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Den ersten Ausrutscher leistete sich
ausgerechnet der neue Regierende Bürgermeister persönlich. Walter Momper
protestierte gegen Bonner Kürzungen
bei den Subventionen für den Flugverkehr nach Berlin (West). Dieser Protest
stand in krassem Gegensatz zur Koalitionsvereinbarung in der es heißt: Der
Senat "wird Maßnahmen zum Abbau
der Wettbewerbsnachteile der Eisenbahn gegenüber dem Flugverkehr ergreifen."
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aus: die Tageszeitung, 8. April 1989 |
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Grünes Licht für Raserei?
Irritiert hat so manche Umweltschützer
ferner, daß es auch unter einem rot-grünen Senat noch Motorrennen auf
der Avus geben wird. Selbst wenn man
die vertraglichen Bindungen für 1989
notgedrungen akzeptiert, so hätte wenigstens eine klare Absage an jedes
weitere Rennen erfolgen müssen. Doch
weder die Umweltsenatorin Michaele
Schreyer noch der Sportstaatssekretär
Hans-Jürgen Kuhn (beide AL) äußerten sich zu dieser Frage eindeutig.
Mehr Mut bewies da der ansonsten bisher sehr zurückhaltende
SPD-Verkehrssenator Horst Wagner, der schon
kurzfristig die alltäglichen Autorennen
auf der Avus durch eine Begrenzung
der zulässigen Höchstgeschwindigkeit
auf 100 km/h beenden will. Daß dieses
begrüßenswerte und überfällige Vorhaben auf scharfen Protest des ADAC
stieß, verwundert sicher keinen.
BVG-Personalrat gegen Busspuren
Die ADAC-Proteste blieben natürlich
auch bei der Ankündigung von Busspuren auf dem Kurfürstendamm nicht
aus. Ein Lob verdient hier der BVG-Verkehrsdirektor Lorenzen, der sich
nicht nur für diese Busspuren, sondern
auch für Beschränkungen des Autoverkehrs, vor allem beim innerstädtischen
Stellplatzangebot, engagiert. Daß ausgerechnet in
dieser Phase der BVG-Personalrat seinem Verkehrsdirektor in
den Rücken fiel und die Busspuren auf
dem Kurfürstendamm in Frage stellte,
ist unbegreiflich und beweist erneut
daß der BVG-Personalrat nicht die Interessen der Fahrgäste vertreten kann.
Doch nicht nur die Tatsache, daß der
Personalratsvorsitzende Mehner für
Stellplätze und gegen Busspuren argumentierte, sondern auch die
unsachliche Begründung disqualifiziert ihn:
“Außerdem könnte jemand seine Frau
mal kurz aussteigen lassen, die in einen
Pelzwarenladen will." (Herr Mehner
zur “Tageszeitung", 8.4.89).
Während man die Politik des BVG-Personalrates natürlich nicht dem
neuen Senat vorwerfen kann, wurden die
(vergeblichen) Hoffnungen auf eine
schnelle Einführung der BVG-Umweltkarte vom Verkehrssenator persönlich
geweckt. Er hatte angeregt, diese übertragbare Netzkarte für nur DM 65,- im
Monat (im Abonnement DM 50,-)
schon ab Juni einzuführen. Doch nun
soll die Umweltkarte - zusammen mit
Angebotsverbesserungen - erst zum
Winterfahrplan kommen. Die IGEB
bedauert zwar die Verschiebung, doch
sie hat Verständnis dafür, zumal die
Koppelung von Tarifsenkungen mit einem besseren Verkehrsangebot eine
langjährige Forderung der IGEB ist.
Tarifsenkungen ohne attraktive Fahrpläne hätten mit Sicherheit nicht den
erhofften Erfolg gebracht.
Wie gehabt:
mehr Stellplätze und Radwege
Ergänzend dazu müssen natürlich vor
allem die Stellplätze in der Innenstadt
reduziert werden. Doch bis dahin ist es
noch ein weiter Weg. Stolz berichteten
die Charlottenburger Tiefbauer, daß
durch eine Veränderung des Aufstellwinkels auf dem Kurfürstendamm in
Nachbarschaft des U-Bf.s Adenauerplatz 44 neue Stellplätze geschaffen
werden sollen. Und auch der von SPD
und AL vereinbarte "grundsätzliche
Verzicht" auf den Radwegebau zulasten der Gehwege wird wohl noch oft
unterlaufen werden. Das Tiefbauamt
Schöneberg beginnt damit ausgerechnet
in Nachbarschaft des Rathauses Schöneberg: "... auf den Gehwegen
entstehen zusätzliche Radwege." (Der Tagesspiegel, 4.4.89). Und Tempelhof steht
nicht nach: "Zwar werden Radfahrwege
von vielen Radlervereinigungen inzwischen als zu eng, zu gefährlich und
damit überflüssig verteufelt, dennoch
führt das Tempelhofer Bauamt sein auf
einige Jahre konzipiertes Programm
zur Erweiterung des Radwegenetzes
weiter. Zwischen der Britzer Straße/Alt·Mariendorf und dem Dirschel- und
Dardanellenweg werden im April die
Bürgersteige auf beiden Seiten verkleinert, damit mehr Platz für Radler
geschaffen werden kann." (Berliner Morgenpost, 26.3.89).
Keine S-Bahn zum Olympiastadion
Daß wichtige Teile der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und AL bereits
an der für die Umsetzung verantwortlichen Verwaltung scheitern können, zeigte sich
auch bei der S-Bahn-Planung. Am 22. März hatte der verkehrspolitische Sprecher der AL,
Michael Cramer, den Verkehrssenator an
den Prüfauftrag für die kurzfristige Einrichtung eines S-Bahn-Sonderverkehres
auf der stillgelegten Strecke zum Olympiastadion erinnert.
Daraufhin schickte ihm die
Verwaltung als Begründung dafür, daß dieser Prüfauftrag nur negativ
beschieden werden könne, eine interne
Untersuchung vom 13. März 1987(!).
Demnach so ein kurzfristiger Sonderverkehr (z.B. zum Evangelischen Kirchentag
im Juni diesen Jahres) allein
schon wegen fehlender Züge nicht
möglich sein.
Die Verwaltungsrechnung von 1987
sieht folgendermaßen aus: Die Stromversorgung zwischen Westkreuz und
Olympiastadion begrenzt den S-Bahn-Verkehr auf einen 10-Minuten-Takt mit
3/4 Zügen (ein Viertel = zwei Wagen).
Das entspricht einer Kapazität von rund
6.000 Fagrgästen pro Stunde und Richtung. Um diese Züge zwischen
Olympiastadion und Lehrter Stadtbahnhof
verkehren zu lassen, würden sechs Umläufe, also 18 Viertelzüge (Vz), benötigt.
Beim Smog-Alarm (Anfang 1987)
konnten maximal 12 zusätzliche Vz eingesetzt werden. Also fehlen (18 minus
12) sechs Vz für den S-Bahn-Sonderverkehr.
Wenn die Verwaltung nun mit dieser
Rechnung von 1987 heute erneut den
Sonderverkehr ablehnt, ist das - vor-
sichtig formuliert - unseriös.
Erstens ist die heutige Situation nicht
mit 1987 vergleichbar. Am 1.1.87 standen insgesamt 103 einfatzbereite Vz
zur Verfügung (vgl..SIGNAL 7/87 ),
heute sind es nach Abschluß der Generalüberholung durch die Berliner
Industrie und einschließlich der vier neuen
Viertelzüge insgesamt 111, also acht
mehr, Außerdem wurde der betriebliche Mindestbedarf für die befahrenen
Linien S1, S2 und S3 inzwischen durch
die Einsparung von zwei Reservezügen
um vier Vz vermindert. Es stehen heute
also insgesamt zwölf einsatzbereite Vz
mehr zur Verfügung als beim Smog-Alarm Anfang 1987.
Zweitens ist es nicht notwendig, bis
Lehrter Stadtbahnhof zu fahren. Voraussichtlich ab 20. Mai werden die
Züge auch wieder am S-Bf. Zoo kehren
können. Dadurch wird mindestens ein
Umlauf beim Sonderverkehr eingespart, das entspricht drei Vz.
Drittens wäre es auch vorstellbar, mit
den sechs für den Sonderverkehr veranschlagten Umläufen von S-Bf.
Olympiastadion bis S-Bf. Friedrichstraße (statt
S-Bf. Lehrter Stadtbf.) zu fahren und
dann die von Wannsee kommenden
Züge im S-Bf. Zoo kehren zu lassen.
Damit entfiele die unter "zweitens" genannte Einsparung von drei Vz, aber
dafür könnten von den acht beim 10-Minuten-Takt auf der S3 erforderlichen
Umläufen (mit Halbügen) zwei eingespart werden. Es stünden also vier
zusätzliche Vz zur Verfügung.
Zwar hat die Verkehrsverwaltung recht,
wenn sie feststellt, daß die Leistungsfähigkeit der S-Bahn bei einem
Sofortbetrieb nicht den Erwartungen der Öffentlichkeit entspricht. Doch wer durch
einseitige, zweifelhafte Berechnungen
eine Diskussion über den Sinn des S-Bahn-Sonderverkehres offensichtlich
von vornherein unterbinden will, der
wird immer Gegenargumente finden.
Aber wenn der Zugang am S-Bf. Olympiastadion bei zu grogem Andrang
beschränkt würde (was ja beim U-Bahnhof Olympiastadion auch gelegentlich
getan wird), dann könnten 6.000 S-Bahn-Fahrgäste pro Stunde beim
Kirchentag oder anderen Großveranstaltungen durchaus U-Bahnen und Busse
entlasten. Und schon 1990 könnte nach
Auslieferung der neuen Züge und Verbesserung der Stromversorgung die
heutige Kapazität von 6.000 Fahrgästen
zumindest verdoppelt werden.
Doch für den Sommer 1989 sind die
Züge nun abgefahren, Die zur Herrichtung der Strecke erforderliche Zeit
reicht nicht mehr. Die Verwaltung hat
den neuen Verkehrssenator ein erstes
Mal "über den Tisch gezogen". Und sie
wird es beim 10-Minuten-Takt auf der
S2 nach Lichtenrade wohl ein zweites
Mal schaffen, wenn Senator Wagner
nicht sehr aufpaßt. Denn der Baufortschritt würde auf jeden Fall eine
Takt-Verdichtung zum 1.10.89 erlauben.
Doch ein einer Teil der BVG wehrt
sich ja bekanntlich standhaft gegen jede
Investition in die vorhandene, bewährte
Zugsicherungstechnik. Lieber läßt man
die Fahrgäste warten.
Rot-grüne Verkehrserzeuger
Doch nicht nur in der Verwaltung auch
bei den neuen rot-grünen Politikern ist
der Weg zu einer neuen Verkehrspolitik z.T. noch sehr weit. So will
Bausenator Wolfgang Nagel die neuen Wohnungen vor allem im Außenbereich
bauen statt in der Innenstadt (zB. auf
einigen der immer noch zahlreichen
großen Autoparkplätze). Stattdessen
sollen Grünflächen verbaut werden.
Außerdem würde durch Bauen am
Stadtrand die Verkehrserzeugung (statt
Vermeidung) ungebremst fortgesetzt,
denn wer weit draußen wohnt, hat in
der Regel längere Wege zurückzulegen.
Und auch die AL ist von der von ihr
propagierten "autofreien Stadt" noch
meilenweit entfernt, solange ihre Spitzenpolitiker mit den (viel zu großen)
Dienstwagen durch die Stadt fahren
und dafür dieselben Ausreden benutzen, wie ihre bürgerlichen Vorgänger.
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Paul Flora: Die mißglückte Jungfernfahrt. Aus: Das Dampfroß - 12 nostalgische Eisenbahnblätter, Galerie Edition Thomas Flora, Innsbruck (Die Berliner S-Bahn als Dampflok und die Berliner Verwaltung als Tunnel? Hoffentlich wird diese Zeichnung nicht zum Symbol für die S-Bahn-Bemühungen des neuen Senates) |
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M-Bahn am Ende?
Obwohl der bisherige CDU-Verkehrssenator Wronski 1988 die von ehemals
50 auf 152 Mio. DM gestiegenen Kosten für das M-Bahn-Versuchsprojekt
"auf keinen Fall" akzeptieren wollte,
stimmte der CDU/F.D.P.-Senat im
März 1989 einem weiteren öffentlichen
Zuschuß von 13,5 Mio. DM zu, da die
Gesamtkosten nun schon auf 160 Mio.
DM geschätzt wurden. Der neue SPD/AL-Senat hob diesen Beschluß am 11.
April entsprechend der Koalitionsvereinbarung wieder auf. Das dürfte dem
Senat umso leichter gefallen sein, als es
mit Sicherheit noch weitere Verteuerungen geben wird, ohne daß ein
erfolgreicher Abschluß gesichert wäre.
Hoffentlich bleibt der Senat auch dann
konsequent, wenn jetzt wieder mit Arbeitsplätzen und dem Schreckensbild
von Investitionsruinen gedroht wird.
Denn wenn die M·Bahn scheitert, dann
scheitert sie nicht an fehlender Unterstützung durch den neuen Senat, auch
nicht an den Folgen des Brandanschlages von 1987 und denen des Unfalles
von 1988, sondern an Systemfehlern.
Sie ist z.B. nicht so leise wie erhofft:
deswegen mußten zusätzliche Maßnahmen an der Strecke zum Schallschutz
erfolgen. Und sie fährt auch kaum
energiesparender, wenn man sie nicht
mit alten Schienenfahrzeugen, sondern
mit den modernsten in Leichtbauweise
mit Drehstromantrieb, Energierückgewinnung beim Bremsen, neuer
Steuerungstechnik usw. vergleicht. Deshalb
ist es nur konsequent, daß der neue
SPD/AL-Senat keine weiteren öffentlichen Mittel in dieses “Faß ohne Boden" stecken will. IGEB
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