Die BVG kämpft zur Zeit mit einem gravierenden
Busmangel - teils durch die Beschaffungspolitik
selbst verschuldet, teils korrosionsbedingt.
Immer wieder kommt es vor,
daß auf Linien wie 129 oder 148 statt der
dort gewohnten und auch dringend nötigen
Doppeldecker ganz normale 12-Meter-Standardbusse
verkehren. SIGNAL berichtete
zuletzt in Heft 4/2001 . Die BVG schickte
uns anläßlich der auch auf anderen Kanälen
geführten Beschwerde folgende Stellungnahme,
die wir unseren Lesern nicht vorenthalten
wollen.
„Berliner Verkehrsbetriebe
Qualitätsförderung
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15-Meter-Eindeckerbus in Köpenick. Foto: Marc Heller |
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Leider ist es uns auf Grund der bekannt
angespannten Haushaltslage nicht mehr
möglich, eine größere Anzahl von Fahrzeuen
als »stille Reserve« vorzuhalten, um
Engpässe anzufangen. So stehen zur Zeit
wegen der Umrüstung auf das Rechnergestützte
Betriebsleitsystem (RBL) und auch
wegen der verzögerten Auslieferung bestellter
Neufahrzeuge durch die Industrie
zwar insgesamt genügend Fahrzeuge, jedoch
zeitweise nicht genug Fahrzeuge bestimmter
Baureihen zur Verfügung, so daß
auf einzelnen Linien beispielsweise kleinere
oder auch ältere, nicht behindertengerechte
Wagen eingesetzt werden müssen. Wir
bedauern diesen Umstand sehr, können für
diesen Engpaß jedoch nur um Verständnis
bitten.
Grundsätzlich sind wir bemüht, auf den
einzelnen Linien, von gezielten Verstärkungsfahrten
einmal abgesehen, einen
möglichst typenreinen Wageneinsatz zu
planen. Dabei spielt insbesondere die behindertengerechte
bzw. behinderten-freundliche Ausstattung der Wagen eine
nicht unerhebliche Rolle. Befragungen unserer
Kunden zeigten, daß eine einheitliche
Linienbedienung ganz überwiegend gewünscht
wird. Da in jüngster Zeit die Anzahl
der Doppeldeckfahrzeuge aus Altersgründen
stark abgenommen hat, ist der
Einsatz von großräumigen Eindeckfahrzeugen
auch auf Linien, die früher traditionelle
DD-Linien waren, unabdingbar. Es ist zu
erwarten, daß die Zahl der Doppeldecker
auch künftig weiter zurückgehen wird.
Hierbei spielen auch wirtschaftliche Hintergründe
eine Rolle.
Die verschiedenen Baureihen der Niederflurfahrzeuge,
die Standardtypen des Verbandes
deutscher Verkehrsunternehmen
(VDV) darstellen, werden von der Industrie
in großen Serien bundesweit und mithin
deutlich preisgünstiger angeboten als die
fast ausschließlich für Berlin, sozusagen als
Sonderanfertigung, hergestellten Doppeldeckbusse.
Ein Doppeldecker kostet in der
Anschaffung 50 % mehr als ein Eindecker.
Auch bitten wir zu bedenken,
daß die Doppeldecker-Neuserien auf
Grund entsprechender
Richtlinien (Mindestdeckenhöhe
usw.) ca. 20 cm
höher sind als die bisherigen
Altfahrzeuge, und
somit etwa wegen der
notwendigen Brückendurchfahrten
nicht mehr
freizügig im Gesamtnetz
eingesetzt werden können,
sondern nur noch
auf 14 Omnibuslinien.
Dies stellt einen ganz erheblichen
betrieblichen
Nachteil dar.
Unter Berücksichtigung aller Aspekte
wurde für die Bestandsentwicklung der
BVG festgelegt, daß sich die Bestandszahlen
für die Omnibustypen folgendermaßen
darstellen: ca. 30 % Doppeldecker, ca. 30 %
Schubgelenkbus/15-Meter-Niederflurwagen,
ca. 40 % Eindecker.
Dies führt im Falle des Fahrzeugtyps Doppeldecker
dazu, daß sich die Stückzahl von
ca. 600 Omnibussen auf ca. 400 Stück reduziert.
Diese Anpassung erfolgt entsprechend
der Beschaffung von Neufahrzeugen
durch Umstellung bestimmter Omnibuslinien
auf andere Omnibustypen. Unter anderem
sind die Linien 221 und 174 bereits auf
15-Meter-Niederflurfahreuge umgestellt
und damit, was uns sehr freut, als behindertengerechte
Linien ausgestattet.
Sicherlich bieten die großräumigen Niederflurbusse
trotz ihrer großen Kapazität
einen insgesamt geringeren Sitzplatzanteil
als die Doppeldecker, Wir verstehen, daß
dieser Umstand für diejenigen Kunden, die
längere Reisewege zurücklegen, nicht optimal
sein kann. Wir rechnen jedoch mit ihrem
Verständnis, daß in der Gesamtbetrachtung
aller Belange hier ein leider notwendiger
Kompromiß gesucht werden
mußte."
Nun kann man den Doppeldeckern
durchaus zwiespältige Gefühle entgegenbringen,
übermäßig komfortabel (außer bei
der Zahl der Sitzplätze) und fahrgastfreundlich
sind sie nämlich nicht, außerdem lässt
sich die Industrie diese Fahrzeuge mit Apothekerpreisen
vergolden.
Allerdings ist auch bei dem anderen großen
Fahrzeugtyp - den Gelenkbussen - eine
Stagnation eingetreten. Nachdem in den
90er Jahren bei der BVG die jahrzehntealte
ideologische Blockade gegen Gelenkbusse
gefallen schien und auch einige Neuanschaffungen
erfolgten, ist mit der Ausmusterung der Ikarus 280-Baureihe die Zahl
der langen Fahrzeuge wieder deutlich zurückgegangen.
Und zumindest hier zieht
das Kostenargument nicht, denn GN-Busse
können von vielen Anbietern in großen
Stückzahlen und »von der Stange« gekauft
werden. Warum die BVG das nicht tut,
bleibt rätselhaft. So ist zumindest zu hoffen,
daß die jüngst gebraucht aus Dresden gekauften
Gelenkbusse nicht - wie angedroht
- nach dem Sommer wieder verkauft werden,
sondern dauerhaft helfen, den Fahrzeugmangel
und -fehleinsatz auf wichtigen
Berliner Linien zu beenden.
Ein weiteres Problem:
Zerkratzte Scheiben
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Ganzwerbung, die über die Scheiben geht: Gut für die Kassen der BVG, schlecht für Fahrgäste. Foto: Marc Heller, Mai 2001 |
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Leider wird es zunehmend zum Alltag: wer
mit der BVG unterwegs ist, kann durch die
einstmals großzügigen Seitenscheiben der
Fahrzeuge die Stadt nur noch schemenhaft
wahrnehmen. Entweder haben sich ein
paar schwer pubertierende Scratcher verewigt,
oder es waren die „Sticker" am Werk.
Bei denen handelt es sich allerdings nicht
um eine neue Spezies von Freizeitkünstlern,
sondern um die BVG selbst, die neuerdings
jeden freien Quadratzentimeter Glas mit
weitgehend undurchsichtigen Werbefolien
beklebt. Zuletzt hatten wir in Signal 4-5/2000
darüber berichtet, unabhängig davon
erreichte uns eine Stellungnahme der BVG,
Abteilung Qualitätsmanagement:
„Die von Ihnen bemängelten Beeinträchtigungen
von Fahrten mit dem Bus durch die
Ganzwerbung an den Fahrzeugen bedauern
wir sehr. Wir haben Ihr Anliegen an den
zuständigen Unternehmensbereich zur
Kenntnisnahme und zur Auswertung weitergeleitet.
Die Anbringung von Werbung an unseren
Fahrzeugen stellt ein recht sensibles
Problem dar. Wir verstehen den Wunsch
unserer Kunden, während der Fahrt unbeeinträchtigt
den Blick aus dem Fenster zu
genießen. Andererseits unterliegen wir als
Unternehmen einer Verpflichtung zu strenger
Wirtschaftlichkeit. Wir möchten Sie darauf
hinweisen, daß neben den Erlösen aus
dem Fahrscheinverkehr die Werbeerträge
einen sehr erheblichen Teil unserer Einnahmen
darstellen. Im Interesse möglichst stabiler
Fahrpreise für unsere Kunden und aus
der Verantwortung gegenüber der öffentliehen
Hand sind wir verpflichtet, auch diese
Erlösquelle zu nutzen.
Wir möchten Sie ganz herzlich um Verständnis
bitten, daß wir aus diesen Gründen
gezwungen sind, hier einen Kompromiß
zwischen dem Wunsch unserer Kunden
und dem Anliegen der Werbewirtschaft
nach einer möglichst effektiven Präsentation
zu suchen. Ganzwerbung an Bussen und
Straßenbahnen ist mittlerweise bundesweit
in vielen Städten üblich.
Seit kurzem werden auch in Berlin Versuche
mit verschiedenen Formen der Ganzwerbung
durchgeführt, um einen möglichst
annehmbaren Interessenausgleich zu
erreichen. Durch eine besondere gepunktete
Ausführung der Folien und durch die
Verwendung eines transparenten Materials
versuchen wir, die freie Sicht auch weiterhin
zu gewährleisten. Auch sind viele sehr unterschiedlichen
Meinungen und Vorschläge,
die uns bisher erreichten, in die praktische
Umsetzung eingeflossen. In diesem Zusammenhang
danken wir auch Ihnen für Ihren
Vorschlag, die von besonders vielen Besuchern
genutzten Linien 100 und 200 nicht
mit Ganzwerbung zu versehen.
Wir hoffen, daß wir mit diesen Erläuterungen
etwas Hintergrundinformation vermitteln
konnten. Da wir allen unseren Kunden
und Gästen gern weiterhin unser dichtes
Verkehrsangebot in allen Bereichen der
Stadt rund um die Uhr bereitstellen möchten,
rechnen wir für die kleinen Beeinträchtigungen
mit ihrem Verständnis."
Es war bisher nirgendwo davon die Rede,
daß die BVG zur Aufrechterhaltung ihres
Betriebs zwingend auf Werbeeinnahnen
angewiesen ist. Das steht so auch nicht im
Unternehmensvertrag mit dem Land Berlin.
Die BVG scheint aber inzwischen der Meinung
zu sein, daß das Aus-dem-Fenster-Sehen
ein freiwillig gewährter Luxus ist, den
man den Fahrgästen auch jederzeit wieder
entziehen kann. Wenn die Werbeeinnahmen
für die BVG tatsächlich so wichtig sind,
daß sie bedenkenlos ihren Kunden Sichthindernisse
vor die Nase klebt, dann sollte sie
bei künftigen Fahrzeugbestellungen vielleicht
statt der Fenster wieder durchgehende
Seitenbleche einbauen lassen... IGEB,
Abteilung Fahrgastbelange
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