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Bereits im Oktober 2000 hatte es sich bei
der mehrwöchigen Sperrung der Rhinstraße
ab Allee der Kosmonauten abgezeichnet:
die Straßenbahn hat die Organisation
der wachsenden Zahl von Umleitungen
und Schienenersatzverkehre (SEV)
nicht im Griff. Ein kleines Detail sollte ein
schlechtes Omen sein: Für die in dieser
Zeit nicht verkehrende Linie 28 wurde
kein SEV eingerichtet, trotzdem wurden
im Streckenverlauf die entsprechenden
Fahrpläne und Linienschilder nicht von
den Haltestellenmasten entfernt. Wer sich
in Falkenberg an die Haltestelle stellte, um
mit der 28 nach Karlshorst/Schöneweide
zu fahren, der konnte lange warten. Bis
zu drei Wochen. Den an einigen Haltestellen
ausgehängten Zetteln war nämlich
genau zur Linie 28 keine verwertbare Information
zu entnehmen.
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Unkonventionelle Lösungen bei der Fahrgastinformation - besser so, als gar nicht! Foto: Alexander Frenzel, Dezember 2000 |
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Bereits selbstverständlich gewordene
und so auch von der BVG zugesagte Mindeststandards
der Fahrgastinformation
wurden nicht mehr eingehalten. Das einst
von der IGEB gelobte Heftchen „Tram-Bauinfo"
ist in seinen letzten Ausgaben
zu einer unübersichtlichen und fehlerhaften
Aneinanderreihung von Umleitungen
mutiert. Eigentlich zusammengehörende
Informationen werden über mehrere
Seiten verteilt und müssen mühsam
zusammengesucht werden, eine Zusammenfassung
zeitlich ineinandergreifender
Baumaßnahmen fehlt. Selbst die Fachleute
der „Berliner Verkehrsblätter" wurden
jüngst in die Irre geführt - nachzuprüfen
in der Dezember-Ausgabe. Was aber
taugt eine Fahrgastinformation, die selbst
Experten nicht mehr überblicken?
Nach diesem schlechten Auftakt „steigerte"
sich das Baumanagement der Straßenbahn
im Laufe des November noch.
Am 6. November 2000 wurde der
Straßenbahnverkehr in Johannisthal im
Verlaufe des Sterndamms und außerdem
in Köpenick komplett östlich der Kreuzung
Bahnhofstraße/Lindenstraße eingestellt.
Grund waren einerseits die Gleissanierung
im Sterndamm und andererseits
die Streckenverlegung in der Altstadt Köpenick.
Eine Vorabinformation der Fahrgäste
erfolgte, indem im bereits erwähnten
„Tram-Bauinfo" unter vier verschiedenen
Überschriften häppchenweise Linienumleitungen
aufgelistet wurden. Ein Gesamtüberblick
des Baugeschehens dagegen
fehlte, was um so schmerzlicher war,
weil einige Straßenbahnlinien mehrfach
betroffen waren. Interessant wäre zum
Beispiel die Information gewesen, welche
Linien wann und in welcher Wegführung
denn überhaupt noch fuhren. Als „Nachtrag"
und Berichtigung wurde drei Wochen
nach Baubeginn dann noch ein einzelner
Zettel herausgegeben, der überall
zu erhalten war, nur nicht im betroffenen
Raum Schöneweide/Köpenick - da fuhren
keine Straßenbahnen mehr. Auf die Idee
zum Beispiel Hinweistafeln auch in die S-Bahnhöfe
im betreffenden Gebiet zu stellen,
kam bei der BVG niemand.
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Solche und schlimmere Hinweise fanden sich überall. Da wird an SEV-Haltestellen auf gegenüberliegende Haltestellen verwiesen - oder einfach Null-Information geliefert. Foto: Matthias Gibtner, Dezember 2000 |
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Als es am 6. November losging, gab es
weder Fahrplanaushänge für die SEV-Haltestellen,
noch akzeptable Info-Tafeln an
den nicht bedienten Straßenbahnhalten.
Und wenn es sie gab, so waren sie entweder
inhaltsleer oder wiesen sogar in die
Irre: An der (von der Straßenbahn nicht
bedienten) Haltestelle S-Bahnhof Schöneweide/Sterndamm
der Linien 27 und 67
wurde für die Fahrtrichtung Köpenick
bzw. Karlshorst ein „Ersatzverkehr" annonciert.
Das war natürlich Unsinn, denn
aus der Gleisschleife gleichen Namens, ca.
50 Meter entfernt, fuhren genau diese
Straßenbahnen ab. Während in Köpenick
Busse fehlten - und dort der letzte Überland-Reisebus-Schrott
aus dem Brandenburger
Umland eingesetzt wurde - schoben
sich in Schöneweide und Karlshorst
eben der nach wie vor befahrenen Straßnbahnstrecke
Brückenstraße/Edisonstraße/Treskowallee
Gelenkbusse für die
Linie 21 durch den Stau. Manchmal wurden
immerhin bis zu acht Fahrgäste in
den 18 Meter langen Bussen gezählt.
Warum diese Linie zwischen Blockdammweg
und S- Bahnhof Schöneweide überhaupt
eingestellt und im SEV gefahren
wurde, kann nicht nachvollzogen werden
- die Gleisschleife am S-Bahnhof Schöneweide
hätte die ohnehin selten und mit
Solo-Triebwagen verkehrende Linie 21 sicher
noch verkraftet. Auch an anderer
Stelle gibt es Wendeschleifen, in denen
mehr Linien enden, als Gleise vorhanden
sind.
Als besonderes „Schmankerl" wurde im
Zuge des Sterndamms eine Bus-Haltestelle
(Sterndamm/Königsheideweg, Fahrtrichtung
S-Bahnhof Schöneweide), die
bisher bei jeder Straßenbahn-Baumaßnahme
in Johannisthal als SEV-Haltestelle
fungierte, bei dieser Gelegenheit nicht
als solche gekennzeichnet und dementsprechend
nicht bedient. Entsprechend
herzliche Szenen spielten sich in den Bussen
ab, wenn Fahrgäste genau dort aussteigen
wollten, der SEV-Bus aber ungeachtet
des Haltewunsches durchfuhr. Von
der Begeisterung bei den Fahrgästen, die
an besagter Haltestelle auf den SEV warteten,
ganz zu schweigen.
Wundert es noch jemand angesichts
dieser Schilderungen, daß Straßenbahnen
genau dann aus der Endstelle am S-Bahnhof
Schöneweide abfuhren, wenn die
SEV-Busse aus Johannisthal eintrafen?
Das wurde jedenfalls mehrfach beobachtet
- die sowieso schon genervten Fahrgäste
verliehen dann ihrer tiefen Dankbarkeit
jeweils gegenüber dem Fahrer des irgendwann
nachfolgenden Zuges Ausdruck. Daß die eingesetzten SEV-Busse
abenteuerliche Zielschilder führten, die
bestenfalls als kurios bezeichnet werden
können, war da schon nicht mehr überraschend.
Eine kleine Auswahl:
- leeres Zielfeld,
- nur Liniennummer,
- nur Liniennummer und „SEV" bzw.
„Ersatzverkehr" (fast die beste Variante
- kaum Fehlermöglichkeiten),
- bei Bussen Richtung Haeckelstraße
die Ziel-Angabe „Landsberger Allee/Petersburger
Straße" ein Straßenbahnsymbol,
sonst nichts,
- das alte Bundesbahn-Logo (sie!) und
„Schienenersatzverkehr"
- in Richtung S-Bahnhof Schöneweide
unabhängig davon, ob der Bus SEV
für die Linie 27 oder 67 fuhr: „Landsberger
Allee/Petersburger Straße" -
die 67 fährt aber bekanntlich zum
Krankenhaus Köpenick.
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An diesen falsch eingezeichneten Haltestellen orientierten sich die Planer. Quelle: BVG-Atlas |
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Besonders das letzte Beispiel zeigt eindrucksvoll,
wie unbefriedigend und irreführend
der von der BVG eisern vertretene
Standpunkt ist, an SEV-Bussen und an
umgeleiteten Straßenbahnen das - lediglich
hypothetische - „fahrplangemäße"
Ziel laut Kursbuch anzuzeigen. Die Fahrgäste,
die einen Bus mit dem Zielschild
„Landsberger Allee/Petersburger Straße"
sehen, hoffen ohnehin, daß der SEV nicht
wirklich bis dorthin dauert. Die häufig zitierten
ortsfremden Fahrgäste haben davon
aber auch nichts, denn sie interessiert
nur die Frage, ob der Bus zum S-Bahnhof
Schöneweide fährt oder nicht - im Zweifelsfall
müssen sie ohnehin fragen. Und es
würden der BVG eine Reihe von Überlegungen
(die man sich dort aber anscheinend
schenkt) in punkto Umschildern erspart:
bei einer Angabe der tats„chlichen
Fahrtziele des SEV „Johannisthal, Haeckelstraße"
(bzw. „S Schöneweide" in der Gegenrichtung)
wäre zum einen die Liniennummer
in der Tat irrelevant (27 und 67
fahren hier auf identischem Weg). Die
Möglichkeit von Fehlern wäre folglich etwas
geringer gewesen. Außerdem können
eventuelle im weiteren Verlauf der
Linie im Fahrplan vorgesehene Änderungen
der Linienziele guten Gewissens unberücksichtigt
bleiben - jetzt bleiben sie
es ja auch. Oder glaubt jemand ernsthaft,
daß an den Ersatzbussen für die 27 nach
20 Uhr statt „Landsberger Allee, Petersburger
Straße" nun korrekt umgeschildert
wurde auf „ S+U Lichtenberg"? Eine
rein hypothetische Frage...
Am Morgen des 24. November 2000
wurde der Straßenbahnverkehr in Köpenick
wiederaufgenommen. Dafür wurde
die Sperrzone im Raum Schöneweide
deutlich ausgedehnt: südwestlich der
Kreuzung Wilhelminenhofstraße/Edisonstraße
(„Königsplatz") fuhren jetzt gar
keine Straßenbahnen mehr. Auch die Linien,
die an der Gleisschleife am S-Bahnhof
Schöneweide enden, mußten auf Grund
der Abschlußarbeiten bei der Sanierung
der Treskowbrücke im SEV befahren werden.
In der Zwischenzeit hatte die BVG
nach massiver Intervention der IGEB wenigstens
rudimentäre Bauinfo-Tafeln aufgestellt.
Trotzdem wurden nach wie vor
aber an zahlreichen SEV-Haltestellen keine
Fahrpläne für die Busse gesichtet.
Auch die Nachrüstung der schon erwähnten
Haltestelle Sterndamm/Königsheideweg
mit der Kennzeichnung als SEV-Halt
unterblieb. Das war aber nicht ganz so
schlimm, denn jetzt hielten dort endlich
alle Busse, da die Fahrer dazugelernt hatten...
Die Steigerung
des Unsinns
... bis zum 5. Dezember 2000. Ab diesem
Zeitpunkt fuhren alle SEV-Busse konsequent
durch. Verschiedene zur Rede
gestellte Fahrer beriefen sich auf eine Anweisung
„von oben", wonach an dieser
Haltestelle nicht mehr gehalten werden dürfe.
In Zusammenarbeit mit dem BVG-Qualitätsservice
konnte dieser Fehler zwar nach vier Tagen
geklärt werden. Es bleibt aber die Frage,
wie man eine Haltestelle
entlang des Linienweges von SEV-Bussen
einfach „vergessen" kann, und
warum mehrfache intensive Bemühungen
seitens der IGEB nötig waren, um die
Anbringung des „Ersatzverkehr"-Schildes
und den Halt aller Busse zu veranlassen.
Oder sollte das Auslassen dieser Haltestelle
doch Absicht gewesen sein? Vielleicht
hat ja ein Planungsstratege einen tiefen
Blick in das - trotz wiederholter Korrekturvorschläge
durch die IGEB - nach wie
vor fehlerhafte Kartenmaterial getan (siehe
Abbildung oben), und ist zu dem
Schluß gekommen, daß hier zwei Haltestellen
unnötig „dicht" beieinanderlägen?
Solche Entscheidungen können
aber nicht vom „grünen Tisch" aus getroffen
werden, sondern sie müssen vor
Ort überprüft und ggf. unmittelbar korrigiert
werden.
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Straßenbahnschleuse ohne Straßenbahnverkehr - aber mit Behinderung der SEV-Busse. Foto: Matthias Gibtner, Dezember 2000 |
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Das Auslassen von Haltestellen ist jedenfalls
eine Einsparmaßnahme zu Lasten
der Fahrgäste, die nicht zu tolerieren ist.
Bei künftigen SEV's muß sich das Augenmark
nicht nur auf das IGEB-Lieblingsthema
„Fahrgast-Information" richten, sondern
auch Linienführung und bediente
Haltestellen bewerten. Deshalb ergeht
auch ein Aufruf an Sie, unsere Leser:
Wenn Sie in Ihrem persönlichen Umfeld
bei Baumaßnahmen vergleichbare Beispiele
erleben, so teilen Sie uns dies bitte
mit. Die IGEB wird versuchen, mit der
BVG Lösungen zu finden - hoffentlich ist
nicht wieder ein Monat nötig.
Ein Nachsatz: War schon der SEV ein
Trauerspiel, soweit er in der Verantwortung
der BVG lag, so empört einmal mehr
die Nicht-Organisation des ÖPNV durch die
Straßenverkehrsbehörde. Anstatt für die SEV-Busse
die nicht benutzten Fahrbahnen der
Schloßbrücke in Köpenick freizugeben, mußten
sie sich im MIV-Stau anstellen. Ebenso in
Oberschöneweide am Königsplatz: die sogenannten
Pförtnerschaltungen für die Straßenbahn
aus Richtung S-Bahnhof Schöneweide
sind zwar aus Sicherheitsgründen
notwendig, gleichwohl aber berüchtigt.
Nicht selten vergehen ein bis zwei
Minuten, bevor eine Straßenbahn in die Haltestelle
einfahren darf -
und noch einmal die gleiche Zeit, bis sie nach
erfolgtem Fahrgastwechsel zum Beispiel
nach Köpenick abbiegen darf. Obwohl keine Straßenbahnen
verkehrten - und folglich keine Haltestellenbereiche
abzusichern waren - , so wurden
doch trotzdem die Pförtnerampeln nicht außer Betrieb genommen.
Die Folge: die SEV-Busse wurden
durch die Pförtnerampeln zusätzlich
aufgehalten. Es wird Zeit, daß der Straßenverkehrsbehörde
neue Prioritäten gesetzt werden und bei Baumaßnahmen an
den Lichtsignalanlagen die Belange des
ÖPNV berücksichtigt werden. IGEB,
Abteilung Fahrgastbelange
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