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Groß gefeiert wurde die Wiedereröffnung der U-Bahn-Strecke
Vinetastraße - Ruhleben. Der Zeitung,
die da jubelte, "nun können die Berliner
wieder in einem Rutsch von einem Stadtzentrum
ins andere" fahren, scheint allerdings entgangen
zu sein, daß dies bereits seit über drei Jahren mit
der S-Bahn möglich ist. Entgangen ist vielen
auch, daß die BVG an die alte Tradition, mit jeder
U-Bahn-Eröffnung mindestens eine Straßenbahn
einzustellen, anknüpfte und die Linie 52 zur
Bornholmer Straße zurückzog. Dabei ist nur
schwer nachzuvollziehen, wie eine U-Bahn-Wiederinbetriebnahme
in der Bülowstraße den Straßenbahnverkehr
in der Schönhauser Allee ersetzen
kann.
Schwer nachzuvollziehen ist auch, was seit dem
13. November geschah. Zur Eröffnung hatte alles
noch recht gut funktioniert, als die geladenen
Gäste in den Untergrund gingen, um den 215
Millionen Mark teuren Lückenschluß der U-Bahn
einzuweihen. Da hatten sie die U-Bahn freilich
auch für sich allein. Ein Großaufgebot von Sicherheitskräften
schirmte die Festveranstaltung
vor den auf dem Potsdamer Platz demonstrierenden
AEG-Arbeitern ab, deren Arbeitsplätze nicht
zuletzt deshalb bedroht sind, weil die längst überfällige
Erneuerung des Wagenparks der S-Bahn
immer weiter verzögert wird. Nicht einmal die
anwesende Bundestagsabgeordnete Renate Rennebach
konnte die mehrfachen Sicherheitskordons
durchdringen.
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Postkarte: Sammlung Frank Lammers |
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Zur Geschichte der heutigen U2 gehören berühmte Bilder: Oben das 1902 (planmäßig) durchbrochene Haus in der Bülowstraße, hier der (außerplanmäßige) Durchbruch der M-Bahn am Kemperplatz im Dezember 1988. Beide Gebäude existieren nicht mehr. Foto: Mario Lange |
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Doch als dann das gemeine Volk auf die U-Bahn
losgelassen wurde, ging fast alles schief. Schon
nach wenigen Tagen häuften sich die Meldungen
über gravierende Verkehrszusammenbrüche, vor
allem auf der U2. Aber die Schuldigen waren
schnell gefunden: natürlich, die schlechte Ostware!
Die GI-Züge, die jahrelang ihren Dienst
getan hatten und mit denen alle Westfahrer angeblich
ausreichend vertraut waren, mußten
plötzlich reihenweise aus dem Verkehr genommen
werden. Andere Gründe als vermeintlich
schlechte Ost-Qualität, etwa daß die erneuerte
Stromversorgung nicht an die GI-Züge angepaßt
sein könnte oder möglicherweise überzogene
Sicherheitsbestimmungen, schieden offenbar von
vornherein aus. Doch einmal aufmerksam geworden,
zeigte die Öffentlichkeit großes Interesse.
Fast jede Verspätung wurde nun registriert und
analysiert. Und so kamen auch neue Ursachen ans
Tageslicht: Fast alle Fahrer hatten keine Streckenkenntnisse,
weil die Übergabe der Strecke von der
Senatsbauverwaltung an den Betreiber BVG viel
zu kurzfristig erfolgte. Bemühungen der BVG,
die U-Bahn-Eröffnung mit der Wiederinbetriebnahme
des S-Bahn-Südringes zusammenzulegen,
um so Zeit zu gewinnen und alle Fahrpläne an
einem Tag mit nur einem Ergänzungsbuch zum
Fahrplan ändern zu können, scheiterten am Senat.
Schließlich wollen unsere Politiker zweimal
gefilmt und fotografiert werden.
Doch fast unabhängig von den Ursachen für die
Betriebsstörungen ist das jetzt in der Öffentlichkeit
entstandene Bild das eines unzuverlässigen
öffentlichen Nahverkehrs, etwa nach dem Motto:
Die U-Bahn schafft sich ihren eigenen Stau.
Die wochenlange Werbung unter Autofahrern für
den öffentlichen Nahverkehr dürfte damit weitgehend
wertlos gewesen sein. Noch hat die BVG
eine kleine Chance, zu zeigen, daß die Störungen
auf der U2 nicht mehr als besonders heftige
Kinderkrankheiten waren. Aber die Zeit dafür ist
knapp geworden. Denn zurückgewinnen muß die
BVG nicht nur verlorene Fahrgäste, sondern auch
verlorene Glaubwürdigkeit. Dazu gehört das Eingeständnis
von menschlichem Versagen im eigenen
Haus. Denn daß ein mehrere Jahre eingesetzter
Fahrzeugpark von einem Tag auf den anderen
fast vollständig ausfällt, das klingt doch zu
sehr nach Ausrede. IGEB
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