Spätestens seit der Konferenz der Vereinten
Nationen über Umwelt und Entwicklung im
Jahr 1992 in Rio de Janeiro ist die Problematik
des Klimawandels nicht mehr nur Thema unter
Fachleuten. Zugleich stellt sich die Frage,
wie lange der Rohstoff Erdöl noch zu vertretbaren
Preisen verfügbar sein wird. Nun sollen
Elektroautos helfen, klimaschädliche Abgase
zu reduzieren und die Abhängigkeit vom
Erdöl zu verringern. Das Bundeskabinett hat
einen „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“
beschlossen, um die Einführung
von E-Autos voranzubringen. Doch was bedeutet
diese Entwicklung für den ÖPNV – und
sind reine Elektroautos überhaupt sinnvoll?
Blickt man auf die letzten Monate bzw.
Jahre zurück, so fällt eine teilweise geradezu
euphorische Berichterstattung über Elektroautos
auf, die fast alle politischen Richtungen
erfasst zu haben scheint. So jubelte beispielsweise
das zeo2-Magazin in seiner Ausgabe
3/2008 über das Elektroauto: „Das klingt
nach Revolution. Und tatsächlich sind die
Energiesparpotentiale der Elektronenflitzer
gewaltig. (…) Und billig sind die Flitzer auch.
Mit Ökostrom für 25 Cent/kWh schafft man
100 km für 4 Euro. Öko und billig: das Elektroauto
mutiert zur eierlegenden Wollmilchsau.“
(ebenda, Seite 23).
Kaum ein Autohersteller wagt es derzeit,
nicht ein „innovatives“ Elektroauto im Angebot
zu haben. Mögen vielleicht Autotypen
mit dem Namen „I-Miev“ vor kurzem noch
Lachsalven hervorgerufen haben, so ist die
Richtung dennoch klar: Elektrisch mit dem
Auto fahren, heißt es, soll jetzt die Zukunft
sein!
Inzwischen aber mischen sich auch zunehmend
kritische Töne in die Diskussion. „Das
Elektroauto steht vor langer Durststrecke“, titelte
etwa der Nordkurier vom 12. November
2009. Und Dr. Wolfgang
Zängl, Gründungsmitglied
der Gesellschaft für
ökologische Forschung
(GÖF), kommt gar zu dem
Ergebnis: „Elektroautos:
Auch 2009 Nein danke!“
Bereits 1992 hatte er eine
kritische Dokumentation
mit dem Titel „Elektroautos:
Nein danke!“ zu dieser Thematik verfasst
und war zu derselben Schlussfolgerung gelangt.
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Stromtankstelle vor dem Bundesverkehrsministerium Foto: Florian Müller |
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Großversuch mit Elektroautos auf Rügen
Betrachtet man die Entwicklung der letzten 15
bis 20 Jahre, so fällt auf, dass bei den Antriebssystemen
für Autos schon mehrfach eine
bestimmte Technologie in den Medien und
teilweise auch durch (weltweite) Versuche favorisiert
wurde, um dann sang- und klanglos
wieder in der Versenkung zu verschwinden.
Erinnern wir uns: Die deutsche Wiedervereinigung
war gerade erst vollzogen, als die
Insel Rügen für einen Großversuch mit Elektroautos
auserkoren wurde, der dann von 1992
bis 1995 auch tatsächlich stattfand. Zugleich
tüftelte einige 100 Kilometer weiter südlich
in Thüringen ein Hersteller am „Hotzenblitz“,
einem elektrisch betriebenen Kleinwagen. In
den USA verhieß das Elektroauto ebenfalls
den Ausweg aus der abgasbelasteten Luft
vieler Großstädte.
An Euphorie und Erwartung wurde schon
damals nicht gespart, wenn von der „Zukunftstechnologie“
Elektroauto die Rede war.
Bis zum Jahr 2000 sollten eine Million Elektroautos
auf deutschen Straßen rollen, hieß
es seinerzeit von einigen Verfechtern dieses
Antriebssystems.
Dazu kam es bekanntlich nicht. Der Versuch
auf Rügen endete
ohne Fortsetzung, und
der „Hotzenblitz“ ging
nicht in Serie. Auch auf
der anderen Seite des
großen Teiches schliefen
Elektroauto-Projekte
alsbald ein.
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E-Autos werden gerne mit dem Label „Grün“ versehen und sollen Umweltverträglichkeit suggerieren. Hier der Geely ElectriCar Panda auf der Messe in Shenzhen (China), November 2009. Foto: Brücke- Osteuropa |
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Wasserstofffahrzeuge gescheitert
Kaum war Gras über
den Misserfolg der EAuto-
Mobilität gewachsen,
wurden der interessierten
Öffentlichkeit
Wasserstoffautos als
Lösung der Zukunft
präsentiert – nach Anfängen
bereits in den 1980er Jahren.
Für das erste Jahrzehnt nach
der Jahrtausendwende schien
sich abzuzeichnen: Wasser wird
durch Elektrolyse in Wasserstoff
umgewandelt, und dieser
wiederum soll mittels Brennstoffzellen
Motoren antreiben.
Autos gewissermaßen aus dem
Meer betanken, und die Elektrizität
dazu aus Solarkollektoren –
eine romantische Vorstellung,
was einige Zeitschriften dem
damaligen Zeitgeist entsprechend
auch mit kunstvollen
Fotomontagen zu unterlegen
wussten. Nicht nur Autos sollten
von dieser „Zukunftstechnologie“
profitieren, sondern
auch Busse. In Berlin und in Hamburg beispielsweise
kamen auch einige in den Linienbetrieb.
Selbstredend sollte das Deutschland
des Jahres 2008 über ein flächendeckendes
Wasserstoff-Tankstellennetz verfügen.
Doch wie man in Berlin zu sagen pflegt:
Erstens kommt es anders und zweitens als
man denkt. So auch hier. Nach wie vor kann
sich (auch) diese Technologie nicht durchsetzen
– weder bei Autos noch bei Bussen. Vergessen
im Überschwang der Euphorie: Die
Infrastruktur, um Wasserstoff herzustellen,
kostet viel Geld. Und als Speichermedium
hat sich Wasserstoff wegen seiner geringen
Energiedichte auch nur als eher mäßig geeignet
erwiesen. Selbst der Umweltvorteil
wird inzwischen angezweifelt: Beim Tanken
von Wasserstoff entweicht nämlich Wasserstoffgas
in die Atmosphäre, was dort starke
Klimaschäden hervorrufen könnte. Darüber
hinaus gilt Wasserstoffgas als Nährboden für
Mikroben.
Hätte man diese Entwicklung nicht absehen
können? Wäre nicht überhaupt die Art
und Weise zu hinterfragen, wie in Deutschland
die Einführung neuer Technologien
subventioniert wird? Ganz zu schweigen von
der hier entscheidenden Frage der künftigen
Mobilität überhaupt.
Elektromobilität zum Erhalt der Automobilität
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Der CityEL, ein in Deutschland produziertes Serienfahrzeug. Von diesem einsitzigen Elektrofahrzeug wurden bisher rund 6000 Exemplare verkauft. Foto: Lydia Gaber |
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Das gilt natürlich auch heute, doch wirkliche
verkehrspolitische Veränderungen sind in der
Politik weiterhin kaum gewünscht, schon gar
nicht von der jetzigen schwarz-gelben Bundesregierung.
Vor diesem Hintergrund scheinen
die aktuellen Konzepte zur Förderung
von Elektroautos wohl eher das Ziel zu haben,
so weitermachen zu können wie bisher – also
Auto fahren wie gewohnt, nur eben mit einer
anderen, sauberen Antriebstechnologie, deren
Energie grenzenlos verfügbar sein möge.
Kann aber eine neue Technologie überhaupt
durchgesetzt werden, wenn das Ziel so definiert
ist, grundsätzlich nichts verändern zu
wollen?
Die jetzigen Wunschvorstellungen vieler
Menschen im Hinblick auf das Elektroauto
erinnern ein wenig an den Traum,
der bis vor gar nicht so langer Zeit
mit dem Transrapid verbunden
war. Im einen Falle übt das lautlose
Fahren Faszination aus, im anderen
das Schweben.
Geht es nach dem jetzigen „Nationalen
Entwicklungsplan Elektromobilität“
der Bundesregierung,
sollen im Jahre 2020 eine Million
Elektroautos auf deutschen Straßen
rollen. So ein Zufall: Genau
diese Zahl war bereits für das Jahr
2000 anvisiert worden.
Dafür allerdings muss es Menschen
geben, die entsprechend viele Elektroautos
kaufen. Ist das so ohne weiteres zu
erwarten, nachdem elektrisch betriebene Autos
bisher technisch nicht überzeugen konnten
– jedenfalls nicht im Vergleich zu Autos
mit Verbrennungsmotoren? An dieser Stelle
lohnt ein Blick nach Norwegen: Dort wurde
vor einigen Jahren ein Projekt mit einem batteriebetriebenen
Fahrzeug namens „Think“
gestartet. Glaubt man Medienberichten, ist
der Absatz jedoch um zwei Drittel (!) hinter
den Erwartungen zurückgeblieben. Anfang
2009 stand das Unternehmen vor dem Konkurs.
Wenn Elektroautos schon im reichen
Norwegen kaum Anklang finden – wo dann
in Europa? Muss nicht erst einmal der potentielle
Markt für Elektroautos richtig analysiert
werde, und zwar anhand belastbarer Daten?
Unverändert zu geringe Reichweiten
Seit den frühen 1990er Jahren hat sich die
Leistungsfähigkeit von Elektroautos nicht
so viel verbessert, wie es zunächst vielleicht
scheint. Wer die Berichte von damals über
die Reichweiten von Elektroautos liest, stößt
schnell auf die auch heute gängige Zahl von
rund 150 Kilometern. Problemlos beheizen
lässt sich der Innenraum von Elektroautos
ebenfalls nicht. Gewiss: Die neuen Lithium-
Ionen-Akkus sind leichter und enthalten nicht
ganz so giftige Stoffe wie frühere Speichersysteme
– allerdings haben sie auch nach wie
vor einen stolzen Preis. Soweit in Testberichten
höhere Reichweiten für einige Autotypen
angegeben werden, stehen diesem Vorteil
große praktische Nachteile wie z. B. lange
Aufladezeiten der Batterien gegenüber.
Grundsätzlich hat eine neue Technologie
am ehesten eine Chance auf Durchsetzung,
wenn sie gegenüber vorhandenen Systemen
wenigstens im Ansatz einen bedeutsamen
Leistungsvorteil verspricht oder eine völlig
neue Dimension eröffnet. So konnte sich
das Dampfschiff gegenüber dem Segelschiff
durchsetzen, weil absehbar war, dass es das
Festliegen bei Windstille überbrücken konnte.
Die Erfindung des Flugzeugs wiederum
eröffnete einen Verkehrsweg, den es für den
Menschen bis dato praktisch gar nicht gab.
Das Elektroauto indessen kann prinzipiell
nicht mehr als ein konventionelles Auto, und
die Erwartungen auf Verbesserungen beruhen
eher auf Hoffnungen und Wünschen als
auf Fakten.
Was außerdem in dem Jubel über die relative
Weiterentwicklung des Elektroautos
leicht übersehen wird: Die konventionellen
Antriebe bei Autos sind in den letzten Jahren
ebenfalls deutlich verbessert worden. Trotz
einiger Verbesserungen liegen Elektroautos
daher immer noch (oder schon wieder!) weit
hinter den Autos mit Verbrennungsmotoren
zurück, insbesondere wegen der begrenzten
Reichweiten und der Dauer des „Betankens“.
Man kommt also kaum an der Tatsache
vorbei, dass die herkömmlichen Autos mit
Verbrennungsmotoren eine derartige technische
Perfektion erreicht haben, dass Elektroautos
mit ihnen nicht wirklich konkurrieren
können. Anders formuliert: Würde man ein
Benzinauto mit den Leistungseigenschaften
eines Elektroautos auf den Markt bringen,
wäre es unverkäuflich, allen Träumen vom
lautlosen Fahren zum Trotz. Zwar werden
insbesondere aus Japan Serienfertigungen
von Elektroautos angekündigt. Hierbei darf
aber nicht vergessen werden, dass allein der
Ballungsraum Tokio mit über 34 Millionen
Einwohnern so eine massive Nachfrage nach
Verkehrsmitteln aufweist, dass selbst für „mäßige“
Elektroautos noch ein nennenswerter
Absatzmarkt vorhanden ist.
Doch sind in Deutschland nicht die meisten
Wege so kurz, dass ein Elektroauto ausreichen
würde? Sicher richtig – und Elektroauto-
Freunde weisen auch gerne darauf
hin. Nur: Wären die kurzen Wege im Alltag
für den Autokauf maßgeblich, hätten sich
die Menschen seit jeher in erster Linie Kleinwagen
angeschafft. Beim Autokauf spielen
eben auch andere Motive eine wichtige Rolle,
nämlich mit dem Fahrzeug weite Strecken
zum Urlaubsort zurücklegen oder größere
Gegenstände befördern zu können – und
nicht zuletzt Emotionen, Geltungsbedürfnis,
Spieltrieb. Solange das Benzin „bezahlbar“
bleibt, dürfte sich daran auch nichts grundlegend
ändern. „Öko hin oder her – unsere
Kunden wollen auch in Zukunft schließlich
kein Verzichtauto kaufen“ – so wird Martin
Winterkorn, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen
AG, in der Süddeutschen Zeitung (online)
vom 30. März 2009 zitiert.
Förderung der E-Autos fördert Autoverkehr
Zu befürchten ist nun, dass Elektroautos
mittels umfangreicher Subventionen – also
gleichsam künstlich – marktfähig
gemacht werden. Einige deutsche
Politiker wollen den Kauf
jedes Elektroautos mit 5000 Euro
fördern. Diese Gelder würden im
Zweifel dem ÖPNV fehlen. Elektroautos
dürften auch keineswegs
hauptsächlich in Konkurrenz zu
konventionellen Autos treten,
sondern viel eher zum ÖPNV und
zum Fahrradverkehr. Damit ließen
sich gleich zwei Wirkungen
erzielen: Zum einen könnte man
so Kundschaft vom bisherigen
Umweltverbund (Bahnen und
Busse, Fahrrad- und Fußgängerverkehr) zum
Elektroauto „abwerben“, zum anderen würde
sich durch solche Autos der durchschnittliche
Schadstoffausstoß der gesamten Autoflotte
so verringern, dass auch die von der EU gesetzten
Normen zur CO2-Reduzierung erfüllt
werden. Auf diese Weise könnten zusätzlich
in den Verkehr gebrachte Elektroautos gar
noch dafür sorgen, dass verbrauchsintensive
konventionelle Fahrzeuge weiter in Betrieb
bleiben – der niedrigere Durchschnittsverbrauch
aller Automobile würde dies möglich
machen.
Elektroautos benötigen auch Straßen und Stellplätze
Nicht zuletzt wäre wohl mancher zusätzliche
Straßenbau leichter durchsetzbar, wenn es
mehr Elektroautos gäbe. Ökologisch, sozial
und letztlich auch ökonomisch betrachtet,
eine fatale Perspektive!
Das Elektroauto als „City-Mobil“ folgt leider
genau diesem Ansatz. Dabei dürften sparsame
Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb
vollkommen ausreichen für Menschen, die
ein Auto benötigen. Namentlich in Berlin
kommt man ohnehin meist auch gut oder
besser mit dem Fahrrad bzw. mit dem ÖPNV
voran. Das Auto ist hier im Wesentlichen für
den Transport von Lasten notwendig – doch
dafür sind gerade Elektroautos nach wie vor
wenig geeignet.
Wesentliche Nachteile des Autoverkehrs
kann auch das beste Elektroauto ohnehin
nicht lösen: Jedes Auto benötigt eben Fläche,
die für andere Zwecke fehlt. Staus werden
durch Elektroautos kaum bzw. gar nicht kürzer.
Das Straßennetz zu bauen und zu unterhalten,
ist kostenaufwändig und belastet die
Umwelt. Hinzu kommen die Unfallgefahren,
die gerade bei lautlos fahrenden Elektroautos
besonders hoch sein können.
Im ÖPNV gibt es längst Elektromobilität
Dennoch lassen sich selbst „Umweltbewegte“
dazu verleiten, beim Thema Elektromobilität
vorrangig vom Automobil zu sprechen. Der
Einstieg in elektrisch betriebene Systeme hat
aber bekanntlich im Bereich des Schienenverkehrs
bereits vor Jahrzehnten stattgefunden.
Viele Millionen Menschen fahren, so betrachtet,
seit Jahr und Tag elektrisch. Vergessen?
Das „Leitbild Elektromobilität“ müsste also
überwiegend bei Bahnen und Bussen ansetzen.
Genug zu tun für weitere Entwicklungen
und Ausbauvorhaben gibt es auf diesem Gebiet
allemal.
Ist es aber nicht notwendig und sinnvoll,
alternative Antriebe für Autos oder für Verkehrssysteme
überhaupt zu erforschen – zumal
angesichts einer bedrohlichen Veränderung
des Weltklimas und einer Verknappung
von Erdölreserven? Prinzipiell mag dies stimmen,
doch sollten Möglichkeiten und Grenzen
neuer Technologien vorab untersucht
werden, ehe voreilig viel Geld ausgegeben
wird. Physikalische Grenzen lassen sich eben
nicht durch Wunschvorstellungen überwinden.
Doch nicht nur eine natur-, sondern auch
eine sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung
erscheint hier wichtig.
Erinnert sei an das Transrapid-Debakel
Forschungsmittel sind indessen nur begrenzt
vorhanden, erst recht in Zeiten knapper Kassen.
Wiederum sei auf das Debakel des Transrapids
verwiesen: Größenwahn, Wunschdenken
und Technikverliebtheit sicherten diesem
System jahrzehntelang umfangreiche
Forschungsmittel und gewisse Prioritäten
in der Planung. Millionen und Abermillonen
von DM bzw. Euro für eine ebenso grandiose
wie absehbare Pleite! Die Weiterentwicklung
des ungleich wichtigeren Schienenverkehrs
hingegen wurde durch diese falsche Prioritätensetzung
um viele Jahre zurückgeworfen.
Nicht nur das: Die Trassenfreihaltungen für
den Transrapid vermochten leider sinnvolle
alternative Lösungen zu verzögern, wenn
nicht zu verhindern.
Speziell für die Begrenzung des Klimawandels
sind kurzfristig realisierbare Lösungen
unerlässlich. Sollten tatsächlich im Jahr 2020
rund eine Million Elektroautos unterwegs
sein, wären das gerade einmal 2 Prozent
eines Autobestandes von 50 Millionen Fahrzeugen
in Deutschland – und selbst diese
vergleichsweise wenigen Fahrzeuge dürften
nur zum Teil ihre Elektrizität aus erneuerbaren
Energien beziehen. Viel sauberer wird die
Luft dadurch nicht. Zu prüfen wäre natürlich
auch der Zusammenhang zwischen Elektroautos
und Elektrosmog.
Jeder hier eingesparte Liter Erdöl wird ohnehin
an anderer Stelle verbraucht – man
denke an die bevorstehende Produktion
des Nano, einem indischen Kleinwagen
der Firma Tata Motors mit konventionellem
Antrieb. Ein „Klimakühler“, wie gelegentlich
behauptet, werden Elektroautos also in
absehbarer Zeit nicht sein – sehr viel eher
fördern sie die allgemeine weltweite Automobilisierung.
Es hat den Anschein, dass die Politik ihre
umweltpolitischen Akzente auf Systeme wie
eben das Elektroauto setzt, um kurzfristig
weniger zu unternehmen, die ökologischen
Folgen des Kraftfahrzeugverkehrs an sich
einzugrenzen. Konkret zeigt sich das beispielsweise
darin, dass die Bundesregierung
viel unternimmt, in der EU strengere Abgasgrenzwerte
bei Pkw und Lieferfahrzeugen zu
blockieren. Ganz zu schweigen von der oftmals
stiefmütterlichen Berücksichtigung des
Schienenverkehrs in der Verkehrspolitik. Das
Elektroauto und die zugehörigen Forschungen
bzw. Projekte dienen hier als willkommenes
Alibi, unvermeidliche Veränderungen in
der Verkehrspolitik auf die lange Bank schieben
zu können.
Der Einsatz von Elektroautos wirft natürlich
immer die Frage auf, woher die Elektrizität für
diese Fahrzeuge stammt. Viele Befürworter/
innen von Elektroautos sehen hier die Chance,
den erneuerbaren Energien mehr Geltung zu
verschaffen oder gar ihre Nachteile in Vorteile
zu verkehren. Soweit z. B. Windkraftanlagen
mehr Strom produzieren als erforderlich ist,
könnte dieser in Auto-Akkus gespeichert
werden.
Das mag sich in der Theorie interessant anhören,
nun muss sich nur noch die Realität danach
richten. Eine vollständige Verlagerung
der Elektrizitätserzeugung auf erneuerbare
Energien ist wohl erst in ferner Zukunft möglich
– wenn überhaupt! Leider wird der Begriff
der Erneuerbarkeit oftmals mit Unerschöpflichkeit
gleichgesetzt. Doch jegliche Anlage
zur Energieerzeugung benötigt Rohstoffe
und kostet Geld. Speziell die Solar- und die
Windkraft haben zudem den Nachteil, die
Energie nicht in der richtigen Menge bzw. am
gewünschten Ort zu erzeugen. Verwendet
man die aus Sonne bzw. Wind gewonnene
Energie für Autos, fehlt sie außerdem an anderer
Stelle und wird dort im Zweifel durch
Strom aus Kohle- und Kernkraft ersetzt
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Elektrische Antriebseinheit des Mitsubishi i MiEV, Oktober 2008. Foto: Morio |
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Elektroautos
als Argument für Atomstrom
Viele Länder setzen daher insbesondere
weiter auf die umstrittene Atomkraft. Pikanterweise
sind gerade die Staaten, die der
Atomkraft eine herausragende Rolle beimessen,
besonders aktiv bei der Einführung von
Elektroautos, nämlich Frankreich und Japan.
In der „Zeit“ vom 27. August 2009 ließ Jürgen
Großmann, Vorstandschef des Energiekonzerns
RWE die Katze aus dem Sack: „Wenn wir
künftig mit dem Elektromobil fahren, brauchen
wir mehr zuverlässigen, bezahlbaren
Strom.“ Damit meint er – auch – Atomstrom,
den er im Übrigen für einen wichtigen Beitrag
zur CO2-Reduzierung hält. CO2-Bilanz ist aber
nicht gleichbedeutend mit Umwelt-Bilanz –
eine Differenzierung, die leider in vielen
(Presse-)Beiträgen fehlt.
Bleibt der Vorteil der Unabhängigkeit vom
Erdöl. Doch wie weit wird die tatsächliche
Unabhängigkeit gehen? Für die Straßeninfrastruktur
kann auf Erdöl natürlich ohnehin
nicht so einfach verzichtet werden. Die Batterien
bzw. Akkus von Elektroautos wiederum
enthalten auch verschiedene „seltene“
Materialien, ganz zu schweigen von den zugehörigen
Systemen, um die Elektrizität zu
erzeugen und zu verteilen. Zwar lassen sich
einige der dafür erforderlichen Rohstoffe in
gewissem Umfang wieder verwerten (z. B.
Lithium, Kupfer), doch die grundsätzliche
Problematik bleibt: Auch Elektroautos bzw.
die moderne Elektrotechnik überhaupt sind
direkt oder indirekt auf begrenzt vorrätige
Rohstoffe angewiesen.
Abhängigkeit vom Erdöl wird durch
neue Abhängigkeiten ersetzt
Letztendlich wird man also die Abhängigkeit
vom Erdöl nur gegen die Abhängigkeit von
anderen knappen Ressourcen eintauschen,
wenn man auf das Elektroauto setzt. Jede
aufwändige Weiterentwicklung von Elektrofahrzeugen
bedeutet aber nicht nur ein Mehr
an Rohstoffbedarf, sondern auch an Zunahme
„technischen Inzestes“, sprich: Systeme,
die recht empfindlich, kompliziert und kaum
praktisch sind. Diese Unsitte ist leider im Fahrzeugbau
überhaupt weit verbreitet – täglich
zu erleben in Berlin bei der S-Bahn-Baureihe
481, wo die mangelhafte Konstruktion der
Achsen und Räder zu permanenten Zugausfällen
führt.
Wird das Fahren mit dem Elektroauto nun
billiger werden als mit herkömmlichen Fahrzeugen
– so wie es das zeo2-Magazin unterstellt?
Das hängt zunächst von der künftigen
Besteuerung von Fahrstrom und der Preis-
Entwicklung für Elektrizität an sich ab. Die
Marktwirtschaft gibt auch hier den Profit als
Maxime aus. Ebenso sehr ist der Staat natürlich
nicht nur in Deutschland dringend darauf
angewiesen, neue Einnahmequellen zu
erschließen. Die Pkw-Maut wird bereits (wieder)
ins Gespräch gebracht. Was Freunde von
Elektromobilen besonders gerne übersehen:
Der Hauptkostenfaktor ist hierbei nicht der
Strompreis, sondern der Akku bzw. die Batterie.
Mögen die Preise für Akkus und Batterien
auch sinken, so dürften Elektroautos trotzdem
ein kostspieliges „Vergnügen“ bleiben,
wenn man alle Faktoren einbezieht.
Summa summarum: Zum jetzigen Zeitpunkt
versprechen Elektroautos kaum Vorteile,
und es besteht die große Gefahr von
Fehlsubventionierungen. Soll man also das
Elektroauto (wieder) auf den Müll der Technikgeschichte
werfen? Nicht unbedingt. Als
Hybridfahrzeuge, die also mit konventionellen
Antrieben kombiniert sind, mögen sie
eine Chance haben, wenngleich natürlich
doppelte Antriebssysteme höhere Betriebskosten
mit sich bringen. Einige kurzfristig
sinnvolle Anwendungsbereiche ließen sich
aber durchaus auch für reine Elektroautos
in Betracht ziehen, beispielsweise für Lieferverkehre
mit leichteren Gütern auf kurzen
Entfernungen. So etwas war beispielsweise
in Großbritannien im 20. Jahrhundert verbreitet
(„Milk-Floats“). Lieferverkehre dürften in
allen großen Städten einen bedeutenden
Anteil am Verkehrsaufkommen haben. Liegen
in solchen speziellen Anwendungen
vielleicht die besten Chancen für Elektroautos?
Vielleicht kommen Elektroautos auch für
Mietwagen-Systeme in Betracht – in London
bzw. Paris gibt es solche Angebote bzw. sie
befinden sich in der Entwicklung.
Freilich sind Nutzungen dieser Art nicht
so spektakulär wie die Vorführungen von
Elektroautos auf einschlägigen Automobilmessen
– wo die Exponate bis in die Kreise
von Umweltschutzorganisationen Anklang
finden, doch sich als treue Ladenhüter in jedem
Automobilsalon erweisen. Das kann sich
zwar mit steigenden Erdölpreisen schon in einigen
Jahren ändern. Doch wer glaubt, durch
das Elektroauto unsere Flächen und Energie
verschwendende Automobilität unverändert
und unbegrenzt erhalten zu können, ist auf
dem Irrweg. Hansjörg Beyer, Berlin
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