|
Wer die jüngste Entwicklung zum Beispiel in Potsdam (siehe SIGNAL 1/95 )
oder Hoyerswerda verfolgt hat, wird für die Überschrift wohl nur ein müdes
Lächeln übrig haben. Und trotzdem geht der Trend auch seitens der großen
Hersteller langsam, aber sicher, in Richtung der leisen, sauberen und
komfortablen elektrisch angetriebenen Omnibusse. Verschiedene Überlegungen
über die Art und Weise der Energiezufuhr münden dabei letzten Endes immer
wieder im einzigen marktreifen und technisch beherrschbaren System: dem
Oberleitungsbus, von Fachleuten wie Laien auch kurz O-Bus genannt. Es gibt
derzeit nur wenige ausgewiesene O-Bus Hersteller und gar keine Spezialisten
auf diesem Gebiet - mit einer Ausnahme: dem Skoda-Werk in Ostrov, im Norden
der Tschechischen Republik gelegen.
Bis 1959 wurden im Skoda-Werk Instandsetzungen für Bergwerkstechnik
vorgenommen, mit dem Auslaufen dieses Produktionszweiges wurde die
zuvor in Plzen (Pilsen) erfolgende
O-Bus-Produktion hierher verlagen. Bis Anfang der 90er
Jahre wurden jährlich bis zu 400 Fahrzeuge montiert. In den letzten
Jahren war ein starker Absatzrückgang zu verzeichnen, da die bisherigen
Abnehmer vor allem im Osten Europas trotz großem Interesse zunehmend unter
finanziellen Schwierigkeiten leiden.
|
Der O-Bus 14 TR, in Potsdam seit Januar abgestellt. Foto: Marc Heller |
|
Wird von den Skoda-Werken in Ostrov sowohl modernisiert als auch in einer modernen Version als Neubaufahrzeu geliefert - und beides zu sehr niedrigen Preisen. Foto: Ivo Köhler |
|
Diese Fahrzeuge gehören zur neuesten O-Bus-Generation: Hier auf der Teststrecke der Skoda-Werke der Standartwagen TR 21, unten auf dem Werksgelände der Gelenkwagen TR 22. Foto: Ivo Köhler |
|
Beide haben an der ersten und zweiten Tür einen Niederfluhreinstieg und sind auch mit Hilfsmotor für Strecken ohne Oberleitung lieferbar. Foto: Ivo Köhler |
|
Gegenwärtig stabilisiert sich die Lieferquote wieder etwas. Das Interesse
in den westlichen Ländern ist dagegen relativ gering, da die Fahrzeuge
trotz robuster Ausführung und moderaten Preisen bislang nicht dem üblichen
Standard in der Ausstattung entsprachen.
Um die Marktchancen zu verbessern, wurde eine neue O-Bus-Generation
entwickelt, die sowohl dem geforderten technischen Niveau als auch den
heutigen Fahrgastwünschen Rechnung trägt. Kürzlich wurden die Prototypen
eines 11,56 Meter langen Normalwagens (Typ 21 Tr) und eines 17,87 Meter
langen Gelenkwagens (Typ 22 Tr) vorgestellt. Auf Wunsch wird auch ein
Doppelgelenkwagen mit 23,9 Meter Länge geìiefert (Typ 23 Tr), dafür dürfte
sich aber keine passende Straße finden. Der dreitürige 21 Tr hat zwei
nieder- und einen mittelflurigen Einstieg, der 22 Tr in fünftürer (!)
Ausführung ebenfalls zwei niederflurige Zustiege. Der Rest ist mittelurig,
wobei Mittelflur relativ ist: Der Einstieghöhe von 360 mm an
den vorderen Einstiegen stehen 560 mm Fußbodenhöhe (über eine Stufe zu
erreichen) gegenüber. Der Einstieg ist also auch hier problemlos. An der
zweiten Tür kann auf Wunsch eine ausfahrbare Rollstuhlrampe installiert
werden.
Eine Mitfahrt auf der permanent mit 70 Promille ansteigenden, elf Kilometer
langen Teststrecke des Skoda-Werkes konnte von der Leistungsfähigkeit des
Busses überzeugen. Dieselbusse pflegen sich spätestens hier mit starken
Rußwolken bemerkbar zu machen. Der Gelenkbus besitzt zwei angetriebene
Achsen (bei westlichen Herstellern nicht zu haben), die zwei Motoren leisten
jeweils 120 Kilowatt. Durch die bessere Leistungsausnutzung im Vergleich mit
Verbrennungsmotoren lassen sich Fahrprogramme absolvieren, die keine andere
Busbauart aufweisen kann. Einige kleine Mängel fielen am Prototyp auf, die
sich gewiß noch abstellen lassen.
Das Fahrzeug ist mit seitlichen Schiebefenstern ausgerüstet, die in
Deutschland geforderten Klappfenster sind aber lieferbar. Für die
zahlreich vorhandenen Halteschlaufen im Innenraum sollte eine Möglichkeit
der Arretierung gefunden werden. Bei plötzlichen Bremsungen bekommt man als
Fahrgast unter Umständen sonst etwas viel Schwung. Der Platz für Kinderwagen
und Rollstühle gegenüber der Mitteltür ist etwas knapp, da unter einem
Podest noch das Kühlgebläse für den Fahrmotor untergebracht werden mußte.
Diese kleinen Kritikpunkte schmälern den guten Gesamteindruck des Fahrzeuges
keinesfalls, das auch für deutsche Betriebe (bestehende und auch künftige)
sowohl vom Preis als auch von der Ausstattung her interessant ist.
Neben den neuen Typen finden auch die überarbeiteten "Klassiker" 14 Tr
und 15 Tr (Gelenkbus) weiterhin Abnehmer. Der Preis dürfte kaum zu schlagen
sein, die Einstiegsverhältnisse sind bei einer Fußbodenhöhe von 750 mm
immer noch akzeptabel, für die Technik gilt: er läuft und läuft.
Für verschiedene Verkehrsbetriebe werden Überholungen und Modernisierungen
von 14 Tr vorgenommen. Neben einem sehr ansprechenden neuen Design fällt
der Einbau neuer Fahrgastinformationssysteme auf. Gegenwärtig laufen
Aufträge unter anderem für Kiew, Szeged, Zilina und
zahlreiche tschechische Betriebe. Und ein amerikanischer Kunde steht vor
der Tür. Dayton, USA, hat zunächst drei Wagen des Typs 15 Tr als
Probefahrzeuge bestellt, Interesse an weiteren Wagen besteht, eventuell
dann mit Innenausbau im eigenen Land. Für Neufahrzeuge stellen manche
tschechischen Betriebe die altgebrauchten Fahrmotore nebst Steuerung zur
Verfügung, die offenbar nicht kleinzukriegen sind. Man versuche das einmal
mit Dieselmotoren. Auch so können Kosten gesenkt werden: Einsatz langlebiger
und einfacher Komponenten.
Interessant dürfte der Umstand sein, daß trotz gewaltiger ökonomischer
Probleme (von unseren
Sorgen träumen die Tschechen höchstens) in vielen tschechischen Städten
auf die Erweiterung und die Neuanlage von O-Bus-Betrieben großes Augenmerk
gelegt wird. Lakonischer Kommentar des Werksleiters in Ostrov: für Ökologie
gibt es auch Geld. Schwerpunkt ist der durch Luftverschmutzung und
Waldsterben in die Schlagzeilen geratene nordböhmische Raum.
Die bestehenden Betriebe in Usti nad Labem und Teplice werden kontinuierlich
ausgebaut, in Chomutov entsteht ein komplettes Netz neu - ein Netz,
wohlgemerkt. "Kleinkram" lohnt sich betriebswirtschaftich nicht. Betreffs
der Umweltverträglichkeit von O-Bus-Systemen dürfte eine Aussage der tschechischen
Kollegen von Interesse sein: In Usti nad Labem war der O-Bus-Betrieb zwei
Tage wegen Arbeiten an einer Kreuzung stark eingeschränkt. Die Luftbelastung
durch Abgase stieg in diesem Bereich schlagartig um 60 Prozent an, was sich
vor allem im Elbtal enorm auswirkte. (In unseren Breiten werden die Abgase
ja so verteilt, daß alle etwas davon haben ...)
Bemerkung zum Schluß: Mit dem System sollten sich Verkehrsbetriebe
und Kommunen durchaus weiterhin auseinandersetzen. Die landesüblichen
Kosten für Fahrzeuge und Infrastrukturmaßnahmen lassen sich durch einen
Blick über die Grenzen auf ein gesundes Maß herabsetzen, das es erlaubt,
zum Beispiel die für Potsdam jüngst genannten Zahlen zur Wirtschaftlichkeit
des O-Bus-Betriebes wesentlich günstiger zu gestalten. Unter diesem
Gesichtspunkt müssen die Überlegungen zu ökologisch sinnvollen
Verkehrsmitteln neu überdacht werden. IGEB
|