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Die vier Europäischen Güterverkehrskorridore, die durch Deutschland verlaufen. Karte: OSM, Eintragungen: IGEB (fm) |
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Europäischer Rat, Kommission und Parlament
haben sich verpflichtet, auf den Europäischen
Güterverkehrskorridoren das
europäische Zugleit- und Zugsicherungssystem
ERTMS (European Rail Traffic Management
System) einzuführen und eine
EU-Kofinanzierung bereitgestellt. Vier der
sechs Europäischen Güterverkehrskorridore
verlaufen durch Deutschland:
- Korridor A
Rotterdam—Emmerich—Oberhausen—
Mannheim—Karlsruhe—Basel—
Genua
- Korridor B
Stockholm—Puttgarden—Hamburg—
Nürnberg—München—Kufstein—
Brenner—Verona—Rom—Neapel
- Korridor E
Dresden—Prag—Wien/Bratislava—Budapest—
Bukarest—Constanza (mit einer
baldigen Verbindung von Dresden
zum Korridor F)
- Korridor F
Aachen—Duisburg—Magdeburg—
Berlin—Frankfurt (Oder)—Warschau/
Magdeburg—Falkenberg (Elster)—Horka—
Terespol
Nach einer Entscheidung der EU-Kommission
vom 22. Juli 2009 ist Deutschland
verpflichtet, seine Abschnitte dieser Korridore
einschließlich der entsprechenden
Terminalanbindungen bis 2020 mit ERTMS
auszurüsten.
Anscheinend hat es die Bundesregierung
aber nicht für nötig befunden, dieser
Verpflichtung und weiterer politischer
Vereinbarungen mit den Nachbarstaaten
nachzukommen. Auf eine Kleine Anfrage
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im
Deutschen Bundestag teilte die Bundesregierung
mit: „Bei der Umsetzung hat aus
deutscher Sicht die Ausrüstung des Korridors
A mit ERTMS wegen seines hohen
Verkehrsaufkommens Priorität.“ (Bundestagsdrucksache
17/2034 vom 10. Juni 2010)
Zum Fertigstellungstermin des Korridor A
wurde jedoch keine Aussage gemacht.
Dieses Verhalten ist ein klarer Verstoß der
Bundesregierung gegen geltendes Europäisches
Recht (European Deployment
Plan), alle vier durch Deutschland führenden
Korridore bis 2015/2020 mit ERTMS
auszurüsten.
Die zeitlich unbestimmte Aussage zum
Korridor A und die Weigerung, die deutschen
Abschnitte der Korridore B, E und F
mit ERTMS auszurüsten, bedeutet wegen
der zentralen Lage des deutschen Netzes
eine Torpedierung des Europäischen Korridor-
und Interoperabilitätskonzeptes.
Auf die Frage „Wie hoch sind die von der
EU für den Korridor A bis dato geleisteten
Mittel, und welche Summe steht noch bis
Ende 2013 aus?“ antwortet die Bundesregierung
in der o. g. Drucksache:
„Für den Korridor A existieren folgende
EU-Entscheidungen:
- 2009-DE-24070, Ausrüstung des Korridors
A mit Elektronischen Stellwerken,
Zuschussvolumen: 39,8 Mio. Euro,
- 2007-DE-60320, Ausrüstung des Korridors
A mit ETCS, Zuschussvolumen: 23,3
Mio. Euro.
Aufgrund bisher fehlender nationaler
Komplementärfinanzierung sowie nicht
ausreichender Umsetzungskonzeption der
DB Netz AG können die Mittel voraussichtlich
zumindest teilweise nicht in Anspruch
genommen werden.“
Deutschland verzichtet also auf EU-Gelder
für das europäische Zugleitsystem, obwohl
es zu dessen Aufbau verpflichtet ist!
Zudem wird die EU alle einzelnen Projekte,
die unter dem mehrjährigen Programm
und dem EU-Konjunkturpaket finanziert
wurden, einer Fortschrittsüberprüfung
unterziehen. Da die Bundesregierung im
Rahmen des Haushalts 2007–2013 etwa
600 Mio. Euro bezieht, kann eine nicht regelgemäße
Verwendung der Infrastrukturmittel
weitere finanzielle Nachteile haben.
Auch wenn die Bundesregierung eine
Absicht strikt zurückweist, so ist doch nicht
zu übersehen, dass die deutsche Zurückhaltung
beim Ausbau der Europäischen
Güterverkehrskorridore mit ERTMS im
Ergebnis dazu beiträgt, Verkehr ausländischer
Bahnen auf dem Netz der DB AG zu
erschweren bzw. zu diskriminieren.
Es stimmt zwar, dass in Deutschland auf
den Europäischen Güterverkehrskorridoren
Beeinträchtigungen des Schienenpersonenverkehrs
zu befürchten sind, weil
der Schienengüterverkehr auf den Korridoren
Vorrang vor dem Personenverkehr
hat und weil die Trassenvergabe hier auf
die europäische Ebene verlagert wurde
(vgl. SIGNAL 3/2010 auf S. 27). Dennoch
ist das Verhalten der Bundesregierung ein
Skandal.
Durch die Missachtung der Verpflichtung
Deutschlands zum ERTMS-Ausbau
und durch den Verzicht der Bundesregierung
auf europäische Fördergelder wird
die dringend notwendige Verlagerung
des (grenzüberschreitenden europäischen)
Güterverkehrs von der Straße auf
die Schiene verzögert, der Wettbewerb
behindert und die Umwelt vermeidbar belastet.
Die Bundesregierung wäre gut beraten,
aufgrund des rasanten Ansteigens
von CO2-Emissionen im Straßenverkehr,
das ERMTS-System zügig in Deutschland
einzuführen.
Michael Cramer, MdEP
Verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament
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