|
Was ist der Unterschied zwischen
elf Jahren und dreizehn Jahren?
Na? Falsch!
|
400 Meter Neubaustrecke an der Oberbaumbrücke. Foto: Alexander Frenzel |
|
Der Unterschied liegt darin, dass in elf Jahren
(1979 bis 1990) 26 Kilometer Straßenbahn
in Berlin gebaut wurden, in den darauffolgenden
13 Jahren 1990 bis 2003 kam
man auf eine Stilliegung von drei Kilometer
(Altglienicke) und atemberaubende neun
Kilometer Neubau (Osloer Straße, Buchholz,
Alexanderplatz). Ach ja, nicht zu vergessen
die 400 Meter in der Warschauer Straße -
bis zum Prellbock vor der Oberbaumbrücke.
Projekte, die bereits planfestgestellt waren
(Adlershof Wista) wurden ebenso gestrichen
wie die bereits bauvorbereitend
begonnene »Alex II«. Und von für die Zukunft
der Straßenbahn derartig entscheidenden
Trassen wie Potsdamer Straße, Sonnenallee
und Zoologischer Garten wagt
man nur noch im kleinen Kreis am Lagerfeuer
zu erzählen. Von der regierenden SPD
war nichts anderes zu erwarten; sie hat immerhin
in den 1960er Jahren aktiv den Untergang
der West-Berliner Straßenbahn betrieben,
und die allerorts wild wuchernden
Straßen-Neubauten zeigen, daß diese Partei
verkehrspolitisch in den frühen 70ern
stehengeblieben ist. Dass aber auch vom
kleinen Regierungspartner, der seinen Namen
zu Oppositionszeiten gerne mit »Partei
Der Straßenbahn« zu übersetzen pflegte,
seit der Ankunft an den Fleischtöpfen des
Senats keinerlei verkehrspolitische Aussagen
mehr zu vernehmen sind, irritiert doch
etwas.
Der Beschluss zur Umverteilung der Mittel
aus der Tram-Neubaustrecke Alex II in
die Sanierung der U-Bahn-Tunnel im Westteil
der Stadt zeigt die Zwickmühle, in der
sich der einstige Nur-Straßenbahndirektor
nun befindet: er ist trotz der Freude über
die zusätzlichen Mittel für die U-Bahn der
Meinung, dass der begonnene Bau am Alexanderplatz
hätte fertiggestellt werden müssen.
Aber aufgeschoben sei nicht aufgehoben,
zitierte Dr. Predl den Verkehrssenator
und hofft auf einen Baubeginn nach 2006.
Der Glaube kann bekanntlich Berge versetzen
- hoffentlich gilt dies auch mal für
Straßenbahn-Schienen.
Einsparungen bei der Straßenbahn
|
Straßenbahn in der Schönhauser Allee: ab Dezember 40 Prozent weniger Fahrten im Berufsverkehr! Foto: Alexander Frenzel |
|
Positiv und überraschend eindeutig äußerte
sich Predl dagegen zur Zukunft der Straßenbahn-Strecke
nach Nordend (Linie 52):
die BVG denke nicht daran, diese Strecke
stillzulegen, auch wenn übereifrige Beamte
der Stadtentwicklungsverwaltung auf ihren
Plänen solche Absichten bereits in die Welt
hinausposaunen. Diesen Leuten werden
dabei nicht einmal ihre eigenen Widersprüche
bewusst, in die sie sich verwickeln: so
ist auf den gleichen Karten, die behaupten,
»die Straßenbahn nach Nordend rechnet
sich nicht mangels Bedarf«, seit Jahren unbeeinflusst
von den finanziellen Realitäten
eine U-Bahn(!)-Strecke in Verlängerung der
U 2 nach Nordend in Planung. Na ja, solange
das Geld in der Senatsverwaltung für
Stadtentwicklung noch reicht, um den Leuten
Buntstifte zum Vollmalen von Stadtplänen
zu kaufen, kann es ja so schlimm nicht
sein mit der Haushaltslage ...
Neubauten gibt es also nicht - dass in
der Bernauer Straße tatsächlich gebaut
wird, darf man erst glauben, wenn der erste
Zug gefahren ist - aber es droht über kurz
oder lang eine weitere Stillegung: die Boxhagener
Straße steht auf der Abschussliste,
begründet wird dies mit dem hypothetischen
Ostkreuz-Umbau, was aber keineswegs
ein zwingendes Argument ist. Zumal
die Boxhagener Straße der einzige Abschnitt
der Linie 21 ist, der sich vom Fahrgastaufkommen
rechnet. Und: nach Stillegung
dieser Strecke wird man wohl oder
übel einen Bus entlang der Boxhagener
durch dieses dichtbesiedelte Gebiet schicken
müssen. Wo da ein Spareffekt herkommen
soll, weiß wohl niemand so genau.
Im neugewebten Nordnetz werden einige
Linien empfindlich gekürzt. Die 24 entfällt
ganz, die 50 fährt zukünftig zwischen
Französisch Buchholz und Virchow-Klinikum
(abends nur zwischen Buchholz und Björnsonstraße),
52 und 53 verkehren gemeinsam
ab Pastor-Niemöller-Platz zum Kupfergraben
via S-Bahnhof Hackescher Markt,
wobei beide Linien ausgedünnt werden: die
Außenäste in Pankow werden statt im
15-Minuten-Takt nur noch alle 20 Minuten
bedient, in der Innenstadt ergibt sich eine
10-Minuten-Folge. Die 13 ersetzt im südlichen
Abschnitt die 50 und verkehrt - allerdings
im bisherigen Takt - über die Veteranenstraße
und den Nordbahnhof zum Kupfergraben.
Das bedeutet für die Fahrgästeviele
Leistungseinschränkungen im Tagesverkehr,
während in der Schwachverkehrszeit
das Angebot auf ähnlichem Niveau
bleibt. Interessant zu hören war in diesem
Zusammenhang, dass die BVG die mit dem
Senat im Unternehmensvertrag vereinbarten
Nutzwagenkilometer aufgrund der entfallenen
Neubauten deutlich unterschreitet.
Wie passen zu dieser Aussage eigentlich
Angebotskürzungen in der Wisbyer Straße
um 50 Prozent, in der Schönhauser Allee
um 40 Prozent, in der Veteranenstraße um
33 Prozent und im Weinbergswerg, in Rosenthal
und in Niederschönhausen um jeweils
25 Prozent?
Durch die freiwerdenden
GT6N im Zusammenhang mit
dem neuen Nordnetz ergeben
sich immerhin Möglichkeiten,
den Niederflureinsatz
vor allem in Köpenick zu verstärken.
Der S-Bahnhof Schöneweide wird endlich von
Niederflurbahnen (Linie 28)
erreicht. Grünau und Friedrichshagen
werden wegen
technischer Gründe bzw. zu
geringer Fahrgastzahlen weiterhin
keine Niederflur-Einsätze
bekommen.
Bei der Straßenbahn-Beschleunigung
ist die BVG nach eigener Einschätzung
sehr weit gekommen. 85 Prozent
der Anlagen sind beschleunigt,
weitere sind gerade im Bau, der Rest ist planungsbefangen.
Nun ist der Aufbau eines Störungsmanagements
geplant, einzelne Anlagen müssen immer wie
der nachjustiert werden. Einige Teilnehmer
merkten auch an, dass an zahlreichen
Kreuzungen von einer Bevorrechtigung
nicht die Rede sein kann, wenn man davon
absieht, dass sich die Straßenbahn anmelden
»darf«. Häufig heißt dies aber nur, dass
erstmal alle möglichen Linksabbieger links
abbiegen dürfen, bevor die Straßenbahn
endlich ihr Frei-Signal bekommt. Vor diesem
Hintergrund scheint die Aussage Predls ein
wenig zweckoptimistisch zu sein.
U-Bahn
Einen neuen Beschluss des Aufsichtsrats
konnte Dr. Predl in seinem Einführungsvortrag
verkünden. Die Option auf 21 HK-Halbzüge
wird von der BVG eingelöst. Zur Fußball-WM
im Jahr 2006 sollen sie einsatzfähig
sein. Dafür werden in gleichem Umfang
Züge der Baureihe A3 L 67 abgestellt.
Grund ist neben der Möglichkeit der GVFG-Finanzierung
auch die nicht zufriedenstellende
Sanierung älterer Wagen durch den
Mittenwalder Gerätebau.
Im Bauwerksbereich der U-Bahn stehen
erhebliche Arbeiten an, die BVG-Baudirektor
Uwe Kutscher erläuterte.
|
HK-Zug am Endbahnhof Warschauer Brücke. Foto: Frank Böhnke |
|
Dabei handelt es sich um die zweite Phase
der U 5-Sperrung von Frankfurter Allee
bis Tierpark, die in den Sommermonaten
2004 erfolgen wird. Vorher geht es allerdings
schon an der Kreuzberger Hochbahn
weiter. Hinzu kommt ein einwöchiger Pendelbetrieb
auf der U 7 zwischen Britz-Süd
und Rudow. In Rudow sollen Weichen eingebaut
werden, damit in den Schwachverkehrszeiten
am Bahnsteig gekehrt werden
kann. Ein Beispiel für eine sinnvolle Sparmaßnahme,
die das Angebot für die Kunden
nicht schmälert. Wenn man allerdings bedenkt,
dass einst mit riesigem Aufwand
Kehranlagen hinter den Endbahnhöfen errichtet
wurden ...
Auch die Bahnhofsumgestaltung wird
fortgesetzt. Der Schwerpunkt liegt hier neben
der Altbausubstanz bei den Bahnhofsbauten
der 60er und 70er Jahre. So konnten
zum Beispiel in Osloer Straße die Deckenhöhen
um 50 Zentimeter vergrößert werden,
der Bahnhof macht nun einen großzügigeren
Eindruck. Immer mehr Schönheitsreparaturen
sollen dabei durch Mitarbeiter
aus dem Personalüberhang durchgeführt
werden, wie es schon am Siemensdamm
geschehen ist.
Unvermindert fortgesetzt wird das Aufzugsprogramm
mit etwa fünf Stationen pro
Jahr. Leopoldplatz, Tegel, Mehringdamm,
Friedrichstraße, Alexanderplatz, Frankfurter
Allee und Dahlem-Dorf sind als nächstes
auf der Agenda. Zufrieden ist die BVG mit
dem Projekt »zweite Ausgänge«. Ende
2005 sollen alle Tunnelbahnhöfe über zwei
Möglichkeiten zum Betreten und Verlassen
der Bahnsteige verfügen.
IGEB Stadtverkehr
|