Nahverkehr

Oberbaumbrücke

Beantwortung der mündlichen Anfrage des Abgeordneten Michael Cramer (Bündnis 90/Grüne) über "die Möglichkeit der sofortigen Wiederherstellung der Straßenbahn auf der Oberbaumbrücke":

1. Warum ist für die Wiederherstellung der Kfz-Fahrspuren auf der Oberbaumbrücke kein Planfestellungsverfahren notwendig, obwohl die Brücke seit Kriegsende für den Kfz-Verkehr gesperrt war und zudem jetzt breitere Fahrspuren als damals vorgesehen sind?

Für Stadtstraßen einschließlich der Brücken sind grundsätzlich keine Planfeststellungsverfahren erforderlich. Die planrechtlichen Grundlagen bilden hier die Bebauungspläne. Im Bebauungsplan werden die Straßenflächen festgesetzt; die Einteilung der Straße ist nicht Gegenstand des Bebauungsplanes.

2. Warum ist für die Wiederherstellung der Straßenbahngleise und der Oberleitung in der Warschauer Straße und auf der Oberbaumbrücke ein Planfeststellungsverfahren notwendig, obwohl der Rückbau der Straßenbahn am 13.8.1961 bis zur Revaler Straße einzig und allein durch den Bau der Mauer beding war und die Gleise niemals entwidmet wurden?

Im westlichen Teil der Stadt sind aufgrund des politischen Willens, die Straßenbahn aufzugeben, die Straßenbahnanlagen bis auf unbedeutende Rest abgebaut. Die Anlagen sind daher aufgrund des Willensaktes des Eigentümers entwidmet. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man diesen Willensakt auch für den östlichen Teilabschnitt im ehemaligen Grenzbereich annehmen. Die endgültige Klärung dieser Frage wäre jedoch für den Zeitbedarf eines Planfeststellungsverfahrens ohne Bedeutung, da für den Bau eines Straßenbahnabschnittes westlich der Oberbaumbrücke, der wegen des Netzzusammenhanges erforderlich wäre, wegen der erfolgten Entwidmung auf jeden Fall ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müßte. (LPD vom 4.12.1991)

***

(IGEB) Dank klagender Eigentümer wurde am Fall Lichtenrade gerichtlich geklärt, daß für den Wiederaufbau der durch den Mauerbau stillgelegten S-Bahn-Strecken kein neues Planfeststellungsverfahren erforderlich ist. Anstatt dies als Chance zu begreifen, analog dazu auch Straßenbahnstrecken schnell wiederaufzubauen, fand Verkehrssenator Haase eine haarsträubende Begründung, warum bei der Tram alles ganz anders ist: die grenzbedingten Stillegungen waren ein "Willensakt des Eigentümers"!?? Wie abgestumpft muß ein Senator sein, der seinen Ost-Berliner Mitbürgern dieses zumutet, und wie dumm muß ein Leser sein, um den Unterschied zur Rechtslage bei der S-Bahn zu verstehen? Und warum soll die Klärung dieser Frage ohne Bedeutung sein? Selbst wenn bei vorsichtiger Rechtsauslegung nur die Wiederherstellung der Straßenbahnabschnitte auf Ost-Berliner Gebiet ohne Planfeststellungsverfahren möglich ist, wäre die Senatsverwaltung erheblich entlastet. Und es könnte hier schon 1992 mit den Bauarbeiten begonnen werden!

Doch offensichtlich geht es um etwas ganz anderes: Senator Haase will seinen vierspurigen innerstädtischen Straßenring nicht durch eine Straßenbahn auf der Oberbaumbrücke gefährden, und da ist ihm jedes Mittel zur Blockade der Tram recht. Übersehen hat er bei seiner eigenwilligen Rechtsinterpretation, daß diese dann auch für die Straße gelten muß, denn es war auch ein Willensakt des Eigentümers der Oberbaumbrücke, daß hier nie mehr Autos fahren sollten. Doch selbst wenn Herr Haase dieses mit zu erwartender Inkonsequenz verneint, so ist die Herstellung eines innerstädtischen Hauptverkehrstraßenringes zweifelohne eine wesentliche Funktionsänderung für die zur Oberbaumbrücke führenden und in die Ringplanung einbezogenen Straßen. Und damit greift natürlich auch die Verkehrslärmschutzverordnung, die für allgemeine Wohngebiete die Einhaltung der Beurteilungspegel von 59 db(A) tags und 49 db(A) nachts vorschreibt. Deshalb werden auf Kreuzberger Seite z.Z. Anwohnerklagen vorbereitet, die hoffentlich ein wenig Licht in den ganzen Vorgang bringen.

Herwig Haase
Senator für Verkehr und Betriebe

aus SIGNAL 1/1992 (Februar 1992), Seite 8-9

 

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