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Angesichts der derzeit ohnehin sehr
langen Reisezeiten im Eisenbahn·Transitverkehr zwischen Berlin und West-deutschland, die
im wesentlichen durch
die umfangreichen Gleisbauarbeiten in
der DDR verursacht werden, kommt
der Pünktlichkeit eine umso wichtigere
Rolle bei der Wahl des Verkehrsmittels
Eisenbahn zu. Verspätungen können
den Reisenden die Fahrt verleiden und
sie beim nächsten Mal zur Benutzung
eines anderen Verkehrsmittels veranlassen - dies insbesondere dann, wenn
der Anschlußzug verpaßt wurde und
eine mehrstündige Reisezeitverlängerung hinzunehmen ist. Ein besonderes
Ärgernis stellen dabei die Verspätungen dar, die nicht erst nach längerer
Fahrt, sondern bereits am Abgangsort
des Zuges entstehen. Da dies in Berlin
in den letzten Wochen immer häufiger
auftrat, beobachtete die IGEB eine
zeitlang stichprobenartig verschiedene
Transitzüge und ihre Verspätungen am
Bahnhof Zoo, wobei bis zu 5 Minuten
Verspätung noch als pünktlich gelten.
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Zugzielanzeiger im Bahnhof Berlin Zoologischer Garten. Verspätungen gehören seit einiger Zeit leider zum Alltag der Bahn. Die Reisenden können noch froh sein, wenn es - wie hier - nur 20 Minuten sind. Foto: M. Kempf |
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So gab es folgende Verspätungen bei
der Abfahrt im Bahnhof Zoo: Beim D
246 (Warschau - Köln) waren 39% der
beobachteten Züge verspätet, maximal
bis zu 35 Minuten. Nur der geringste
Teil (10 von 52 Zügen) führte auch die
planmäßige Wagengruppe aus Polen
mit sich. Der D 309 (Berlin - Regensburg - München) war zu 28% verspätet
(bis zu 35 Minuten), der D 344 (nach
Hoek van Holland) zu 88%, der D 346
(nach Köln) zu 89% (mit Verspätungen
teilweise über zwei Stunden, da dieser
Zug - unplanmäßig - meist die polnische Wagengruppe aus dem D 246 mitführte) und
der D 301 (Berlin - Nürnberg - München) zu 86%. Betrachtet
man die Verspätungen genauer, schneidet mit dem D 346 ausgerechnet der
Zug am schlechtesten ab, der hinsichtlich Fahrplanlage und Wagenmaterial
(DB-Intercity-Waagen und Speisewagen
bis Köln) das wo attraktivste Angebot
in der Relation Berlin - Köln darstellt.
Der häufigste Grund ist bei diesem Zug
die fast ständige Nachführung der verspäteten Wagengruppe von Warschau
aus dem D 246. Ihre Umstellung bzw.
ihr Erwarten am Berliner Hauptbahnhof nimmt soviel Zeit in Anspruch, daß
eine pünktliche Abfahrt am Bahnhof
Zoo bei der dortigen kurzen Aufenthaltszeit von 10 Minuten fast ausgeschlossen ist.
Hinzu kommt, daß in
Hannover die Wagenreihung so durcheinander gewürfelt ist, daß nur durch
vermehrtes Rangieren die Wagen ausgesondert werden können, die nicht die
vorgesehenen 200 km/h fahren können.
Das kostet wiederum Zeit. Außerdem
ist der nur 16 Minuten vor dem D 346
im Bahnhof Zoo erwartete D 1319 vom
Bahnhof Lichtenberg (Kurswagen aus
Skandinavien) auch verspätungsanfällig
und behindert so oft den D 346 an seiner pünktlichen Abfahrt. Ein anderes
Problem ist die knapp bemessene Wendezeit der Zuglok des D 346, die mit
dem auch manchmal verspäteten D 245
kommt. So kam es am 28. Juli zu der
Situation, daß nach verspätetem D 245
der D 346 den Bahnhof Zoo zu dem
Zeitpunkt verließ, als er eigentlich planmäßig am Einfahrtsignal in Helmstedt
sein sollte!
Im Vergleich zum D 346 ist D 246 als
relativ pünktlich zu bezeichnen, dies
aber auch nur deshalb, weil er seine
schon erwähnte Wagengruppe aus Polen und ihre Probleme dem D 346 fast
planmäßig überläßt. Aber an jenen Tagen, an denen die Wagengruppe relativ
pünktlich eintraf und so doch, vom D
246 mitgeführt wurde, so daß dieser allerdings dann meist etwas verspätet
fuhr, wirkte sich das fast immer auf den
folgenden D 309 aus.
Aber auch der D 344 erweist sich als
verspätungsanfällig. Als Problem vermutet die IGEB hier eine zu knapp
bemessene Lokwendezeit, die zuvor
den amerikanischen Militärzug nach
Lichterfelde West zieht und dann oft
dem Leerzug Lrv 1319 vom Bahnhof
Zoo nach Rummelsburg angehängt
wird. Die Verspätungen des D 301 basieren auf einer verspäteten Ankunft
des D 1321 (Skandinavienzug). Der Abstand beider Züge ist zu gering bemessen.
Insgesamt ist aber festzustellen, daß die
mangelnde Kapazität der Stadtbahn mit
ihrem Grenzbahnhof Friedrichstraße
und dem eingleisigen Abschnitt Friedrichstraße - Alexanderplatz für viele
Verspätungen mitverantwortlich ist,
zumindest für Folgeverspätungen, Linderung dieses Problems verspricht die
Verlegung der Grenzkontrolle in den
fahrenden Zug zwischen Friedrichstraße und Hauptbahnhof, zumindest teilweise. Auch der
Bau des von der IGEB
geforderten Abstellbahnhofs auf dem
Hamburg und Lehrter Bahnhof würde
die Engpässe Bahnhof Friedrichstraße
und Alexanderplatz beseitigen. Eine
besondere Aktualität gewinnt dieses
Thema angesichts der Tatsache, daß
dieses Areal, ebenso wie der Moabiter
Werder, Gegenstand intensiver Diskussionen hinsichtlich der zukünftigen Nutzung
sind (s. SIGNAL 6/89 ). Doch
wenn der neue Senat seine Ankündigungen zur Eisenbahnpolitik ernstgemeint hat, muß
die Stadtplanung den
Abstellbahnhof in Moabit berücksichtigen. Die gegenwärtigen Zustände zeigen dies
mehr als deutlich.
Eine andere sinnvolle Maßnahme wäre
die Trennun der von Polen nach Köln
durchgehenden Züge in Berlin. IGEB-Vorschlag: Den Ost-West-Expreß als
durchgehenden Nachtzug belassen, den
eine halbe Stunde früher fahrenden D
244/245 in Berlin in einen (pünktlichen) Ost- und West-Teil trennen. Die
bisher durchgehenden Wagen in diesem
Zug fahren mit dem Ost-West-Expreß.
Ebenso getrennt werden muß der schon
oben erwähnte D 246/247, da dieser
ebenfalls große Verspätungen und Unregelmäßigkeiten aus Polen nach Berlin
bringt. Relativ pünktlich fährt noch der
D 242/243, der deshalb als durchgehender Zug belassen werden kann.
Weitere kurzfristige Lösungen können
helfen, das Broblem zu lindern. Dazu
gehören die Änderung des Lokumlaufplans und die verbesserte Laufüberwachuntg der Züge,
damit auf Verspätungen frühzeitiger durch planmäßige Abahrt des in Berlin beginnenden Zugteils
reagiert werden kann. IGEB
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