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Die BVG-Kundenzeitschrift „plus“ erinnerte
in ihrer Ausgabe vom Februar 2008: „Nach
dem Brand auf dem U-Bahnhof Deutsche
Oper im Jahr 2000 war entschieden worden,
elf Bahnhöfe mit einem weiteren Zu- und
Abgang auszurüsten.“ Anlass für den Blick
zurück war die Vollzugsmeldung für die elf
Stationen: „Noch in diesem Frühjahr kann
die BVG mit einer erfreulichen Nachricht in
Sachen Sicherheit aufwarten: Die 2. Ausgänge
auf den Bahnhöfen Rudow und Konstanzer
Straße gehen in Betrieb. Damit verfügen
dann alle 170 U-Bahnhöfe über einen 2. Ausgang.“
Wirklich ALLE?
Eine Aufgabe für verregnete Sonntage:
Versuchen Sie, die zweiten Ausgänge der
Stationen Paradestraße, Jungfernheide, Zitadelle
und Lindauer Allee zu finden. Ferner
den zweiten, vom ersten unabhängigen
Fluchtweg im U-Bahnhof Seestraße auf dem
Perron Richtung Alt-Tegel und auf den Seitenbahnsteigen
der Stationen Ernst-Reuter-
Platz, Leopoldplatz und Bismarckstraße.
Wenn der Sonntag dann noch nicht vorüber
ist: Finden Sie heraus, weshalb eine
enorme Gefährdung der Fahrgäste beispielsweise
auf der Station Viktoria-Luise-
Platz bestanden haben soll – gelegen auf einer
Strecke, auf der praktisch ausschließlich
Kurzzüge aus zwei Wagen verkehren und
der Fluchtweg aus einer Treppe besteht, die
direkt vom Bahnsteig ins Freie führt (hier
wurde ein zweiter Ausgang gebaut). Weshalb
die Bedrohung nach Ansicht der BVG
aber nicht so groß ist, wenn auf Stationen,
auf denen gemeinhin längere Züge halten,
alle Aufgänge vom Bahnsteig in dasselbe
Zwischengeschoss münden und dieses womöglich
auch noch ziemlich weitläufig und/
oder unübersichtlich ist – wie zum Beispiel
am Siemensdamm, am Adenauerplatz, am
Kleistpark, am Jakob-Kaiser-Platz und an der
Birkenstraße – wo am 4. April ein brennender,
stark rauchender Zug zum Stehen kam.
Oder wenn alle in ein gemeinsames Empfangsgebäude
führen – siehe Halemweg,
Zwickauer Damm, Südstern, Lipschitzallee
und Wutzkyallee (wo überall kein Bau eines
weiteren Ausgangs vorgesehen ist).
Versuchen Sie zu erklären, weshalb die
Sicherheit gesteigert wurde, als man beim
U-Bahnhof Lichtenberg den separaten westlichen
Ausgang beseitigte, wodurch nun
sämtliche Treppen in das ungewöhnlich
niedrige, ausgedehnte Zwischengeschoss
münden. Oder warum die BVG beispielsweise
die unterirdischen Verteilerebenen
der Stationen Fehrbelliner Platz und Osloer
Straße schön verwinkelt gestaltete, indem
sie versuchte, nachträglich möglichst viel
vermietbare Fläche für kleine Läden und
Imbissbuden aus ihnen herauszuquetschen.
Erläutern Sie, wie zumal ortsfremde Fahrgäste
bei möglicherweise starker Rauchentwicklung
(durch welche bei Bränden stets
mehr Menschen sterben als durch direkte
Flammeneinwirkung) hier den rettenden
Weg ins Freie finden sollen. Und dies möglichst
schnell.
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Bau des 2. Ausgangs am U-Bahnhof Rudow. „Damit verfügen dann alle 170 U-Bahnhöfe über einen 2. Ausgang“, schrieb die BVG. Doch wo sind die 2. Ausgänge bei den Stationen Paradestraße, Jungfernheide, Zitadelle und Lindauer Allee? Foto: Marc Heller |
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Wenn Sie an diesen Aufgaben scheitern,
können Sie auf Nachfrage bei der BVG des
Rätsels Lösung erfahren: Dort verweist man
auf geltende Richtlinien und den nach dem
Brand 2000 beauftragten Gutachter, denen
zufolge Ausgänge entweder an beiden
Bahnsteigenden oder aber in der Mitte des
Perrons vorhanden sein sollten. Im letzteren
Falle genüge dann auch eine einzige Treppe.
In der BVG-Kundenzeitschrift fehlte folglich
das Kleingedruckte, welches hätte lauten
müssen: „’2. Ausgang’ bedeutet nicht, dass
ein zweiter Ausgang vorhanden ist.“ Jan Gympel
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