Berlin

Dresdener Bahn: Mängel auch nach erneuten Planänderungen

Was lange währt, wird endlich gut. Dieses Sprichwort trifft auf die Planungen zu Ausbau und Wiederinbetriebnahme der Dresdener Bahn in Berlin leider nicht zu. Nach einem mehr als 10-jährigen Planungsprozess gibt es auch nach erneuten Änderungen weiterhin viele Mängel.

Im November 2009 lagen die Unterlagen zu den jüngsten Planänderungen des Bauvorhabens Dresdener Bahn im Planfeststellungsabschnitt I (Abschnitt nördlich Attilastraße bis südlich S-Bahn-Haltepunkt Schichauweg, km 6,062 bis km 12,300) beim Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und beim Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf aus.

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Dresdener Bahn. Karte: BVG, Ergänzung: IGEB

Schwerpunkt der Auslegung waren überarbeitete Schutzmaßnahmen gegen Immissionen. So sind z. B. erstmals auch Mittel- Lärmschutzwände zwischen S- und Fernbahngleisen vorgesehen. Mit dieser Maßnahme lässt sich die Höhe von Außen-Lärmschutzwänden begrenzen. Geplant sind Lärmschutzwände in einer Höhe zwischen zwei und fünf Metern. Das zum Erschütterungsschutz auf der Fernbahn bereits schon vorgesehene Schutzsystem BSO (ein in eine Betonwanne eingespannter Schotteroberbau) wird bei der S-Bahn in Teilabschnitten um das Schutzsystem „besohlte Schwellen“ ergänzt. Berücksichtigt ist in den Planungen nunmehr auch die Verschiebung der Außenbahnsteige des S-Bahn-Haltepunktes Buckower Chaussee um ca. 50 Meter nach Norden unter die neue Straßenüberführung.

S-Bahn
S-Bahnhof Buckower Chaussee. Sollten die aktuellen Pläne zur Dresdener Bahn ohne Korrektur umgesetzt werden, ist diese Fußgängerbrücke, die derzeit einen kurzen Umsteigeweg von und zum P+R-Parkplatz ermöglicht, künftig weitgehend nutzlos, denn eine Verlängerung über die künftigen Fernbahngleise ist bislang nicht vorgesehen. Außerdem fehlt in den Planungen noch immer ein Regionalbahnhof Buckower Chaussee. Foto: Christian Schultz

Trotz der jüngsten Planänderungen gibt es jedoch zum Teil wenig fahrgastfreundliche Lösungen, falls die Planungen ohne Korrekturen umgesetzt werden sollten. Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens gestaltet sich somit insgesamt extrem unbefriedigend, erst recht, wenn berücksichtigt wird, dass die Pläne erstmals bereits um den Jahreswechsel 1997/98 (!) ausgelegt worden waren. Wenn der neue Flughafen für Berlin und Brandenburg am 30. Oktober 2011 in Betrieb gehen wird, steht zwar die vollständige straßenseitige Anbindung zur Verfügung, auf der Schiene aber nur die S-Bahn und eine in ihrer Attraktivität durch Umwege, Infrastrukturengpässe und Taktbeschränkungen gekennzeichnete RegionalExpress- Linie.

Nachfolgend sind die Einwendungen, die seitens der IGEB in das aktuelle Planänderungsverfahren eingebracht wurden, erläutert:

Betriebsprogramm 2015

Das der o. g. Planung zugrunde liegende Betriebsprogramm 2015 ist bezüglich der Zugzahlen des Fernverkehrs – 32 ICE-/IC-Züge, zusätzlich noch einmal 36 IC-Züge (bei der ersten Planauslegung: InterRegio-Züge!) – unrealistisch. Daran wird auch die Anbindung des Flughafens BBI nichts ändern, da im Fernverkehr günstigstenfalls einzelne Züge zum neuen Flughafen geführt werden. Mit einer Verdichtung des heute zwischen Berlin und Dresden bestehenden 2-Stunden- Takts auf einen 1-Stunden-Takt ist – angesichts der derzeitigen Angebotspolitik der Deutschen Bahn – mittelfristig ebenfalls nicht zu rechnen. Bei Zugrundelegung eines realistischen Betriebsprogramms könnte der Wiederaufbau der Strecke vermutlich zu geringeren Kosten realisiert werden.

Berücksichtigung des S-Bahn-Haltepunkts Kamenzer Damm

Um zu einem späteren Zeitpunkt den S-Bahn-Haltepunkt Kamenzer Damm mit möglichst geringen Betriebseinschränkungen errichten zu können, sollten entgegen der derzeitigen Planung die hierfür erforderlichen Flächen (z. B. für einen Mittelbahnsteig und die Zugangsbauwerke) berücksichtigt und die Lage der S-Bahn-Gleise im Rahmen dieses Bauvorhabens bereits entsprechend angepasst werden.

Bahnhof Marienfelde

Für den Fernverkehr sind im Bahnhof Marienfelde neben den durchgehenden Hauptgleisen lediglich zwei Überholgleise geplant. Der überwiegende Teil der Gütergleise soll stillgelegt werden. Eine nachträgliche Reaktivierung von Gleisanlagen bzw. die notwendige Anpassung der Zugsicherungstechnik ist bei elektronischen Stellwerken (ESTW) aber mit erheblichem Kostenaufwand verbunden, inclusive Betriebsunterbrechung. Es werden damit langfristig Fakten zugunsten des Straßentransports geschaffen. Dies widerspricht dem „Integrierten Wirtschaftskonzept Berlin“ (2005, Herausgeber: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung), das eine bahnseitige Erschließung von Gewerbegebieten mit heute oder künftig bahnaffinen Nutzungen vorsieht. Der Erhalt der Güterverkehrsstelle Berlin-Marienfelde ist in diesem Konzept ausdrücklich benannt.

Das Bahnsteigdach des geplanten neuen S-Bahnsteigs Marienfelde ist mit 61 m im Vergleich zum heutigen Bahnsteigdach zu kurz geplant und erreicht damit nicht einmal S-Bahn-Halbzuglänge. Angesichts der Bedeutung dieses S-Bahnhofs, insbesondere für Umsteiger von und zu den Buslinien und für Berufstätige aus dem angrenzenden Gewerbegebiet, sollte das Bahnsteigdach mindestens auf die Länge eines 3/4-Zuges der S-Bahn, also 110 m, verlängert werden.

Um die Wege von und zu dem östlich der Bahnanlagen liegenden Gewerbegebiet zu verkürzen, sollte des Weiteren eine Fußgängerunterführung unter den Gleisanlagen der Fernbahn vorgesehen werden.

Buckower Chaussee: Realisierung eines Regionalbahnhalts

Der Verkehrswert dieses Umsteigeknotens kann sowohl für Berliner als auch Brandenburger Fahrgäste deutlich erhöht werden, wenn hier zusätzlich zum S-Bahn-Halt auch ein Halt für den Regionalverkehr bzw. für den Flughafen-Express realisiert wird. Neben einer verbesserten Auslastung des Flughafen-Expresses bewirkt diese Maßnahme auch die dringend erforderliche Verbesserung der Erreichbarkeit des Berliner Hauptbahnhofs in Nord-Süd-Richtung. Angesichts dieser Vorteile dürfte die daraus resultierende Fahrzeitverlängerung des Flughafen-Expresses akzeptabel sein. Doch selbst bei Durchfahrt des Flughafen-Expresses ist dieser Haltepunkt für die anderen Regionalzüge erforderlich.

Auf den meisten Radialstrecken zwischen dem Berliner Hauptbahnhof und dem Land Brandenburg gibt es zwischen dem Berliner Innenring und der Landesgrenze noch einen Regionalbahnhalt, der die Außenbezirke erschließt, z. B. Lichterfelde Ost, Wannsee, Spandau, Hohenschönhausen, Karlshorst (künftig stattdessen in Köpenick). Es ist nicht zu verstehen, warum es gerade im Südraum von Tempelhof und Neukölln, der besonders viele Einwohner und Arbeitsplätze hat, einen solchen Unterwegshalt nicht geben soll.

Buckower Chaussee: Verbesserung des Umsteigewegs von/zum P+R-Parkplatz

Der heute über das ehemalige Motzener Gütergleis führende niveaugleiche Bahnübergang soll nach vorliegender Planung ersatzlos entfallen. Um die damit verbundene erhebliche Verlängerung der Umsteigewege von und zu dem heute sehr gut frequentierten P+R-Parkplatz zu vermeiden (die vorliegende Planung bedeutet letztlich einen Attraktivitätsverlust), muss eine Verlängerung der heute zwischen den beiden S-Bahnsteigen bestehenden Fußgängerüberführung vorgesehen werden.

Buckower Chaussee: Wetterschutz für umsteigende Fahrgäste auf der Straßenüberführung

Bei dem geplanten Neubau der Straßenüberführung bzw. der Zugangsbauwerke zu den Bahnsteigen sollte die Chance genutzt werden, auch einen umfassenden Witterungsschutz für umsteigende Fahrgäste zwischen S-Bahn und Bus (Buslinien X 11, M 11, 277, 710 und 711) zu realisieren. Mit dem derzeit geplanten Standard-Wetterschutz auf der künftigen Brücke kann dieses Ziel nicht erreicht werden.

Alle vorstehend genannten Veränderungen werden zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrs und zur Erhöhung der Fahrgastzahlen auf der auszubauenden Dresdener Bahn beitragen. Da die geplanten neuen Bahnanlagen für viele Generationen errichtet werden, sollten die hier benannten, im Wesentlichen bereits schon vor Jahren gemachten Vorschläge endlich berücksichtigt werden.

Ausblick

Mit diesem Planänderungsverfahren ist die Planung der Dresdener Bahn keineswegs abgeschlossen. Auch für den südlich des S-Bahnhofs Schichauweg anschließenden Abschnitt müssen die Pläne geändert werden. Dann werden Anwohner erneut eine Tunnelstrecke durch Lichtenrade fordern. Selbst bei Zurückweisung dieser Forderung und Scheitern des Klagewegs wäre ein Baubeginn vor 2012 unrealistisch. Und die Wiederinbetriebnahme wird es nicht vor 2016 geben – eher später.

IGEB Fernverkehr

aus SIGNAL 1/2010 (März 2010), Seite 26-27

 

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