“Vordringliches Ausbauziel ist die Wiederinbetriebnahme des S-Bahn-Ringes
..., verknüpft mit der Inbetriebnahme
der Radialstrecke nach Lichterfelde
Süd S6 [und] nach Rathaus Spandau (S5)." Das alles soll bis 1994 geschehen.
So jedenfalls steht es in der
Koalitionsvereinbarung von SPD und
AL. Um dieses zu erreichen, wurden
die jährlichen Mittel für den S- und U-Bahn-Bau von 170 Mio auf 340 Mio
DM verdoppelt.
Inzwischen wurden jedoch vom Senat
immer wieder spätere Inbetriebnahme-Termine genannt, zuletzt 1992/94 für
den Südring, 1994/95 für die S6, 1996
für den Nordring und gar keiner mehr
für die S5. Mit jeder neuen Verzögerung gibt es Diskussionen über die Ursachen: zu viel
Abbruch und Neubau,
zu aufwendige Neubauten, zu hohe
Baupreise, im Eisenbahnbau unerfahrene Verwaltung usw. Ein Gutachten von
Prof. Endmann, Präsident der Bundesbahndirektion Köln, über die Berliner
Ausbauplanung für den stilliegenden S-Bahn-Südring bestätigte, daß alle diese
Vermutungen zumindest teilweise zutreffen. Doch sie alle können im Verhältnis zur
Hauptursache fast als geringfügig bezeichnet werden.
Die wichtigste Ursache für die schleppende Wiederinbetriebnahme stilliegender
S-Bahn-Strecken ist die falsche
Verteilung der zur Verfügung stehenden Millionen. Die von SPD und AL
zusätzlich bereitgestellten 170 Mio DM
werden einfach nicht dafür ausgegeben,
wofür sie gedacht waren. Fast die Hälfte der zusätzlichen Mittel soll 1990 für
die schon befahrenen 71 S-Bahn-Kilometer und den U-Bahn-Neubau ausgegeben
werden und nicht - wie gedacht -
vollständig für die Wiederinbetriebnahme der stilliegenden S-Bahn-Strecken.
Und der Verkehrssenator, der für einen
bestimmungsgemäßen Einsatz der Mittel sorgen müßte, weiß davon nichts
oder unternimmt nichts.
Zur Erinnerung: Unter dem CDU/F.D.P.-Senat konnten jährlich ca. 170
Mio DM bei S- und U-Bahn "verbaut"
werden. Politische Vorgabe war, daß 60
Mio davon den U-Bahn-Neubau
und der "Rest" von 110 Mio DM
die Sanierung und Modernisierung der
schon befahrenen 71 S-Bahn-Kilometer
ausgegeben werden. Mit der Verdopplung der jährlichen Mittel ab 1989 schufen die neuen
Regierungsparteien SPD
und AL die Möglichkeit, daß die Modernisierung des befahrenen S-Bahn-Netzes und der
U-Bahn-Neubau entsprechend der Planung aus der CDU/F.D.P.-Zeit kontinuierlich fortgesetzt
werden konnten und dennoch 170 Mio
DM jährlich für eine zügige Wiederinbetriebnahme der stilliegenden S-Bahn-Strecken
zur Verfügung standen.
Doch was geschah? Die Verwaltung reservierte sich fast die Hälfte der zusätzlichen
Mittel für zusätzliche Maßnahmen im 71-km-Netz und für den U-Bahn-Neubau.
172 Mio DM (statt rund
110 Mio) sollen 1990 für Maßnahmen
im befahrenen 71-km-Netz, 80 Mio DM
(statt 60 Mio) für den U-Bahn-Neubau
in Reinickendorf (U8-Nord) und nur 95
Mio DM (statt 170 Mio) für Arbeiten
zur Wiederinbetriebnahme stilliegender
S-Bahn-Strecken ausgegeben werden
(89 Mio für den Südring und lächerliche 6 Mio für die S-Bahn nach Lichterfelde Süd).
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Abgebaute Brücken über die Leonorenstraße am S-Bf. Lankwitz. Bis 1994 wollen die Senatsplaner die Lankwitzer warten lassen, bis hier wieder S-Bahnen fahren. Foto: REMA |
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Begründet werden diese eindeutigen
und erheblichen Abweichungen von
den politischen Vorgaben natürlich wieder mit Sachzwängen und der Verkehrssicherungspflicht.
Doch diese
Ausrede ist wenig glaubwürdig, denn
unter einem CDU/F.D.P.-Senat hätte
die Verwaltung mit den jährlich 170
Mio DM auskommen müssen. Im Falle
von zusätzlichen, nicht erwarteten Kosten hätten halt die eine oder andere
Maßnahme im 71-km-Netz oder der U-Bahn-Neubau gestreckt werden müssen.
Doch nun, da insgesamt mehr Geld
zur Verfügung steht, wird einfach die
Hälfte der für die Wiederinbetriebnahme vorgesehenen Mittel in das 71-km-Netz
bzw. den U-Bahn-Bau “umgeleitet". Damit werden natürlich auch die
entsprechenden Planungs- und Baukapazitäten gebunden und stehen nicht
mehr für die S-Bahn-Wiederinbetriebnahme zur Verfügung. Die Öffentlichkeit
wundert sich derweil, warum
die Wiederinbetriebnahme der S-Bahn
in Berlin so langsam vorangeht und
wird mit Nebensächlichkeiten (hier die
Einsparung einer Weiche für 100.000
DM, dort die Zurückstellung eines
Fahrtreppeneinbaus für 500.000 DM)
von den eigentlichen Ursachen abgelenkt.
Würden die jährlich 170 Mio DM in
dieser Legislaturperiode von 1989 bis
1992 bestimmungsgemäß nur für die
Wiederinbetriebnahme stilliegender S-Bahn-Strecken eingesetzt, so könnten
selbst bei aufwendigen Arbeiten für 30
Mio DM je Kilometer nach den vier
Jahren 23 km S-Bahn-Strecke wieder
befahren werden, mehr als der Nord-und Südring zusammen. Tatsächlich
aber sehen die derzeitigen Senatspläne
vor, bis zum Ende der Legislaturperiode nur eine knapp 9 km lange Teilstrecke auf dem
Südring (Westend - Schöneberg) fertigzustellen.
Die IGEB fordert deshalb den Senat
auf, die Ausgabenplanung für 1990
noch entscheidend zu korrigieren und
ab 1991 einen bestimmungsgemäßen
Einsatz der zusätzlichen 170 Mio DM
ausschließlich für die S-Bahn-Wiederinbetriebnahme sicherzustellen. Die unerfreulichen
Vorkommnisse zeigen, daß
es nicht ausreicht, wenn SPD und AL in
bester Absicht mehr Gelder bereitstellen, sie müssen auch deren Verwendung kontrollieren.
Und sie müssen
endlich den ursprünglich für Herbst
1989 angekündigten und bis heute nicht
vorliegenden Senatsbeschluß zum S- und U-Bahn-Bau zustande bringen.
Denn eine Koalitionsvereinbarung ist
für die Verwaltung nicht bindend, deshalb konnte sie die Mittel so eigenmächtig
umverteilen. Ein Senatsbeschluß im Sinne der Koalitionsvereinbarung dagegen
würde die Verwaltung
zum bestimmungsgemäßen Mitteleinsatz verpflichten.
IGEB
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