Mit dem Vertrag ist die BVG vom Senat bis
zum Jahr 2007 mit der Erbringung von
Verkehrsleistungen etwa in der Größenordnung
des bisher erbrachten Leistungsumfangs
beauftragt worden. Die BVG
erhält dafür Umstrukturierungsbeihilfen in
einem Gesamtvolumen von rund 6,2 Mrd.
DM für die Umsetzung des „Sanierungs- und
Umsetzungskonzeptes BSU 2000".
Die Erstattungen für Fahrwegaufwendungen,
Ruhegeldaufwendungen, Zusatzaufwendungen
für die Versorgungsanstalt
(VBL) und Umstrukturierungsbeihilfen von
anfangs 820 Mio. DM jährlich sinken
kontinuierlich auf 620 Mio. DM. Ziel ist die
Erreichung der Wettbewerbsfähigkeit und
der Rentabilität der BVG bis zum Jahr
2007. Sichtbares Zeichen dafür ist zum
Beispiel auch die Gründung der „Berlin
Transport GmbH" als Fahrdiensttochter
der BVG zu den im privaten Verkehrsgewerbe
üblichen, zum Teil drastisch
schlechteren Konditionen. Der Abschluß
dieses Unternehmensvertrages (immerhin
für die Dauer von acht Jahren) war und ist
nicht unumstritten, schließt er für den
städtischen Berliner Nahverkehr doch die
nach EU-Recht im Grundsatz vorgeschriebene
Ausschreibung von nicht kostendeckenden
ÖPNV-Leistungen für die nächsten
Jahre aus. Und so kündigten andere
Verkehrsunternehmen sogleich auch
gerichtliche Schritte gegen diese „Direktbeauftragung"
an. Besonders betroffen
über den Vertragsabschluss zeigte sich die
DB AG, die sich aufgrund mehrerer Gespräche
mit dem Berliner Senat lange Zeit
Hoffnung auf eine Teilhabe am Auftragskuchen
über die Bildung einer gemeinsamen
Holding mit der BVG machte. Keine
Überraschung also, daß die DB AG, die im
Regional- und S-Bahn-Verkehr „Direktvergaben"
vom Land Berlin (in Absprache
mit dem Land Brandenburg) zu schätzen
weiß, die zum Konzern gehörende
Bustochter BEX („Bayern-Express") gegen
das Land Berlin klagen läßt, weil diese
einige selbst ausgewählte Buslinien (109,
204, 210, 219) betreiben und dafür beauftragt
werden möchte.
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Unter anderem die Busline 219, hier ein Bus der Linie an der Haltestelle S- und U-Bahnhof Yorkstraße, weckt inzwischen Begehrlichkeiten der privaten BVG-Konkurenz. Foto: Alexander Frenzel, Januar 2000 |
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Aus Fahrgastsicht gab es
keine Alternativen zum
BVG-Unternehmensvertrag
Die Frage, ob Leistungen im ÖPNV von
öffentlichen (de facto) Monopolunternehmen
oder von zueinander in Konkurrenz
stehenden Privatunternehmen „besser"
und/oder kostengünstiger erbracht werden,
mündet letztlich in gesellschaftspolitischen
Grundsatzfragen, die sicherlich
über rein betriebswirtschaftliche Betrachtungsweisen
hinaus gehen sollten.
Aus Sicht der Berliner Fahrgäste kann
die Entscheidung des Berliner Senates, die
BVG erneut direkt für die gesamten
Berliner U-Bahn-, Straßenbahn- und Busverkehrsleistungen
zu beauftragen, zum
gegenwärtigen Zeitpunkt mangels Alternativen
nur begrüßt werden. Und daß es
keine Alternativen gab, dafür ist letztendlich
der Berliner Senat, der zumindest
in den letzten beiden Wahlperioden nun
wahrlich nicht in Verdacht geraten
konnte, mit seiner Politik die BVG zu protegieren,
ganz wesentlich mit verantwortlich.
Selbstverständlich hätte man auch
Berlin mindestens einen Teil der Verkehrsleistungen
öffentlich ausschreiben können
(und zumindest dem Geiste des EU-Recht
nach vielleicht sogar müssen). Man hätte
damit einerseits auf der Kostenseite (rein
haushaltsmäßig betrachtet) wahrscheinlich
etwas sparen können und brauchte
sich andererseits keine Sorgen darüber
machen, ob nicht entweder die EU - die
den geschlossenen Unternehmensvertrag
eigentlich notifizieren sollte - oder ein
Gericht den gesamten Unternehmensvertrag
aufhebt. Aber Voraussetzung für eine
Ausschreibung von Teilnetzen wäre unter
anderem natürlich die rechtzeitige Schaffung
einer „Dachorganisation" in Form
einer handlungsfähigen Management- und
Infrastrukturgesellschaft gewesen. Ein
solcher „Overhead" wäre im Interesse
eines für den Fahrgast attraktiven und
stimmigen Gesamt-ÖPNV-Angebotes
zwingend erforderlich, wenn - möglicherweise
sogar eine größere Zahl - private(r)
Verkehrsunternehmen als Konzessionsträger
im Ergebnis von Ausschreibungen
„gemeinwirtschaftliche" Verkehre in Berlin
durchführen würden.
Aber weder die Senatsverkehrs-Verwaltung
noch der von ihr ins Leben gerufene
Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, der
eigentlich diese Ausschreibungen im Auftrag
des Landes durchführen soll, haben in
den vergangenen Jahren auch nur
ansatzweise entsprechende Vorbereitungen
getroffen.
Der Unternehmensvertrag ist
kein Ruhekissen für die BVG
Aber trotz des zumindest kurz- und mittelfristig
betrachtet positiven Ausgangs des
endlosen Gezerres um die BVG-Zukunft
(siehe Signal 3/98 ,
6/98 und
8-9/98 ) ist der
geschlossene Unternehmensvertrag alles
andere als ein Ruhekissen für die BVG.
Grundlage des Unternehmensvertrages ist
das BVG-Sanierungs- und Umsetzungskonzept
BSU 2000. Die Wettbewerbsfähigkeit wird die BVG im Jahr 2008
nämlich nur dann erreichen, wenn sämtliche
Maßnahmen und Annahmen wie im
Konzept angenommen, auch tatsächlich
eintreffen („best case").
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Ob die U8 auch zu den Linien gehören wird, die für die private Konkurrenz interessant sind, ist sehr fraglich. Foto: Marc Heller |
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Neben umfangreichen Umstrukturierungen,
der oben schon erwähnten Gründung
und Übernahme von 30% der Verkehrsleistungen
durch die Fahrdiensttochter „Berlin Transport GmbH" und
weiterem deutlichen Personalabbau bei
der BVG (bis zum Jahr 2004 um weitere
2500 auf 12.000 Mitarbeiter) basiert das
von der BVG selbst erarbeitete Konzept
auf einem Kardinalfehler: Die Fahrpreise
sollen weiter steigen (nunmehr zwar nur
noch zwei bis drei Prozent jährlich, aber
damit immer noch deutlich über der aktuellen
Inflationsrate) und gleichzeitig wird
(dennoch) von wieder steigenden Fahrgastzahlen
ausgegangen.
Aber dieses unrealistische Wunschdenken
von steigenden Tarifen und gleichzeitig
steigenden Fahrgastzahlen ist nicht das
einzige finanzielle Risiko. So muß die BVG
trotz der Erstattungszahlungen auch zukünftig
in erheblichen Umfang Mittel am
Kapitalmarkt aufnehmen und so wird sich
die Verschuldung des Unternehmens
weiter erhöhen. Und auch das vom Ex-Senator
Kiemann ins BVG-Nest gelegte
Kuckucksei der Einnahmenauftragsregelung
mit der DB AG, das der BVG bisher
nicht kalkulierte Ertragsverluste von 100 -
120 Mio. DM bescheren wird, ist so
natürlich nicht im BSU 2000-Konzept berücksichtigt
worden.
Statt höherem ÖPNV-Anteil -
stagnierendes Verkehrsangebot
Nach den Äußerungen maßgebender
(offenbar nicht ÖPNV-nutzender) Politiker
hätte alles schlimmer kommen können.
Beispielhaft sei nur an den jetzigen Schulsenator
Böger erinnert, der den Busverkehr
auf der Steglitzer Schloßstraße einstellen
wollte, da er nach seiner Ansicht
einen Parallelverkehr zur U9 darstellen
würde. Aber der unmittelbar bevorstehende
Wahltermin bewahrte die Berliner
Fahrgäste vor einem radikalem Streichprogramm:
Die entsprechend Unternehmensvertrag
von der BVG zu erbringenden
Verkehrsleistungen (gerechnet in Nutzzug-
bzw. Nutzwagen-Kilometern) entsprechen
im Umfang den auch bisher zu
erbringenden Leistungen. Bei der Straßenbahn
sollen die Verkehrsleistungen entsprechend
dem Fortschreiten des Netzausbaus
sogar etwas steigen, was sich
angesichts des Verkehrsanteils der
Straßenbahn auf das Gesamtangebot aber
nur marginal auswirkt.
Keine Verkehrswende möglich
An eine Attraktivitätssteigerung des ÖPNV
durch Taktverdichtungen ist dabei aber
nicht zu denken - trotzdem (angeblich)
nach wie vor gültigem Ziel, ein Modal
Split von 80:20 für den ÖPNV im Innenstadtbereich
zu erreichen: Weiterhin werden
also auf der Grundlage des Unternehmensvertrages
selbst City-Linien, wie
zum Beispiel die Straßenbahnlinie 6 oder
die Buslinien 142, 257 und 348, nur im 20
(!) Minuten-Takt verkehren können. Und
erforderliche Taktverdichtungen im U-Bahnverkehr,
etwa um dem durch Nutzungsintensivierung
insbesondere im
östlichen City-Bereich steigenden Berufsverkehrs-Aufkommen
zum Beispiel auf
den U-Bahn-Linien 6 und 8 (Hauptverkehrszeit:
5-Minuten-Takt) Rechnung zu
tragen, sind mit diesem Vertrag defacto
auch ausgeschlossen.
Neue Verkehrsangebote, die selbst im
Citybereich dringend erforderlich sind
(Beispiel: fehlende Verbindung zwischen
Moabit und Regierungsviertel), können
nur durch Leistungsrücknahmen an anderer
Stelle realisiert werden. Eine gutes
Beispiel dafür bietet die Einführung der
Expreßbuslinie X54, die letztlich nur auf
Kosten einer Taktausdehnung auf 20
Minuten auf der Buslinie 155 realisiert
wurde (Signal 7/99 ).
Die Entwicklung der Stadt steht aber
nicht still. Ständig werden neue Gebiete
bebaut und müssen durch die BVG erschlossen
werden (Karow-Nord, Buchholz-West, Kladow etc.).
Die BVG muß bei der
Neuerschließung dieser Gebiete die erforderlichen
Verkehrsleistungen aber an
anderer Stelle streichen. Hier aber beißt
sich die Katze in den Schwanz: Eine Umverteilung
des Vorhandenen zu Gunsten
des Neuen läßt sich nur durch die Verschlechterung
des bestehenden Netzes
realisieren. Insgesamt gesehen kommt es
also zu einer Verschlechterung der Angebotes
für den einzelnen Nutzer, da mit
gleichbleibenden Nutzwagenkilometern
ein immer größeres Netz betrieben werden
muß.
Für die Attraktivität des ÖPNV ist diese
schleichende Entwicklung fatal. Anstelle
einer Verbesserung des Angebotes geschieht
das Gegenteil, mit zwangsläufig
sinkenden Fahrgastzahlen.
Fazit
Ob die BVG trotz der erheblichen Finanzrisiken,
die das BSU-2000-Konzept, auf
dem die Ziele des Unternehmensvertrages
(Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität
der BVG bis z um Jahr 2008) fußt, erreicht
werden, ist ganz wesentlich von zwei
Faktoren abhängig, über die weder im Unternehmensvertrag
noch im BSU-2000-Konzept Aussagen enthalten sind: Dies
betrifft zum einen die verkehrspolitischen
Rahmenbedingungen (nur wenn sie sich
insgesamt positiv für den ÖPNV ändern,
hat die BVG eine Chance, wirtschaftlich zu
überleben) und zum anderen die BVG
selbst (nur wenn ihre Leistungen besser
werden, hat sie eine Chance, sich auch
nach Auslaufen des Unternehmensvertrages
am Markt zu behaupten), denn auch
bei Ausschreibungen erhält nicht der
billigste, sondern der preiswerteste Anbieter
den Zuschlag.
Schließlich gilt es noch die rechtlichen
Risiken, daß nicht berücksichtigte Anbieter
den Vertrag per Gerichtsbeschluß zu Fall
bringen, auszuschließen. Hierfür enthält
der Unternehmensvertrag den weisen
Passus: „Im Falle einer Ausweitung des
Verkehrsbedarfes , die über das ... vereinbarte
Ausmaß hinausgeht, behält sich das
Land vor, Verkehre gemäß den einschlägigen
Rechtsvorschriften auszuschreiben."
Vorschläge dazu siehe oben.
IGEB,
Abteilung Stadtverkehr
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