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Die Deutsche Bahn AG will im Fernverkehr
jährlich auf rund 18 Millionen Zugkilometer
verzichten, was grob einer täglichen
Leistung von etwa hundert Zügen entspricht.
Ab 2003 sollen bundesweit weitere rund
23 Millionen Zugkilometer entfallen.
insgesamt würden die Angebote
im Reiseverkehr um nahezu ein Viertel gekürzt.
Die Streichungen zielen darauf, den
Fernverkehr auf die großen Zentren zu
konzentrieren, zum Nachteil der Regionen.
Wirtschaftlichkeit
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Die Deutsche Bahn AG setzt im Fernverkehr künftig vorrangig auf den ICE. Für die Fahrgäste bedeutet dies allerdings: häufiger umsteigen und höhere Fahrpreise. Aufgenommen wurde der ICE-T auf dem Berliner Außenring. Foto: Christian Schulz, August 2000 |
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Nunmehr will das Bahn-Management insbesondere
auf den Interregio verzichten,
ihn durch regionale Expreßzüge ersetzen.
Es begründet den Verzicht mit „Kosten in
dreistelliger Millionenhöhe". Damit ist ein
vergleichsweise geringer Fehlbetrag von
etwa 300 Millionen Mark gemeint, der
weniger ausmacht, als der Betrag, den die
Bundesregierung den Fahrgästen mit der
Mehrwertsteuer abverlangt.
Eine etwas drastischere Einschätzung
der Hintergründe gab Professor Karl-Dieter
Bodack, der an der Entwicklung des
Produkts Interregio maßgeblich beteiligt
war: „Als die Ergebnisse des Personenfernverkehrs
trotz der Expansion des ICE-Netzes immer
schlechter wurden, schnitt
man 1999 wesentliche Teile aus dem
Interregio-Netz und kappte eine Reihe von
Verbindungen, unter anderem die Linien
Ruhrgebiet - Berlin und Stuttgart - München - offensichtlich
mit dem Ziel, die
unzureichend ausgelasteten ICE- und IC-Züge zu füllen."
(Eisenbahn-Revue International Nr. 12/2000).
Nach Angaben der Deutschen Bahn
braucht eine Interregio-Linie, um wirtschaftlich
zu sein, im Jahresdurchschnitt
eine Auslastung von 190 Reisenden.
Wenn die Züge aber im Durchschnitt mit
170 Reisenden besetzt sind, dann sollten
daraus keine falschen Schlüsse gezogen
werden. Was für diese Züge und für die
Bahn fehlt, sind überzeugende Angebote
und eine effiziente Marketing-Offensive.
Aufs Abstellgleis gehören nicht die Züge,
sondern die Werbe-Strategen der Bahn!
Bund & Länder
Eigentümer der Bahn ist zu 100 Prozent
der Bund. Für den Schienenverkehr gilt
der Verfassungsauftrag gemäß Grundgesetz-Artikel 87e.
Deshalb überweist der
Bund für Aufgaben des Nahverkehrs zurzeit
jährlich etwa 13,4 Milliarden Mark an
die Länder. Mit dem Versuch, Fernzüge
durch Nahverkehrszüge zu ersetzen, zielt
die Bahn auf die - zweckfremde - Verwendung
von Nahverkehrsgeldern des
Bundes. Sie will eine Fernverkehrs-Aufgabe
des Bundes, die ihr vom Bund übertragen
wurde, zu einer „Nahverkehrs-Aufgabe"
der Länder machen.
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Von den Bahnchefs seit Jahren vernachlässigt: der Interregio. Im Bild IR 2274 nach Rostock bei der Durchfahrt im Bahnhof Blankenfelde. Foto: Christian Schulz, Dezember 2000 |
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Den Ländern könnten dabei Zusatzkosten
entstehen, und ohne zusätzliche Finanzen
müßte an anderer Stelle im Schienen-Nahverkehr
gespart werden. Die baden-württembergische Landesregierung
beantwortete eine diesbezügliche Anfrage
der Grünen im Landtag dahingehend,
daß - sollten Fernverkehrsleistungen eingestellt
werden - „das Land Ersatzleistungen
im Nahverkehr nur dann bestellen
könne, „wenn der Bund die Regionalisierungsmittel
entsprechend aufstockt. Der
Bund ist hierzu, soweit ersichtlich, jedoch
nicht bereit."
Raumordnung und
„blaue Züge"
1996 wie 1999 erreichte der Interregio
1,1 Milliarden DM Umsatz, der Intercity
schrumpfte um 0,2 auf 1,9 Milliarden DM
und nur der Intercity-Express entwickelte
sich um 0,4 auf 1,9 Milliarden DM. Die
zwanghafte Konkurrenz zum Flugzeug ist
der Grund, weshalb einseitig auf die „weißen Züge"
(Intercity-Express, ICE) gesetzt
wurde. Rote Intercity-Züge und vor allem
die blauen Interregios gerieten ins Hintertreffen,
obwohl die Aufgaben klar verteilt
sind: Intercity und Intercity-Express sollten
die 140 Oberzentren bundesweit verbinden; während
der Interregio (teils auch
der Intercity) die 931 Mittelzentren zu verbinden hat.
Bislang allerdings ließen Bahn
und Politik den Interregio-Verkehr dies
nicht einmal zur Hälfte leisten!
Der Grundgesetz-Artikel 87e, die durchschnittliche
Auslastung, die Aufgabenstellung und die
Zuordnung der Interregio-Züge zur DB Reise&Touristik belegen:
Interregio-Verkehr ist Fernverkehr und damit
aus Mitteln der Bahn zu finanzieren.
Wer, wie das Bahn-Management, den Interregio
einstellen will, der stellt Reisende
und Gesellschaft vor die Alternative:
- Entweder diese Verkehrsangebote
entfallen; dann gibt es qualitative
Verluste an Schienenverkehrs-Angeboten
und das Zerreißen der Netzstruktur
- oder diese Verkehrsangebote Werden
von anderen gewährleistet und
finanziert. Entsprechend Wären die
Regionalisierungsmittel aufzustocken
(und im übrigen auch das Regionalisierungsgesetz
entsprechend zu
verändern).
Fazit
Regionalisierungsmittel
garantieren!
Die Höhe der Finanzmittel, insbesondere
für Zugbestellungen der Länder im Eisenbahn-Nahverkehr
gemäß Regionalisierungsgesetz, ist
längerfristig zu garantieren, und
außerdem ist eine Dynamisierung dieser
Bundesmittel entsprechend
der Inflationsrate festzulegen. Darüber
hinaus muß das Regionalisierungsgesetz
dahingehend verändert Werden, daß Regionalisierungsmittel
verpflichtend für
den Verkehr auf der Schiene eingesetzt
Werden. Bisher heißt es in § 7: (...) damit
sei „insbesondere Schienenpersonennahverkehr zu finanzieren".
Hinsichtlich des
Interregio gilt:
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Eisenbahnverkehr der Deutschen Bahn AG im Jahre 2050. Aus: Der Rabe Ralf, November 2000 |
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Entweder ist an der bisherigen Regelung
festzuhalten, wonach Interregio-Verkehr
als Fernverkehr definiert ist und von der
Bahn AG zu finanzieren ist. Oder es ist in
Absprache mit den Bundesländern und
mit der Bahn AG eine neue Regelung zu
vereinbaren und gesetzlich zu sichern, um
Interregio-Verkehr vergleichbar dem Nahverkehr
zu bestellen. Im letzteren Fall
müssen jedoch die Bundesmittel erhöht
werden, um diese zusätzliche Verkehrsaufgabe
(gegebenenfalls über das Regionalisierungsgesetz)
zu finanzieren.
Interregio
für die Regionen!
Der Bund als Eigentümer der Deutschen
Bahn AG muß seine Möglichkeiten zur
Einflußnahme nutzen, um die Zuggattung
Interregio zu erhalten und als integralen
Bestandteil des ganzheitlichen Systems Schiene zu entwickeln.
Ein dementsprechender Antrag mit der
Überschrift „Interregio für die Regionen
erhalten" wurde von der PDS im Bundestag
eingebracht. (Bundestags-Drucksache
14/4543). Winfried Wolf (MdB),
Dieter Kaddoura
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