Berlin

Planfeststellungsverfahren Ostkreuz

Vor kurzem lagen die Planfeststellungsunterlagen zum Umbau des maroden Bahnhofes Ostkreuz öffentlich aus. Der Bahnhof soll völlig neu gestaltet und umgebaut werden.

Die unteren S-Bahnsteige sollen für die in Ost-West-Richtung verlaufenden Linien zugunsten eines Richtungsbetriebes umgebaut werden, so dass die Fahrgäste alle in die jeweilige Fahrtrichtung verkehrenden Züge nutzen können. Zukünftig werden am Bahnhof Ostkreuz aber auch Regionalzüge an den drei neu entstehenden Regionalbahnsteigen der Frankfurter, Wriezener und der Ringbahn halten können. Die jeweiligen S- und Regionalbahnsteige sollen über großzügige Treppen, Fahrtreppen und Aufzüge miteinander verbunden werden, so dass sich die Situation für die umsteigenden Fahrgäste deutlich verbessern wird. Während der Bauzeit soll es keine wesentlichen Betriebseinschränkungen auf der S-Bahn sowie bei Regional- und Fernbahn geben. Der dadurch vorgesehene etappenweise Umbau, der 2004 beginnen soll, wird allerdings voraussichtlich acht Jahre in Anspruch nehmen. Die Umbaukosten werden auf ca. 350 Millionen Euro geschätzt.

Der Berliner Fahrgastverband IGEB hat im Rahmen des Planfestestellungsverfahrens zu den öffentlich ausgelegten Plänen folgende Stellungnahme abgegeben:

Bahnhofsschild Ostkreuz
Foto: Alexander Frenzel

„Der Berliner Fahrgastverband IGEB e.V. begrüßt das beabsichtigte Bauvorhaben, da es eine wesentliche Verbesserung der Zugangs- und Umsteigesituation am S-Bahnhof Ostkreuz und durch die geplanten Regionalbahnsteige eine deutliche Verbesserung der Vernetzung zwischen S-Bahn- und Regionalbahnnetz darstellt.

Zu folgenden Punkten sind die Planungen aus Fahrgastsicht jedoch korrekturbedürftig:

Wriezener Bahn

  • Eine Verlängerung der Fernbahngleise der Wriezener Bahn zum Ostbahnhof und eine Weiterführung auf die Stadtbahn würde eine durchgreifende Verbesserung für die Fahrgäste der RB 25 (Wriezener Bahn) und RB 26 (Ostbahn) darstellen, die sogar für den internationalen Verkehr Bedeutung hätte. Dazu müssen die S-Bahngleise zwischen Warschauer Brücke und Ostbahnhof unterquert werden. Eine entsprechende konzeptionelle Berücksichtigung einer solchen Trasse geht aus den Unterlagen nicht hervor.

    Auch wenn die Realisierung einer solche Verbindung im Augenblick nicht finanzierbar scheint, so sollte zumindest im Rahmen dieses Planfeststellungsverfahrens eine entsprechende bauliche Option für ein Gleispaar berücksichtigt und eventuelle bauliche Vorleistungen mit erbracht werden (vgl. Option für Autobahntrasse), da eine spätere Realisierung nur mit wesentlich höherem Aufwand möglich wäre.

  • Als erster Schritt würde bereits eine Verlängerung der beiden Regionalbahnlinien RB 25 und RB 26 bis zum Ostkreuz eine deutliche Verbesserung für die Fahrgäste darstellen, da somit die Ringbahnlinien direkt erreicht werden könnten. Um entsprechende betriebliche Engpässe zu vermeiden, sollte deshalb auch der zweiten (Seiten-)Bahnsteig der Wriezener Bahn in diesem Verfahren planfestgestellt und baulich realisiert werden.
  • Aus diesen Gründen sollte auch der Bau des zweiten Fernbahngleises mindestens zwischen Ostkreuz und Lichtenberg Bestandteil der Planfeststellung und Realisierung des Projektes „Umbau Bahnhof Ostkreuz" werden. Da die Darstellungen in den ausliegenden Plänen nicht eindeutig sind, weisen wir vorsichtshalber daraufhin, dass eine „mänandrierende" Führung des ersten Fernbahngleises, das offenbar abschnittsweise auf die Trasse des optierten zweiten Gleises schwenkt, in jedem Fall zu vermeiden ist. Bei einem späteren Bau des zweiten Gleises würden ansonsten vermeidbare Mehraufwendungen entstehen.
  • Offenbar sollen die Bahnsteige der Wriezener Bahn nur mit einer Länge von 140 Meter gebaut werden. Die Bahnsteige wären damit wesentlich kürzer als die üblichen Regellängen und die anderen Regionalbahnsteigen am Bahnhof Ostkreuz, die mit einer Länge von jeweils 210 Meter errichtet werden. Dies würde eine inakzeptable Beschränkung auf den Betrieb von Zügen mit maximal vier Wagen bedeuten, was der zukünftigen Bedeutung der Verbindung nicht gerecht wird. Auch die Bahnsteige der Wriezener Bahn sollten daher mit dem Standardmaß von 210 Meter geplant werden.

Erreichbarkeit des Bahnhofs

  • Die Durchführung eines separaten Planfeststellungsverfahrens für die Straßenbahntrasse im Bereich des nördlichen Bahnhofszugangs ist nachvollziehbar. Die vorgesehene Straßenbahntrasse sollte aber als ÖPNV-Trasse geplant werden, damit auch die Buslinie 240 bis direkt an den Bahnhof Ostkreuz geführt werden kann. Da diese Trasse unmittelbar zur Erschließung des Bahnhofes dient, muss sie auch Bestandteil dieses Planfeststellungsverfahrens und (zumindest die Befahrbarkeit für den Bus) im zeitlichen Zusammenhang mit dem Bahnhofsbau realisiert werden.
  • Im Zusammenhang mit den offenbar abweichend zu den ausliegenden Plänen diskutierten Veränderungen im Bereich der Hauptstraße ist sicherzustellen, dass auch bei einer baulichen Umgestaltung eine sichere Erreichbarkeit der Haltestelle der Buslinie 194 auf der Südseite der Hauptstraße durch einen Fußgängerüberweg bzw. Lichtzeichenanlagen unmittelbar im Bereich des Empfangsgebäudes ermöglicht wird.
  • Angesichts der zukünftigen Bedeutung des Bahnhofs Ostkreuz sind die insgesamt vorgesehenen 300 Fahrradabstellplätze sicher nicht ausreichend. Wir regen daher eine deutliche Ausweitung der Zahl der Fahrradabstellanlagen insbesondere am Nordzugang des Bahnhofs an.

Bauzeitliche Maßnahmen

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Baumaßnahmen im Wesentlichen ohne Betriebsunterbrechungen durchgeführt werden sollen. Einige der bauzeitlichen Maßnahmen sind in der vorgesehenen Form jedoch nicht sachgerecht und bedürfen der Korrektur:

Umfahrungsgleis Wriezener Bahn

Model des neuen Ostkreuz
Der neue Bahnhof Ostkreuz nach dem Neubau aus Richtung aus Richtung Norden. In der Bildmitte quer die Bahnsteige von/zur Stadtbahn. Links die neue Ringbahnhalle (große Halle) mit der Regionalbahnhalle (kleine Halle). Die Straßenbahn hält direkt am Bahnhof. Modell: DB Projektbau, Foto: Florian Müller

Aufwand und Nutzen dieses Umfahrungsgleises stehen in einem krassen Missverhältnis: Für die nur wenigen Betriebsfahrten zum Talgo-Betriebswerk würden durch das provisorische Brückenbauwerk und die dadurch verursachten erheblichen städtebaulichen und naturschutzrechtlichen Eingriffe umfangreiche Finanzmittel gebunden werden, die an anderer Stelle (siehe oben) sehr viel sinnvoller zugunsten einer dauerhaften Verbesserung der Infrastruktur eingesetzt werden sollten.

Sofern für die wenigen Betriebsfahrten ine Mitbenutzung der bestehenden -Bahn-Gleise nicht möglich sein sollte, wäre zu prüfen, ob die Nachtzüge während der nur kurzzeitig notwendigen Sperrung des bestehenden Fernbahngleises nicht an anderer Stelle gewartet werden können.

Umfahrungsgleis Frankfurter Bahn

Auch hier ist die zwingende Notwendigkeit zur Anlage eines provisorischen Umfahrungsgleises (und die dadurch bedingten Zufahrten und Lagerflächen), durch das ebenfalls erhebliche Kosten und vermeidbare städtebauliche und naturschutzrechtliche Eingriffe entstehen, nicht nachvollziehbar. Und schließlich würde der Bau, Betrieb und Rückbau des Umfahrungsgleises auch zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Fahrgäste durch die insgesamt einjährige Sperrung des südlichen Zuganges des S-Bahnhofs Rummelsburg führen. Den Fahrgästen aus den Wohnquartieren entlang der Hauptstraße soll für diesen Zeitraum ein Umweg von rund 300 Meter vom nördlichen Eingang durch die wenig attraktive Unterführung Karlshorster Straße zugemutet werden.

Wir weisen darauf hin, dass bis zum vorgesehenen Zeitpunkt der Realisierung dieses Bauabschnittes der Nord-Süd-Fernbahn-Tunnel bereits in Betrieb sein wird und dies zu einer wesentlichen Entlastung dieses Fernbahnabschnittes beitragen wird. Für den Zeitraum der Baumaßnahmen können aus- und einsetzende Züge zum Betriebswerk Rummelsburg in verstärktem Maße über die dann zur Verfügung stehende Verbindung Ringbahn - Gesundbrunnen - Lehrter Bf geführt werden. Auch die hier durch das entfallende Provisorium eingesparten Mittel sollten zur dauerhaften Verbesserung der Infrastruktur (siehe Anregungen zum Ausbau der Wriezener Bahn) eingesetzt werden.

Option Autobahn

Mit den Vorleistungen für eine Verlängerung der Stadtautobahn A 100 sind finanzielle Aufwendungen und bauliche Erschwernisse für das Bahnbauvorhaben verbunden. Dies wird vom Berliner Fahrgastverband IGEB abgelehnt, da es im Zusammenhang mit dem geplanten Stadtautobahnbau noch grundsätzlich offene Fragen gibt. So ist zum Beispiel nicht erkennbar, wie der Verkehr einer verlängerten Autobahn auf die Frankfurter Allee abgeleitet werden kann."

IGEB

aus SIGNAL 6/2002 (Januar 2003), Seite 16-17

 

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