaut worden. Der Bahn-Chef
sagte eine Prüfung zu. Er machte aber darauf
aufmerksam, dass der Fernverkehr auf
der Stadtbahn tendenziell nur noch marginal
sein werde, weil die Stadtbahn verstärkt
durch den Regionalverkehr belastet würde.
Curth schlug einen Kompromiss vor. Nachdem
der Wegfall des Fernzughalts am Bahnhof
Zoo durch Grubes Vorgänger Hartmut
Mehdorn mit der Sicherung der Gewerbeansiedlung
im neuen Hauptbahnhof begründet
wurde, könnten doch zwischen 22 und 6
Uhr alle Züge am Bahnhof Zoo halten, weil in
dieser Zeit am Hauptbahnhof fast alle Läden
geschlossen seien. Es sei nicht nachvollziehbar,
weshalb tausende Reisende nur zum
Zwecke des Umsteigens in eine städtebauliche
Brache gefahren werden, um dann zu
einem großen Teil zurückzufahren. Der DBVPräsident
verwies darauf, dass in Hamburg
zum Zwecke der Feinverteilung bis zu fünf
Mal gehalten wird. Zumindest alle dem ICE
nachgeordneten Fern-Bahnprodukte, wie
EC, IC, D-Zug, müssen ganztägig am Bahnhof
Zoo halten, forderte Gerhard J. Curth.
Bahn-Chef Rüdiger Grube stellte die DBVVorschläge
nicht in Frage, will aber mit seinen
Fachkollegen in den Vorständen diese
Frage grundhaft erörtern. Sein Umgang
mit den Vorständen der
Konzernunternehmen
sei nicht hierarchisch
von oben nach unten,
sondern partnerschaftlich
auf Augenhöhe. Die
Prüfzusage Grubes lies
auch in der Berliner Öffentlichkeit
Hoffnung
aufkommen, dass die
aufstrebende City-West
wieder einen direkten
Fernbahnzustieg erhält.
Fahrscheinverkauf durch Personal
Ein weiteres Gesprächsthema
war die Infrastruktur
des Beratungsverkaufs
von Fahrscheinen.
Es reiche nicht, nur
in den Großbahnhöfen das volle Programm
anzubieten, und es reiche auch nicht, die
Menschen nur noch auf „Maschinen“ wie
Fahrkartenautomaten und Internet zu lenken,
erklärte der DBV-Präsident. Der Bahnkundenverband
hat mit seinen früheren
und derzeitigen „ReiseStationen“ Oschatz,
Mügeln, Radebeul, Saßnitz und Züssow
entsprechende Erkenntnisse gewonnen.
Die Förderung des Engagements Dritter
als Dienstleister müsse dringend betrieben
werden, vor allem bezüglich der Rahmenkosten
und Verkaufsprovisionen. Rüdiger
Grube zeigte Verständnis und sagte eine
Erörterung zwischen der Geschäftsleitung
von DB-Vertrieb und dem DBV-Bundesvorstand
zu.
Erfreut zeigte sich Gerhard J. Curth über
die kurz nach dem DBV-Fernbahnforum im
November 2010 in Jena durch Dr. Manuel
Rehkopf, heute Vorstandsmitglied von DBFernverkehr,
verkündete Bestellung von 27
doppelstöckigen IC-Einheiten. Gleichzeitig,
und für Bahn-Chef Grube nachvollziehbar,
kritisierte Curth den Verzicht auf eine gastronomische
Einrichtung zu Gunsten einer
mobilen Minibar. Die Minibar war schon
bei ihrer damaligen Einführung als alleinige
Versorgungseinrichtung ein Auslaufmodell,
meinte Curth. Er bat um die Korrektur dieser
Festlegung und forderte zumindest ein
Bistro ähnlich dem heutigen IC. Auch hier
bahnte Grube eine Erörterung zwischen
dem DB-Vorstand Personenverkehr und
dem DBV-Bundesvorstand an.
Curth berichtete über das DBV-Bundesforum
zum flächendeckenden Fernbahnverkehr
Anfang November in Marktredwitz (siehe
auch Seite 9). Es fehlten einfach die Fahrzeuge,
um einen flächendeckenden Fernverkehr
anzubieten, erwiderte Grube. Daher
gebe es bereits Bemühungen, zusammen
mit den SPNV-Aufgabenträgern zu kombinierten
Angeboten zu gelangen. Da es bei
der flächendeckenden Fernbahnbedienung
nicht um einen Taktverkehr, sondern meist
um ein- bis zweimal täglich verkehrende
Züge gehe, stellte Curth in den Raum, dass
ein Großteil der Wünsche durch Tagesrandhalte
vorhandener Angebote befriedigt
werden könnte. Nach Analyse der Ergebnisse
von Marktredwitz, wo die DB Fernverkehr,
wie im Vorjahr in Jena, beteiligt war, wird
es auch hier eine gemeinsame Auswertung
geben, vereinbarten Grube und Curth.
Stillgelegte Bahnstrecken
Das Schicksal von stillgelegten, jedoch
nicht entwidmeten Bahnstrecken war ein
weiterer Gesprächspunkt. Aus der Arbeit
der vom DBV gegründeten Deutschen Regionaleisenbahn
konnte Curth mit Beispielen
aufwarten, wo der gesetzliche Vorrang
der Eisenbahnbetriebszwecke sowohl von
der DB als auch vom Eisenbahn-Bundesamt
und verschiedenen Ländern vernachlässigt
wird. Entwidmungen wurden verfügt, obwohl
eine Zwecknutzungserklärung vorlag.
So wurden Strecken, statt sie wieder dem
Betrieb anheimzustellen, beispielsweise an
Schrotthändler verkauft. Grundstücke wurden
zum Gegenstand von Immobiliengeschäften
gemacht. Curth appellierte an die
Bahn, doch mehr auf die Nachhaltigkeit bei
solchen Entscheidungen zu setzen. So profitiert
die DB mit einigen ihrer Unternehmen
alleine schon durch die Zubringerwerte bei
der Netz- und Verkehrsverknüpfung.
Um weiteren Eskalationen in diesem
Themenbereich entgegenzuwirken, schlug
der DBV-Präsident eine Potenzialanalyse
aller stillgelegten und noch gewidmeten
Strecken vor, um deren mögliche Reaktivierung
zu prüfen. Denn die heutigen
Verhältnisse könnten nicht mit denen bei
der seinerzeitigen Stilllegung verglichen
werden. Die Prognoseüberschreitungen
bei Streckenreaktivierungen, z. B. in Baden-
Württemberg oder Rheinland-Pfalz, sowie
die Transportverteuerungen durch die
Einführung der Lkw-Maut für bestimmte
Gutarten, z. B. Schüttgüter, Holz und Flüssigstoffe,
sollten zu einem solchen Schritt
ermuntern, meinte Curth. Ähnlich äußerte
sich kurz darauf auch Karl-Peter Naumann,
Bundesvorsitzender von Pro Bahn, auf einer
Veranstaltung der Allianz pro Schiene
am 23. November.
Rüdiger Grube sagte zu, dass es zu diesem
Thema vertiefende Gespräche zwischen DB
Netz, DB Schenker Rail und dem DBV geben
werde.
Abschließend werteten beide das Gespräch
positiv und waren sich in dem Bestreben
nach Fortsetzung des Dialogs einig. Deutscher Bahnkunden-Verband
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