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Aktuell
Reiseverkehr zwischen der DDR und der BRD bzw. Berlin (West)
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Wir begrüßen prinzipiell die Öffnung der Grenzen für alle DDR-Bürger als wichtigen Schritt zur
Achtung der Menschenrechte in unserem Land. Jedoch ist festzustellen, daß sich aus der
unzureichenden Vorbereitung der Maßnahmen eine Reihe von negativen Wirkungen ergeben, die
es schnell zu minimieren gilt. Dazu gehören neben ökonomischen Belastungen auch
Auswirkungen auf die Umwelt. So wurde in der DDR in der ersten Woche der neuen Regelung
die 1,7-fache Menge an Vergaserkraftstoff als üblich verkauft und mit Sicherheit auch verbraucht.
In grenznahen Regionen, insbesondere in Berlin, wurde speziell an den Wochenenden
11./12.11. und 18./19.11. in bisher nicht erlebter Weise deutlich, daß eine Politik, die de facto das
Auto als Personenverkehrsmittel favorisiert, in die Sackgasse führen muß. Einerseits kam es zu
Staus bisher ungekannten Ausmaßes an Grenzübergängen und in grenznahen Städten,
verbunden mit enormer Luftbelastung, andererseits zeigten sich die öffentlichen Verkehrsmittel
dem Ansturm in keiner Weise gewachsen. Wir fordern daher schnelle Maßnahmen zur
Erhöhung der Attraktivität des grenzüberschreitenden öfffentlichen Personenverkehrs. |
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- Einsatz zusätzlicher Reisezüge zwischen der DDR und der BRD bzw.
Westberlin. Dabei sollten auch die bisher vom Reiseverkehr weniger genutzten
Übergänge Marienborn - Helmstedt und Ellrich - Walkenried genutzt
werden. Züge nach Berlin (West) sollten, soweit das die Kapazität der dortigen
Fernbahnhöfe erlaubt, über Potsdam bzw. über Staaken direkt nach
Westberlin einfahren, um die Bahnhöfe
Schönefeld, Lichtenberg und Friedrichstraße zu entlasten. Der Wagenpark für
zusätzliche Züge in die BRD muß zu
einem weitaus größeren Teil als üblich
von der DB gestellt werden, da die DR
an ihrer Kapazitätsgrenze arbeitet. Ein
Verzicht auf finanzielle Verrechnung
wäre eine wirkungsvolle Hilfsmaßnahme.
- In Berlin-Mitte sind, soweit dies der
Bauzustand zuläßt, weitere Übergänge
zu den von der BVG betriebenen S-und U-Bahn-Stationen zu eröffnen, z.B.
am Potsdamer Platz, Stadtmitte, Alexanderplatz, Rosenthaler Platz usw.
- Von großer Bedeutung ist die Schließung von Lücken im Netz des ÖPNV:
- Anlage von S-Bahnsteigen auf beiden
Seiten des Grenzübergangs Bornholmer Straße,
- Verlängerung der U-Bahn-Linie 1 zum S-Bf. Warschauer Straße,
- Verlängerung der U-Bahn-Linie 7 zum Bahnhof und Flughafen Schönefeld,
- Verlängerung weiterer S-Bahn-Linien ins Umland mit Anschluß an vorhandene
Vorortbahnen (z.B. Potsdam, Hohen Neuendorf).
- Mittelfristig ist der Wiederaufbau zur
Zeit stillgelegter Strecken mit grenzüberschreitender Verlängerung erforderlich.
Beim gegenwärtigen Wiederaufbau des Südringes scheint es sinnvoll,
die Endstation nach Baumschulenweg
zu verlegen, da hier ein Bahnsteig dafür
freigemacht werden kann. Auch über
die anderen ehemals vorhandenen
durchgehenden S-Bahn-Verbindungen
sowie den U-Bahn-Abschnitt Otto-Grotewohl-Straße - Gleisdreieck ist nachzudenken.
Zur Entlastung der U-Bahn-Linie 7 und besseren Anbindung des
Flughafens Schönefeld scheint eine
neue S-Bahn-Strecke Tempelhof - Britz
- Schönefeld auf der ehemaligen Neukölln-Mittenwalder-Eisenbahn überlegenswert.
- Auch das Verlängern von Straßenbahnlinien zumindest bis zu wichtigen
Schnellbahnstationen ist in Betracht zu
ziehen, u.a. am Übergang Bornholmer
Straße.
- Der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs bringt nur dann Effekte im
Hinblick auf ein Stehenlassen des
Autos, wenn er für DDR-Bürger
schwinglich ist. Selbst beim Kurs von
1:1 kostet für eine vierköpfige Familie
ein Ausflug mit je einmaligem Umsteigen beim Preis von 2,70 bis 2,90 so viel,
wie eine Tankfüllung in der DDR. Eine
permanente Überflutung von Berlin
(West) mit Fahrzeugen aus der DDR
wäre die Folge. Wir schlagen vor, im
Zuge einer Neuordnung es Subventionssystems in der DDR zu überlegen,
daß ein Nulltarif für Straßenbahnen
und Busse im Nahverkehr, bei Beibehaltun des billigen Zonentarifs für
Schnellbahnen, als Investition möglich
ist. Dies gäbe auch den Verantwortlichen in der BRD und Berlin (West) die
Handhabe für Null- bzw. Billigsttarife
für DDR-Bürger.
- Im Verkehr zwischen der DDR und
der BRD gilt es vordringlich, weitere
und bessere Eisenbahnverbindungen
anzubieten. Dazu sind auch Lücken im
Eisenbahnnetz wieder zu schließen.
Zusätzliche direkte Transitverbindungen von Berlin (West) nach Lübeck,
Bremen und in den Harz könnten angeboten werden.
- Es gilt, ein Netz von Schnellzugstrecken zwischen der DDR bzw. Westberlin
und der BRD so auszubauen, daß generell eine höhere Reisegeschwindigkeit,
eine höhere Durchlaßfähigkeit und eine
größere Bequemlichkeit als gegenwärtig erreicht werden. Derartige Maßnahmen
tragen insgesamt zu einer Attraktivitätssteigerung der Bahn im Transitverkehr
und im Verkehr zwischen beiden deutschen Staaten bei. Sie kommen
aber auch den DDR-Bürgern im Binnenverkehr zugute. Nicht zuletzt werden so
auch Voraussetzungen für einen
erhöhten Warenaustausch über die
Schiene geschaffen. Nach unseren Auffassungen haben derartige in die Breite
gehende Maßnahmen Vorrang vor dem
ausbau einer Hochgeschwindigkeitstrasse, die den Bürgern der DDR nicht
und den Bürgern der BRD und Westberlins nur in einer Richtung zugute
kommt.
Folgende Strecken sind besonders bedeutsam:
Stralsund - Lübeck, Berlin - Hamburg,
Berlin - Magdeburg - Braunschweig -
Hannover, Berlin - Erfurt - Frankfurt
am Main, Berlin - Halle - Jena - Nürnberg, Berlin - Leipzig - Plauen - München,
Dresden - Leipzig - Halle - Hannover, Cottbus - Leipzig - Erfurt -
Frankfurt am Main, Görlitz - Dresden -
Plauen - Nürnberg.
Dabei ist zu bedenken, ob zur Entlastung wichtiger, z.T. überlasteter Magistralen parallele
Strecken ausgebaut
werden, z.B.: Berlin - Belzig - Sangerhausen - Erfurt (Entlastung für Berlin -
Halle - Erfurt), Berlin - Halberstadt -
Hannover (Entlastung für Halle - Magdeburg - Hannover). Diese Entlastungsstrecken
würden zugleich effektives Bauen ohne Einschränkungen auf
dem vorhandenen Hauptnetz und dessen nachfolgende Rekonstruktion ermöglichen.
- Aufgrund des erweiterten Angebotes
an dirketen Übergängen zum ÖPNV im
Berliner Zentrum (siehe 2.) und der
Überlastung des Straßennetzes sind die
Kapazitäten der Übergänge für Pkws
nicht mehr zu erweitern. Neue Übergänge, wie möglicherweise am Brandenburger Tor, sollten
Fußgängem und
Radfahrern vorbehalten bleiben.
- Es wäre zu prüfen, ob der zentral
gelegene Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße wirklich der geeignetste für
den Lkw-Verkehr ist. in Abhängigkeit
von den Fahrzeugstandorten in Berlin-Johannisthal und Berlin-Buchholz sowie den
konkreten Güterströmen sind
ggf. andere Übergänge für den Lkw-Verkehr zu öffnen.
- Wir wenden uns gegen Pläne zum
Ausbau des Stadtautobahnnetzes in
Richtung DDR-Territorium. Dies gilt
insbesondere für Überlegungen, den
südlichen Ring in Richtung Treptow
auszubauen. Das Projekt für den neuen
Autobahnzubringer im Raum Großbeeren (Übergang Schichauweg) ist vorläufig einzustellen.
Der Weiterbau darf
erst nach einer Analyse unter den neuen Bedingungen erfolgen. Dabei ist die
mögliche Nutzung anderer Übergänge
im Zuge vorhandener Straßen (z. B.
F96, F101, F2) zu bedenken, die für den
Transitverkehr freizugeben wären.
Hierbei ist auch die Verbesserung des
Eisenbahntransits (siehe 7, und 8.) zu
berücksichtigen. Eine Öffnung aller
Grenzübergänge für den Transitverkehr, insbesondere der innerstädtischen
sowie der Glienicker Brücke, lehnen
wir wegen der unnötigen Mehrbelastung städtischer Bereiche ab.
- Wir wenden uns entschieden gegen
Pläne zum Ausbau des Berliner Raumes zu einem europäischen Luftverkehrsknoten.
Wir sehen die Gefahr,
daß eine Erweiterung der Flughafenkapazität außerhalb der Stadt nicht die
von uns gewünschte Entlastung des innerstädtischen Flughafens Tegel, sondern eine
nennenswerte Erweiterung
des Flugverkehrs im Berliner Raum
durch Umverlagerung transkontinentaler Flüge aus dem überlasteten westeuropäischen
Luftraum bewirken würde.
Unter diesem Aspekt ist das Projekt eines neuen Großflughafens am Rande
Berlins gründlich zu prüfen. Vorrangige
Ziele müssen die Verbesserung des Eisenbahntransits, die bessere Anbindung
des Flughafens Schönefeld und die optimale Nutzung der dortigen Möglichkeiten und
technischen Maßnahmen zur
Reduzierung der Belastungen sein.
Intensive Zusammenarbeit sowie finanzielle oder materielle Zuwendungen zur
Verbesserung der Umweltschutz-, Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur sollten
beispielgebend sein für eine
ernst gemeinte Zusammenarbeit im europäischen Haus, die nicht auf Ausdehnung von
Einfluß und Macht orientiert ist.
Die nebenstehende Stellungnahme
wurde in den ersten Dezembertagen
des vergangenen Jahres verfaßt. Einige Vorschläge sind inzwischen realisiert,
z.B. die Öffnung des U-Bahnhofes Rosenthaler Platz auf der U8 als
Grenzübergang, die Öffnung des
Brandenburger Tores und erste Direktzüge aus der DDR nach West-Berlin
(s. SIGNAL 10/89 ). Dennoch
hielten wir den Forderungskatalog für
so interessant, auch als zeitgeschichtliches Dokument, daß wir ihn ungekürzt dokumentiert
haben. Viele Vorschläge entsprechen denen der IGEB
vom 9. November. Abweichende Positionen gibt es bei den U-Bahn- und
den Tarif-Wünschen: Die IGEB ist
gegen eine Verlängerung der U7 über
Rudow hinaus und fordert stattdessen
die S-Bahn, und die IGEB war noch
nie für den Nulltarif Denn es gibt
noch umweltfreundlichere Verkehrsarten als Bahnen und Busse: Radfahren und Zu-Fuß-Gehen.
Deshalb
müssen diese stets billiger sein als der
ÖV, was beim Nulltarif nicht möglich
ist.
Grüne Partei der DDR, Bezirksverband Berlin
Grüne Liga, Bezirksarbeitskreis Verkehrsökologie
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