Plötzlich räusperte sich Sculder. „Sagen
Sie mal Mully, halten Sie die Existenz
paralleler Welten für eine reale Möglichkeit
?"
Mully blickte auf und sagte nach kurzer
Überlegung: „Es gibt zu diesem Thema
recht interessante Studien aus den
Staaten'..."
Sculder unterbrach sie. „Nein, nein,
nicht in den .Staaten', sondern hier in
Berlin. " Er reichte ihr den Lokalteil der
,Welt'. „Hier steht's. Lesen Sie: ,Herr Landowsky
zweifelt an der Wirtschaftlichkeit
der U5-Verlängerung'."
„Das in dieser Stadt immer das Unglaubliche
geschieht, das gehört ja
sozusagen zum guten Ton, aber jetzt bin
ich doch überrascht."
In diesem Moment ratterte das Faxgerät
los. „Aha, die Post. Na mal sehen, was das
wieder ist." Sculder riß die Seiten ab und
las halblaut: "Erster Combino ausgeliefert..."
Mully blickte überrascht. "Was -
und wir sind nicht eingeladen?!" „Nein,
beruhigen Sie sich. Es ist in Freiburg...
Aber das ist hier viel interessanter - eine
Untersuchung des .Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung' über die Wirtschaftlichkeit
der U5. Die schreiben da ..."
|
Am Bahnhof Unter den Linden soll ein Umsteigebahnhof enstehen. Foto: Alexander Frenzel, Januar 2000 |
|
Auf einmal wurde Sculder schwarz vor
den Augen und er mußte sich setzen.
„Mully, ich glaub' es nicht, lesen Sie
selbst". Mully überflog das Papier: „Auweia.
Das DIW bezweifelt die Wirtschaftlichkeit
der U5."
Sie wurde blaß. „Es hieß doch immer,
die U5 würde alle, aber auch wirklich alle
Verkehrsprobleme dieser Stadt über Nacht
lösen. Und jetzt das." Für Sekunden
herrschte Schweigen.
Im Radio lief gerade ein Bericht über
eine Pressekonferenz des neuen Supersenators
Strieder. „Und so glaube ich,"
war Strieder zu vernehmen, „daß man die
Wirtschaftlichkeit der U 5 noch einmal
genau überprüfen sollte." Sculder sprach
aus, was beide dachten. „Sind wir etwa in
eine andere Realität gerutscht? In eine
Parallelwelt, in der die Verkehrsprobleme
Berlins mit Umsicht und Gespür für das
Machbare gelöst werden?! Daß ich das
noch erleben darf ..."
Plötzlich fing Mully schallend an zu
lachen. „Sculder, Sie sollten den Zeitungsartikel
doch besser zu Ende lesen. Landowsky
befürwortet statt der U5 die Einrichtung
von Buslinien zwischen City-West
und City-Ost. Derartiger Blödsinn kann nur
in unserem Universum erdacht werden.
Landowsky ist anscheinend die Buslinie
100 bislang unbekannt geblieben."
„Und wie erklären wir unseren Klienten
den plötzlichen Sinneswandel bei der
U5?" „Na, ganz einfach. Es handelt sich
um den Einbruch der Realität in die Verkehrspolitik
Berlins." IGEB
|