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Keine weiße Weste

Die Busse und Bahnen der BVG werden nicht weiß, zumindest nicht jetzt. Wie erwartet (vgl. SIGNAL 7/89) hat die BVG diese und andere Maßnahmen zur Vereinheitlichung ihres Erscheinungsbildes zurückgestellt. Zu groß war der Unmut der Fahrgäste und der Mitarbeiter. Gescheitert ist die BVG jedoch nicht nur wegen eines z.T. schlechten Konzeptes, sondern vor allem wegen einer dilettantischen und zum Teil arroganten Umsetzungsstrategie (s. auch obenstehende Auszüge aus dem "Tagesspiegel” und den Leserbrief aus der Berliner Morgenpost). Deswegen, und nicht wegen seines Bemühens um eine “neue” BVG, hat der neue BVG-Direktor Lorenzen nicht nur die Auseinandersetzung um das Weiß, sondern zugleich seine "weiße Weste" verloren. Beispielhaft hierfür ist die Farbdiskussion (allein schon deshalb, weil sie von den wirklich wichtigen Neuerungen abgelenkt hat). Erst vor knapp zwei Jahren hatten bei einer öffentlichen Umfrage der BVG über 80% der 22.000 Teilnehmer für eine rot-gelbe S-Bahn gestimmt. Sie konnten danach erwarten, daß dieses eindeutige Votum auch beachtet wird. Doch jetzt sollten die Züge plötzlich weiß werden. Die Berliner fühlten sich "verarscht”. Hätte die Bevölkerung dagegen über das neue Erscheinungsbild frühzeitig mitreden können, wäre das nicht passiert, Immerhin hatte das beauftragte Design-Büro ja mehrere Varianten vorgestellt. Vielleicht hätte eine davon eine mehrheitliche Zustimmung erhalten, die alte Entscheidung für rot-gelb wäre damit korrigiert. Doch die Varianten sahen nur die oberen Herren der BVG, und sie allein entschieden dann, was gut für’s Volk sein müsse. Und zur Rechtfertigung schoben sie den Hinweis hinterher, daß das Konzept schließlich von einem Berliner Büro entwickelt worden sei. Als wenn es hier keine Dilettanten gäbe...

Dilettantische Umsetzungsstrategien haben in Berlin sogar eine besondere Tradition. Warum sonst scheiterte die BVG vor Jahren mit ihrer Busspur auf der Tauentzienstraße? Und warum gab es so viele Proteste gegen vernünftige Entscheidungen des neuen Verkehrssenators Wagner? Weil die Umsetzungsstrategie nicht stimmte. Daß der Senat das Tempo 100 auf der AVUS durchgesetzt hat, verdankt er doch nur dem noch größeren Dilettantismus seiner Gegner, die unter Führung des ADAC mit nervenaufreibenden Demonstrationsfahrten und ähnlichen Aktionen die Bevölkerung verärgert haben.

Daß man Neuerungen auch besser “verkaufen” und damit durchsetzen kann, als Senat und BVG es in Berlin tun, zeigt der Blick in die “Provinz", z.B, nach Kassel. Aus Kostengründen konnte der Reprint auf den Seiten 9 bis 16 dieses Heftes nicht farbig erfolgen, Doch auch so ist beeindruckend, was hier von Profis zusammengestellt wurde. Aber um Mißverständnissen vorzubeugen: die "neue" BVG muß nicht nur besser verkauft werden, sie muß auch besser werden. Wie heißt es doch in dem Tagesspiegel-Artikel so treffend: bei der BVG werde "Marketing” mit Werbung verwechselt.

IGEB

aus SIGNAL 8/1989 (September 1989), Seite 6

 

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