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Sehr geehrter Herr Cramer, vielen Dank für Ihren
Text zum Lehrter Zentralbahnhof. Ich teile
Ihre Einwände gegen dieses Projekt. Nach meiner
Einschätzung ist bei der Finanzlage der Bundesbahn,
des Bundes und Berlins nicht damit zu
rechnen, daß dieses Projekt ausgeführt wird. Ich
favorisiere eine Ringlösung mit einem schrittweisen
Ausbau an verschiedenen Stellen. Eine solche
Lösung wäre auch finanziell leichter zu verkraften.
Soweit um Fernbahntunnel und zum
Lehrter Zentralbahnhof.
Ich halte einen ÖPNV-Tunnel unter dem Spreebogengelände
für vernünftig. Ob dort die U-Bahn
oder die S-Bahn oder beide Systeme fahren sollen,
kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall muß
dieses Gebiet direkt erschlossen werden, wenn
wir den modal split von 80:20 Autoverkehr/Öffentlicher
Verkehr in 20:80 umkehren wollen.
Über die Notwendigkeit des Nord-Süd-Straßentunnels
unter dem Spreebogen bin ich mir nicht
im klaren. Der Bundestag hat diesen Tunnel nicht
verlangt. Wir haben allerdings verlangt, daß durch
den Spreebogen kein Durchgangsverkehr geleitet
wird. Wenn die Berliner nicht in der Lage sind,
ihren Nord-Süd-Autoverkehr an anderer Stelle
unterzubringen und deshalb einen Tunnel unter
dem Spreebogen anlegen, dann ist das ihre Sache,
nicht die unsere. Der Straßentunnel wird keine
Ausfahrten zum Spreebogen haben, das heißt
Bundestag und Bundesregierung werden diesen
Tunnel überhaupt nicht benutzen. Unsere Forderung,
das Spreebogengelände frei vom Durchgangsverkehr
zu halten, ist sicher verständlich und
berechtigt. Die Vorstellung, daß Berlin
ausgerechnet dort, wo Parlament
und Regierung arbeiten, seinen Nord-Süd-Autoverkehr
abwickelt, ist absurd.
Ich hoffe, daß wir mit der weiteren
Planung gut vorankommen, und mein
Bestreben ist es. die für die Arbeitsfähigkeit
des Parlaments notwendigen
Bauten vorwiegend im Dorotheen-Block unterzubringen, damit
wir von den Tunnelbauten unabhängig
werden. Für die Arbeitsfähigkeit
des Bundestags brauchen wir rund
125.000 m². Etwa ein Drittel davon
werden wir im Reichstagsgebäude
und in den beiden Gebäuden Unter
den Linden unterbringen, ein weiteres
Drittel werden wir im Dorotheen-Block bebauen,
und das letzte Drittel
werden wir außerhalb des Spreebogen-Bereichs
anmieten, so wie bisher
auch in Bonn.
Peter Conradi
Mitglied des Deutschen Bundestages Bonn, den 14. Juni 1993
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