Schienenverkehrswochen 1999

Die Berliner Fahrgast-Sprechtage
Straßenbahn

Am 10. Mai 1999 fand der Kundensprechtag zur Straßenbahn statt. Eingeladen hatten der Berliner Fahrgastverband IGEB. Tagungsraum war diesmal jedoch ein Mehrzweckraum auf dem Betriebshof Lichtenberg.

Wie immer standen Unternehmensbereichsleiter Dr. Predl und seine „rechte Hand", Herr Jacobs, Rede und Antwort. Und wie immer folgte auch diesmal zuerst ein informativer Einführungsvortrag.

Das Berliner Straßenbahn-Netz umfaßt 181,6 km, auf dem 28 Tageslinien unterwegs sind. An einem Werktag werden ca. 450.000 Personen befördert. Die Straßenbahn verkehrt zu 58 Prozent auf eigenem Bahnkörper. Der Wagenpark umfaßt 105 GT6-Niederflurfahrzeuge und 452 modernisierte Tatrazüge. Noch in diesem Jahr werden die ersten fünfzehn Zweirichtungsfahrzeuge eintreffen. Zuerst will man damit die demnächst direkt zum U-Bahnhof Warschauer Straße verkehrende Linie 20 ausrüsten.

Über Komfort für die Fahrgäste wird sich verbessern: Bei künftigen Neulieferungen denkt man an den Einbau von Klimaanlagen auch für die Fahrgäste. Über mehr Komfort können sich demnächst die Köpenicker freuen: Die Linie 26 wird mit Niederflurfahrzeugen bedient.

Neue Strecken

Ein wichtiges Thema sind neue Strecken: Höchste Priorität hat die Verlängerung der 20 zum U-Bahnhof Warschauer Straße. Hier soll noch in diesem Sommer mit der Verlegung der Gleise begonnen werden. Die Inbetriebnahme könnte, wenn alles gut geht, im Mai 2000 erfolgen. Weiterhin steht die Verbindung vom Prenzlauer Tor bis Alexanderplatz (Linie 1) ganz oben auf der Liste, auch hier könnte im Idealfall im Jahr 2000 der Fahrgastverkehr aufgenommen werden. Ebenfalls nicht vergessen wurde die Müggelheimer Straße, hier soll es bald mit dem Bauen losgehen. Die Verlängerung nach Buchholz verzögert sich nach 2000. Ebenfalls im Zeitplan hinterher hinkt die Anbindung der Wissenschaftsstadt in Adlershof. Doch das muß kein Schaden sein, hier will man vor allem die Umsteigeverbindungen noch besser planen. In Kürze wird die Strecke in der Dörpfeldstraße zweigleisig ausgebaut. Die Verlängerung in der Invaliden- und Bernauer Straße ist für das Jahr 2002 geplant.

Die Redner betonten, wie wichtig der Alex für die Straßenbahn ist. Er ist der meistgenutzte Umsteigepunkt für Fahrgäste. Seit Ende Mai fahren hier bis zu dreißig Bahnen stündlich und Richtung!

Was geschieht im Streckennetz?

Das Modernisierungsprogramm kommt gut voran. 167 km Einfachgleis sind erneuert und die wichtigsten Sanierungsvorhaben wurden geschafft. Bis 2003 soll das Programm abgeschlossen sein.

Der Unternehmensbereich Straßenbahn muß rationalisieren. Das geschieht unter anderem durch eine verbessere Organisation und ausgeklügelte Dienstpläne. Momentan wird das sogenannte Rechnergestützte Betriebsleitsystem (RBL) eingeführt und nach Und nach auf verschiedenen Linien eingesetzt. Höhere Fahrplantreue und bessere Fahrgastinformation sollen die Folge sein.

Das Angebot bleibt nach dem Fahrplanwechsel unverändert. Im Klartext: Es wird im Fahrplan 1999/2000 keine Ausdünnungen geben.

Beschleunigung

Tram-Strecke
Bauen und Fahren am U-Bahnhof Hellersdorf. Foto: Frank Brunner

Interessant waren die Ausführungen zur Straßenbahnbeschleunigung. Bekanntermaßen hat die BVG im vorigen Frühjahr den Finanzierungsvertrag mit dem Berliner Senat unterzeichnet. Die Linie 6 ist zuerst an der Reihe. Derzeit werden fast alle Lichtzeichenanlagen zwischen Platz der Vereintenen Nationen und Hellersdorf umgebaut bzw. modifiziert. Zum Fahrplanwechsel im Mai 1999 sollen die Bahnen um einige Minuten schneller fahren. Die Bevorrechtigung geschieht durch intelligente Ampeln, die von den Straßenbahnen über Funk, Weichenkontakten und Induktionsschleifen angesteuert werden. In Computersimulationen hat man herausgefunden, daß damit keine Beeinträchtigung des motorisierten Individualverkehrs verbunden ist.

Ebenfalls noch im Jahr 1999 sollen die Straßenbahn-Linien 1, 2, 3, 4, 8 und 23 (später die restlichen Linien) an die Reihe kommen. Insgesamt werden bis zum Jahre 2001 rund 250 Lichtzeichenanlagen umgebaut bzw. modifiziert. Die Durchschnittsgeschwindigkeit von 17,4 soll auf 21 km/h und mehr heraufgesetzt werden.

Der Wermutstropfen: Der Innenstadtbereich bleibt von der Beschleunigung weitgehend ausgeklammert.

Viele Fragen der Fahrgäste

Wie jedes Jahr gab es unzählige Fragen von den Anwesenden. Ein Fahrgast wollte wissen, warum man die staugeplagte 23 nicht wie in alten Stadtplänen angegeben durch die Gustav-Adolf-Straße leitet. Die Prenzlauer Promenade sei im Berufsverkehr schließlich regelmäßig dicht. Die Antwort kam prompt: Diese Linienführung würde den Knotenpunkt so komplizieren, daß die Durchlaßfähigkeit dramatisch sinkt. Wer die Situation an der Ecke Schönhauser Allee/Danziger Straße kennt, weiß, worum es geht.

Was aus den alten Streckenverlängerungsplänen Riesaer Straße bis Mahlsdorf geworden sei. Diese ist inzwischen als unrentabel eingestuft, und „unrationelle Straßenbahn-Projekte nutzen weder der Straßenbahn noch den Fahrgästen."

Mehrere Fahrgäste fragten, warum die Bahn über den Alex nur in Schrittgeschwindigkeit fahren darf. Aber hier ließen die Straßenbahn-Chefs keinen Zweifel, daß es bei dieser Geschwindigkeit bleibt. Und das ist auch aus politischen Gründen klug. Solange Staatssekretäre wie Hans Stimmann die Alex-Straßenbahn als schädlich für die urbane Qualität bezeichnen und Zitate wie „Alle zwei Minuten fahren jetzt Straßenbahnen mitten durch die Passanten" veröffentlichen (Berliner Morgenpost vom 10. Mai 1999), ist das mehr als angebracht.

Ein Fahrgast wünschte sich eine Verlängerung der 23 bis zur Beusselstraße. Ein anderer gab eine interessante Anregung in bezug auf die Fahrplangestaltung an stark befahrenen Haltestellen. Wer heute beispielsweise von Weißensee zum Alex fahren möchte, muß im Extremfall drei Fahrpläne studieren, um die nächstfolgende Bahn herauszufinden. Der Besucher schlug für parallel verkehrende Linien „Kombi-Fahrpläne" vor. Ein Plan (statt drei) soll alle Abfahrtszeiten der Linien aufführen. Dem Fahrgast mit Ziel Innenstadt sei es egal, ob er die 2, 3 oder 4 nimmt. Dieser Vorschlag wurde mit Interesse aufgenommen, er wird derzeit geprüft.

Beim Thema Lärmbelästigung gerieten vor allem die Niederflurwagen ins Kreuzfeuer der Kritik. Betroffen seien vor allem Anwohner der Konrad-Wolf-Straße und Langhansstraße Dr. Predl mußte einräumen, daß es derzeit ein noch unerforschtes Phänomen bei den GT6-Zügen gebe: Die sogenannte Polygonbildung an den Rädern. Es werde aber derzeit intensiv an der Verminderung des Lärms gearbeitet, dazu existiert sogar ein Forschungsprojekt.

Ein anderer Fahrgast wollte wissen, wie es um die Zukunft weniger gut ausgelasteter Straßenbahnstrecken bestellt sein. Die Frage nach möglichen Einstellungsplänen beantwortete Dr. Predl mit einem kategorischen Nein.

IGEB

aus SIGNAL 4/1999 (Juli 1999), Seite 11-12

 

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