Bei der Bemessung der neuen Fahrzeiten ist
die BVG jedoch weit über das Ziel hinausgeschossen:
Viele Buslinien haben nun im
Fahrplan eine völlig überdimensionierte
Fahrzeit (denn der Anteil der Barzahler ist
in Ost-Berlin erfreulich gering), was selbst
im Berufsverkehr dazu führt, daß Busse trödeln
oder die Fahrer die Fahrgäste durch
ausschließliches Öffnen der Vordertür schikanieren
(siehe SIGNAL 1/92 ). Obwohl
der jetzt wieder mögliche Erwerb von Einzelfahrscheinen
im Bus zweifelsohne postitiv
zu bewerten ist, hat die BVG durch die
völlig überzogenen Fahrzeitverlängerungen
den Ost-Berliner Busverkehr noch unattraktiver
und zugleich auch unwirtschaftlicher
gemacht. Denn als Folge der unnötigen
Fahrzeitverlängerungen sind ein wesentlich
höherer Personal- und Wageneinsatz nötig,
was teilweise schon zum 2. Januar zu einem
reduzierten Verkehrsangebot in vielen
Stadtteilen führte.
So erfolgten auch die Fahrwegänderungen
auf insgesamt 16 Buslinien zum 2. Januar
primär unter dem Gesichtspunkt der Einsparungen
im Verkehrsangebot. Besonders betroffen war das
Treptower Netz. Auf vier der fünf
Buslinien, die das nördliche Treptow
bedienen, gab es zum Teil gravierende,
teils positive, teil negative Veränderungen.
Die Linie 165 (Karl-Kunger-Straße - Oberspree)
fährt jetzt auch im Spätverkehr; auf
dem Abschnitt vom Bahnhof Schöneweide
bis Oberspree konnte deshalb die Bedienung
durch die Linie 265 in den Abendstunden
entfallen. Diese beiden Buslinien haben
nunmehr in der gesamten Betriebszeit einheitliche
Endstellen, womit wenigstens in
diesem einen Fall das Angebot überschaubarer
wurde. Der 166er fährt im Norden
nun nicht mehr bis zur Karl-Kunger-Straße,
sondern als Ringlinie um den Treptower
Park und gleich in südlicher Richtung zurück,
jetzt jedoch über Eichbuschallee, Kiefholzstraße
und Südostallee statt über
Schnellerstraße. Dadurch verschlechtert
sich im Norden die Anbindung des dicht besiedelten
Wohngebietes um die Karl-Kunger-Straße.
Bisher ergänzten sich hier die
Linien 165 und 166 tagsüber zum fahrgastfreundlichen
10-Minuten-Takt. Da die seit
dem 5. Oktober 1991 auf 20 Minuten verdichtete
Linie 164 von Karl-Kunger-Straße
zum Rathaus Treptow nach wie vor nur
montags bis freitags sowie sonnabends bis
gegen 15 Uhr verkehrt, bleibt den Fahrgästen
von und zur Karl-Kunger-Straße ab
Sonnabendnachmittag bis Sonntagabend
nur noch die Linie 165 mit ihrem 20-Minuten-Takt.
Sportliche Fahrgäste können alternativ
zur Linie 167 laufen.
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Foto: K. Kotzur |
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Dieser Bus der Linie 167, fotografiert in der Neuköllner Erkstraße, fahrt bis Köpenick, Müggelschlößchenweg. Doch vor 7 und nach 19 Uhr (und nicht erst nach 20 Uhr, wie in "BVG aktuell 12/91" gemeldet) rührt der 167er nur bis Schöneweide oder gar nur Treptower Park. Es wird höchste Zeit, daß die fahrgastfeindliche Unsitte mehrfach wechselnder Endstellen, die im HVB-Busnetz sehr verbreitet war. endlich abgeschafft wird. Rechts: Bus 168 an der Endstelle in Köpenick. Die HVZ-Fahrten vom S-Bf. Köpenick zum S-Bf. Kaulsdorf wurden zum 2.1.92 gestrichen - eine von vielen Fahrplaneinschränkungen im Ost-Berliner Busnetz. Foto: K. Kotzur |
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Hinsichtlich der Busbedienung in Johannisthal-Süd
ist zu kritisieren, daß - neben Adlershof
- nur noch der nächstgelegene Bf.
Schöneweide umsteigefrei erreicht werden
kann, weil die Linie 166 dort entfallen ist;
die Busse fahren stattdessen zum Groß-Berliner
Damm. Die für Johannisthal-Süd neu
eingerichtete Ringlinie 365 endet stets am
Bf. Schöneweide, ebenso die von Schönefeld
kommende Linie 260.
Von den Fahrgästen gut angenommen wurde
die neue Linie 167. Diese fährt, vom UBf.
Boddinstraße kommend, nunmehr geradlinig
über Köpenicker Landstraße,
Schnellerstraße (statt Eichbuschallee,
Kieferholzstraße, Südostallee), Oberspreestraße
Müggelheimer Straße und Salvador-Allende-Straße
bis zum Müggelschlößchenweg in
Köpenick. Hier werden neue umsteigefreie
Direktverbindungen von Köpenick nach
Treptow und Neukölln angeboten, die z.Z.
weder von der Tram noch von der S-Bahn
gleichwertig zu erhalten sind.
Einmalig im Berliner Verkehrsnetz sind jedoch
die permanent wechselnden südlichen
Endstellen der Buslinie 167. Im morgendlichen
Berufsverkehr (!) entfällt der Abschnitt
Schöneweide - Köpenick, abends ist
dann bereits am S-Bf. Treptower Park Endstation,
und am Wochenende wechselt die
Bedienung der Abschnitte noch häufiger.
Das Ost-Berliner Bus- (und auch Tram-)Liniennetz
weist ohnehin schon eine Vielzahl
von Linien auf, die nur zu bestimmten Tageszeiten
bzw. zeitweilig nur auf bestimmten
Abschnitten verkehren. Im Interesse eines
überschaubaren Verkehrsangebot müssen
diese Betriebsweisen auf ein Minimum
reduziert werden und nicht, wie im Fall der
Buslinie 167 geschehen, noch komplizierter
gestaltet werden.
Völlig verfehlt ist beim 167er außerdem das
Angebot eines 20-Minuten-Taktes. Die Linie
ist so stark frequentiert, daß die Bedienung
mit Standard-Eindeckbussen eigentlich
ausscheiden sollte: 'schnürsenkelbreite'
Stehplätze im Businneren sind die Folge.
Dagegen fahren - die nicht im Fahrplan ausgewiesenen
- Einsetzer von Treptower Park
nach Neukölln zum Teil nur schwach besetzt
spazieren. Diese Einsetzfahrten müssen
bedarfsgerecht bis Schöneweide bzw.
Köpenick verlängert werden.
Glücklicherweise als Ente erwies sich die in
"BVG aktuell 12/91" veröffentlichte Meldung,
daß die Linie 160 zwischen Altglienikke,
Kirche und Falkenhöhe im Spätverkehr
und an Wochenenden morgens entfallen
würde. Tatsächlich fiel die Linie 160 zu den
betreffenden Zeiten zwischen Rudower
Chaussee und Altglienicke, Kirche weg.
Dieser Abschnitt wird aber durch die Linie
260 weiterhin bedient. Zugleich wurde die
Linie 260 nunmehr auch an den Wochenenden
durchgehend auf einen 20-Minuten-Takt verdichtet
(bisher nur alle 30 Minuten).
Damit besteht jetzt im gesamten Ortsteil
Johannisthal ein Mindestangebot von 20
Minuten - mit verbesserten Umsteigemöglichkeiten
zur Straßenbahnlinie 84 und zur
S-Bahn am S-Bf. Adlershof.
Auch in Köpenick gibt es Verbesserungen,
aber die Angebotsverschlechterungen überwiegen
auch hier. So entfielen zwischen S-Bf.
Kaulsdorf und S-Bf. Köpenick die bisherigen
Fahrten der Linie 168 in der Hauptverkehrszeit;
für diese Relation blieb nur
noch der 169er übrig. Anstelle der hier aufgegebenen
Linie 168 wird die südliche
Raulsdorfer Straße nunmehr von der umverlegten
Linie 269 vom Müggelschlößchenweg
zum U-Bf. Elsterwerdaer Platz befahren;
in der Gehsener Straße entfiel diese
Linie dementsprechend ersatzlos. Vom S-Bf.
Köpenick zum Müggelschlößchenweg
fährt die Linie 269 inzwischen montags bis
freitags von 5 bis 19 Uhr sowie mit Einzelfahrten
zwischen 21 und 22 Uhr. Bisher verkehrte
diese Buslinie auch auf diesem Abschnitt
nur in der Hauptverkehrszeit - eine
Angebotsverbesserung, auf die in "BVG aktuell
12/91" nicht hingewiesen wurde.
Weitere Verschlechterungen in anderen
Stadtteilen in Kürze:
- Eingestellt wurde die "Krankenhauslinie"
392 (S-Bf. Biesdorf - Wilhelm-Griesinger-Krankenhaus).
Die BVG empfiehlt die Benutzung
der Linie 190 und 299 über den U-Bf.
Elsterwerdaer Platz. Für die mit der S-Bahn
anreisenden Fahrgäste wird damit zusätzliches
Umsteigen "angeboten".
- Die bisher montags bis freitags verkehrende
Linie Linie 298 (Ringlinie S-Bahnhof
Mahlsdorf) wird von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr
nicht mehr bedient. Als Busersatz werden in
dieser Zeit Fußwege geboten.
- Auch die Linie 198 vom U-Bf. Elsterwerdaer
Platz bis zum S-Bf. Mahlsdorf wurde
weitgehend auf "Fußwegbedienung" umgestellt.
Sie fährt fast nur noch im Berufsverkehr.
- In Buch, Blankenburg und Wilhelmsruh
wurden Ausdünnungen im Spätverkehr
durch Wegfall von je einer Buslinie (158
bzw. 255) vorgenommen.
Diesen umfassenden Veränderungen durchaus
angemessen kündigte die BVG in
"BVG aktuell 12/91" an: "Die genauen
Fahrpläne werden in einem Nachtrag zum
Kursbuch veröffentlicht, der aber erst Ende
Januar erscheint". Doch - wie berichtet - ist
dieser Nachtragsfahrplan plötzlich entfallen.
Also ist wieder einmal das schon geübte
Abschreiben der Fahrpläne an den Haltestellen
angesagt - bei winterlichen Temperaturen
ein besonderes Vergnügen.
Fazit
Trotz einiger Lichtblicke sind die Linienänderungen
zum 2. Januar 1992 insgesamt als
fahrgastfeindlicher Abbau von Busbedienungen
zu charaktersieren. Die getroffenen
Maßnahmen sind ein weiteres Resultat der
vom derzeitigen Berliner Senat verordneten
Einsparungen. Auf niedrige Fahrgastzahlen
überwiegend mit Linieneinstellungen und
weniger Fahrten zu reagieren, ist jedoch
perspektivlos. Bei einer Fortsetzung dieser
Art "Sparpolitik" wird einer wachsenden
Zahl von Menschen der Zugang zu den öffentlichen
Verkehrsmitteln erschwert. Wenn
die nächste Haltestelle kilometerweit entfernt
ist und immer seltener bedient wird,
verlieren die öffentlichen Verkehrsmittel
insgesamt an Ausstrahlung, und es drohen
weitere Fahrgastverluste im noch betriebenen
Busnetz.
Deswegen ist es auch falsch, Fahrgastzahlen
einzelner Linien isoliert zu betrachten und
dabei das ÖPNV-Gesamtnetz aus dem Blick
zu verlieren. Vielmehr muß ein schlüssiges
Gesamtkonzept für den Busverkehr im Berliner
Raum entwickelt werden, wobei für
West-Berlin noch immer das "Busnetz '90"
als Grundlage geeignet ist. In diesem Zusammenhang
wäre die Einstellung von an
den Fahrgastbedürfnissen vorbeifahrenden
Buslinien durchaus denkbar - bei gleichzeitiger
Verbesserung des Gesamtangebotes. IGEB
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