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Am 30. November 1997 um 21.10 Uhr
(siehe SIGNAL 2/98 ,
Seite 14) verließ der
letzte Triebwagen den Bahnhof Liebenwalde
nach Basdorf. Damit sollte auf diesem
nordwestlichen Ast der Heidekrautbahn
der Schienenverkehr enden. Die Bemühungen
der Fahrgastverbände und des
Fördervereins Heidekrautbahn waren erfolglos
geblieben. Ein gleiches Schicksal
sollte den nordöstlichen Ast von Basdorf
nach Groß Schönebeck ereilen. Oder doch
nicht? Der Stahlbetonbrücke über den
Oder-Havel-Kanal, am Bahnhof Ruhlsdorf-Zerpenschleuse,
wurde die bauliche Sicherheit
abgesprochen und im September
1998 kurzerhand der Verkehr eingestellt.
Die Versicherungen, daß ein Brückenneubau
wieder die volle Funktionsfähigkeit
herstellen sollte, überzeugten die Pessimisten
nicht.
„Jetzt erst recht!"
Lange Zeit schien es, als ob die Eigentümerin
der Strecke, die Niederbarnimer Eisenbahn
AG (NEB), mehr Interesse an der
Grundstücksverwertung als am Eisenbahnbetrieb
hätte. Lange zögerte sie, sich zu
den geschichtsträchtigen Strecken in die
Schorfheide zu bekennen. Jetzt, so scheint
es, ist Licht am Horizont zu sehen. Am 1.
September 1998 erhielt sie ihre Strecken
im Rahmen der Rückübertragung zurück
(siehe SIGNAL 8-9/98 , Seite 23)
mit Ausnahme
Abzweig Schönwalde - Karow (hier
bleibt die Eigentümerin die DB AG, da dieser
Abschnitt erst 1950 durch die DR erbaut
wurde). Ehrgeizige Pläne und etliche
Investitionen sollen aus der „alten Dame",
die 2001 einhundert Jahre alt wird, ein leistungsfähiges
und attraktives Schienennetz
machen. In den nächsten drei Jahren
sollen sowohl in Brücken, Gleisanlagen,
Sicherungstechnik etwa 20 Millionen DM
investiert werden.
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Im RegioShuttle auf der Heidekrautbahn. Foto: Florian Müller, Januar 1999 |
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Die Fahrzeit von Basdorf nach Groß
Schönebeck soll sich nach dem Neubau
der Brücke und dem Einsatz neuer Fahrzeugen
(Triebwagen) von 45 Minuten auf
rund 34 Minuten verkürzen!
Die Brückensprengung am Bahnhof
Ruhlsdorf-Zerpenschleuse im Januar 1999
war für den Vorstand der NEB Anlaß, der
Öffentlichkeit die Vorhaben und Überlegungen
zur Zukunft zu erläutern. Nebenbei
wurde ein moderner Triebwagen vorgeführt,
der hier fahren könnte.
Keinen Zweifel ließ NEB-Vorstand Detlef
Bröcker daran, daß zum Kleinen Fahrplanwechsel
im Herbst 1999 der Zugverkehr
nach Groß Schönebeck wieder aufgenommen
wird. Bis dahin soll die neue Brücke
funktionsfähig sein. Und ab 2001 möchte
die NEB auf ihrem Streckennetz gerne selber
den Betrieb durchführen.
Einigkeit besteht auch, daß die Züge in
die Innenstadt, wenigstens bis Gesundbrunnen
durchfahren müssen. Das Ziel der
NEB: In maximal einer Stunde von Groß
Schönebeck über Wilhelmsruh nach Gesundbrunnen.
Parallel dazu werden Konzepte erarbeitet,
die sich mit den vorhandenen Stationen
beschäftigen. Hier sollen kurzfristige
Verbesserungsmöglichkeiten für die Reisenden
analysiert und umgesetzt werden.
Es geht um Fahrplanabstimmungen, Vermeidung
von Parallelverkehren, Aufenthaltsqualität
in und an Stationen und sinnvolle
Nutzungen der teilweise doch recht
umfangreichen Empfangsgebäude. Besonders
positiv zu vermerken ist, daß sich der
Landkreis Barnim, vertreten durch Landrat
Bodo Ihrke, zur Zukunft der Heidekrautbahn
bekannte und die Vorhaben der NEB
auch unterstützen will. Sicherlich hat die
NEB vom Landkreis und den Kommunen
keine großen Geldbeträge zu erwarten.
Dennoch ist ein Zusammenspiel aller Beteiligten
wichtig, wenn es beispielsweise um
Neuanlage von Haltepunkten, Aufhebung
bestehender Bahnübergänge oder Abstimmungen
zwischen Bahn und Bus geht.
Nicht zuletzt müssen auf politischer Ebene
alle mit einer Stimme sprechen, wenn es
gegenüber den beiden Ländern Brandenburg
und Berlin um eine Bestellung von
Leistungen geht.
Bessere Zukunft für
eine alte Strecke?
Die im Mai 1950 fertiggestellte Anbindung
an den Bahnhof Karow bedeutet für
viele der möglichen Reisenden weite Umwege,
insbesondere aus den westlichen
Bezirken. Sie wird aber auf viele Jahre hinaus
(noch) die einzige Schienenanbindung
von und nach Berlin bleiben. Bereits nach
dem Mauerfall 1989 wurde schnell erkannt,
daß der alte Streckenast in Richtung
Nordbahn wieder reaktiviert werden
muß, um kurze Reisezeiten zu erzielen.
Nur konkrete Schritte wurden nicht unternommen
und dadurch viel kostbare Zeit
vertan. Die Einbindung von NEB-Linien in
den Nord-Süd-Fernbahntunnel scheidet
aus, da diesen nur elektrische Züge durchfahren dürfen.
Bleibt der zukünftige Regionalbahnhof
Gesundbrunnen Endbahnhof
oder besteht die Möglichkeit, die Züge
aus Groß Schönebeck, Liebenwalde oder
Basdorf durch Berlin durchzubinden? Anbieten
würde sich die Weiterführung über
Jungfernheide entweder in Richtung Spandau
oder Wannsee. Alles ist möglich - nur
die Frage, ob beide Länder solche Leistungen
bestellen und auch bezahlen ...!
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Zur Präsentation extra nach Berlin geholt: Triebwagen VT 416 der Württembergischen Eisenbahngesellschaft im Bahnhof Schildow. Foto: Florian Müller, Januar 1999 |
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Prinzip Hoffnung!
Fest steht, daß bei der notwendigen Heranführung
an die Nordbahn auf Berlin
hohe Kosten zukommen. Hier ist die Berliner
Verkehrspolitik gefordert. Insbesondere
für Pendler und Umlandtouristen könnte
die Heidekrautbahn eine attraktive und
interessante Alternative zur Fahrt mit dem
Auto sein - entsprechende Fahrzeiten,
Fahrzeuge und Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten
vorausgesetzt! Leider hielt es kein
Vertreter aus dem Verkehrsministerium
Brandenburg und Berlin für nötig, an der
Fahrt teilzunehmen. Kein Interesse?
Was passiert mit den
„Problemkindern"?
Die Zukunft für den Liebenwalder Ast sieht
keineswegs rosig aus. Die Sanierungsbemühungen
und Investitionen beschränken
sich zur Zeit auf die Strecke nach Groß
Schönebeck. Die NEB würde auch von
Basdorf nach Liebenwalde fahren - wenn
das Land diese Leistung bestellen würde.
Danach sieht es leider nicht aus. Die Finanzierung
der morschen Brücke vor dem
Bahnhof Liebenwalde ist ungeklärt. Unverständlich
ist, daß die NEB auf die Übernahme
der Streckeninfrastruktur für den im
Güterverkehr benutzten Abschnitt Wensickendorf
- Fichtengrund verzichtet hat,
die als weitere Anbindung ihres Netzes an
das der DB AG sicher interessant gewesen
wäre.
Fehler nicht wiederholen!
Bei den jetzt beginnenden Planungen sollte
die NEB darauf achten, drei Fehler der
Vergangenheit nicht zu wiederholen:
- Auf eingleisigen Strecken (und das ist
das NEB-Netz) bedeutet jede Weiche
die Möglichkeit, kurzfristig auf Störungen
und Betriebsänderungen zu reagieren,
ohne daß es sofort negative
Auswirkungen auf Fahrplan und Anschlüsse
hat. Bevor der Rückbau von
Gleisanlagen und Signaltechnik beginnt,
sollte zuerst geprüft werden, ob
man sich selber mit einem Rückbau
nicht künstliche Zwangspunkte schafft.
Auf einem Großteil der Strecken wird
auch erfreulicherweise Güterverkehr
durchgeführt - somit gäbe es weitere
Probleme.
- Die Länge der Bahnsteige sollte nicht
zu kurz gewählt werden. Ist das Interesse
von Fahrgästen sehr groß, besteht
die Möglichkeit, weitere Wagen anzukuppeln
bzw. Triebwagen beizustellen.
Passen dagegen an den Bahnsteig nur
zwei kurze Triebwagen, ist dies nicht
möglich und Fahrgäste sind verärgert.
- Die Technisierung hat nicht nur ihre
Vorteile, sie bringt auch Probleme mit
sich. Gerade im Ausflugsverkehr (und
davon lebt die Heidekrautbahn zu einem
nicht geringen Teil) wird es notwendig
sein, Bahnhöfe und Haltepunkte
mit Personal zu besetzen. Hauptsächlich
werden diese Mitarbeiter als
Ansprechpartner für Ratschläge und
Informationen bereitstehen.
Zum Fahrzeug
Nach Auskunft der NEB hat man sich noch
nicht für ein bestimmtes Fahrzeug entschieden.
Der RegioShuttle der Firma
Adtranz, der für die Pressefahrt extra nach
Berlin geholt wurde, wäre in der engeren
Auswahl. Was aber, wenn eine Fahrradgruppe
mit zehn Fahrrädern einen Ausflug
machen möchte? Dafür scheint das Fahrzeug
nicht geeignet zu sein. Auch Toiletten
müssen im Regionalverkehr zum Standard
gehören! Mögliche Berufspendler sowie
an freien Tagen Touristen würden sicherlich
von einem kleinen Angebot an Speisen
und Getränken gerne und rege Gebrauch
machen. Ansonsten war der erste Eindruck
des "neuen Teams" Heidekrautbahn +
RegioShuttle ein guter.
IGEB
Abteilung S-Bahn und Regionalverkehr
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