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InterConnex Berlin—Zittau—Liberec eingestellt. Ein Nachruf

Am 11. Dezember 2004 machte sich der InterConnex X 88157 letztmalig von Berlin-Lichtenberg auf den Weg nach Liberec (Reichenberg) über Cottbus, Görlitz und Zittau. Zu wenig durchgehende Fahrgäste zwischen Ostsee und Oberlausitz, heißt es in einer Pressemitteilung von Connex. Nachfolgender Beitrag versucht. Gründe für das Scheitern einer attraktiven Fernverkehrsverbindung in eine strukturschwache und noch immer wenig bekannte Tourismusregion im Herzen Europas zu analysieren.

2002: Aufbruchstimmung in der Oberlausitz

Mit dem Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2002 sollte vieles besser werden in der Oberlausitz. Der Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON) hatte nach seiner ersten Ausschreibung die SPNV-Leistungen an zwei neue Verkehrsunternehmen vergeben: Die Sächsisch-Böhmische Eisenbahngesellschaft (SBE) bediente die zwischen Großschönau und Eibau für diesen Zweck reaktivierte Strecke Zittau—Varnsdorf—Eibau und die Connex-Tochter LausitzBahn übernahm die Relation Zittau—Görlitz—Cottbus. Das kommunale Busunternehmen KVG Dreiländereck hatte zu diesem Zweck zwischen Zittau und Görlitz den Busverkehr auf die Bahn ausgerichtet und mit in der Regel täglichen langen Betriebszeiten vertaktet.

InterConnex-Zug
Vorletzte Fahrt des X 88157 am 10. Dezember 2004 von Stralsund über Berlin-Lichtenberg nach Liberec um 19.45 Uhr im Bf Görlitz (2 VT Desiro der LausitzBahn, hinterer VT wird in Görlitz abgehängt). Foto: Matthias Böhm, Zittau

Nach Einstellung der durchgehenden IRZüge von Berlin nach Zittau hatte die DB AG dem starken politischen Druck nachgegeben und zwei Zugpaare des RE 2 (damals noch die Relation Stendal—Rathenow—Berlin—Lübben—Cottbus) über Cottbus hinaus bis Zittau durchgebunden. Im Rahmen der beschriebenen Ausschreibung sind diese beiden durchgebundenen Zugpaare aber „untergegangen" Connex versuchte noch, den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) zu einer Weiterbestellung der durchgehenden Züge von Zittau bis Berlin zu bewegen. Aber der VBB zeigte kein großes Interesse an der Direktverbindung in die Oberlausitz, die für ihn mit der Finanzierung zusätzlicher Zugkilometer zwischen Cottbus und Berlin (wo DB Regio ja weiterhin im Stundentakt fahren sollte) verbunden gewesen wäre.

So entschloß sich Connex, auf eigene Rechnung zumindest ein Zugpaar über Cottbus hinaus bis Berlin zu verlängern und in das noch kleine InterConnex-Netz zu integrieren (Durchbindung bis Stralsund). Diese zweite InterConnex-Linie wurde somit geschickt anteilig über Regionalisierungsmittel des SPNV mitfinanziert: Zwischen Zittau und Cottbus verkehrte das Zugpaar als bestellter Nahverkehrszug, der im Landkreis Löbau-Zittau alle Stationen, zwischen Görlitz und Cottbus nur ausgewählte Bahnhöfe bediente. Ab Cottbus fuhr der Zug dann ohne öffentliche Ausgleichszahlungen über Berlin an die Ostsee.

Die Zeitlage des InterConnex Zugpaares war zwar für die Oberlausitzer sehr attraktiv, da die morgendliche Hinfahrt (Ankunft vor 9 Uhr in Berlin-Lichtenberg) und nachmittägliche Rückfahrt (Abfahrt 16.53 Uhr) ausgedehnte Tagesbesuche in der Bundeshauptstadt ermöglichte. Auch für Wochenendpendler aus der von hoher Arbeitslosigkeit betroffenen Oberlausitz war die Fahrzeit von rund 3,5 Stunden und die morgendliche Ankunft in Berlin zum üblichen Arbeitsbeginn eine Alternative zum Pkw. Für die in der Oberlausitz sehnlichst erwarteten Touristen waren diese Zeitlagen aber relativ uninteressant.

Negativentwicklung

Ging der InterConnex mit dem 15. Dezember 2002 noch täglich an den Start, mußte Connex bereits im Frühjahr 2003 eine Einschränkung auf die Verkehrstage Feitag bis Montag vornehmen.

Die KVG begann schon nach wenigen Monaten, die Ausrichtung ihrer Buslinien auf die LausitzBahn zurückzunehmen, da ihr angeblich erhebliche Verluste durch einen Rückgang der Fahrgastzahlen auf der stark eingeschränkten schienenparallelen Buslinie entstanden waren. Zum Herbst 2003 waren sämtliche Fahrplananpassungen an die LausitzBahn zurück genommen und eine erst im Frühjahr 2002 mit Unterstützung des ZVON (durch die Errichtung einer Schnittstelle Bus/Bahn am Bahnhof Ostritz) eingerichtete Ausflugsbuslinie zum Kloster Marienthal bei Ostritz komplett eingestellt. Nachdem der InterConnex aufgegeben wurde, fuhr besagte Linie wieder Montag bis Freitag mit vier Fahrtenpaaren. Auf geäußerte Wünsche nach einer Busanbindung von Ulbersdorf und Oybin an den InterConnex reagierte die KVG lange Zeit überhaupt nicht.

Aber auch auf der Achse Görlitz—Hagenwerder, die von der Connex-Tochter Verkehrsgesellschaft Görlitz (VGG) erschlossen wird, wurde die von der damals noch gemeinsamen Geschäftsführung von LausitzBahn und VGG angekündigte Stadtverkehrsanpassung nicht umgesetzt. Von den zuständigen ÖPNV-Aufgabenträgern hätte man hier im gesamten Einzugsbereich des InterConnex mehr Druck zur Anpassung des Busverkehrs erwarten können.

Eisenbahnbrücke
Sonderfahrt von Connex zu den Feierlichkeiten der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 von Zittau nach Liberec: Aus diesem Pendelverkehr wurde ab 4. Juni 2004 eine regelmäßige Verlängerung des InterConnex von Binz nach Liberec. Stand am Zittauer Neißeufer, Blick Richtung Polen auf das Neißeviadukt. Foto: Matthias Böhm, Zittau

Wenig kooperativ war von Anfang an auch das Verhalten der DB AG: Nach der anfänglichen Weigerung, den InterConnex im DB-Kursbuch abzudrucken, erschien er dann über mehrere Fahrplantabellen verteilt (darunter die reine RB-Verbindung Berlin—Lübbenau—Senftenberg—Ruhland). Die gute Zusammenarbeit zwischen der LausitzBahn und der SBE wurde von der DB massiv behindert: Obwohl sich beide Unternehmen bei einigen (von DB Netz vorgegebenen) Anschlußbeziehungen in Zittau mit Null Minuten Übergangszeit auf eine Anschlußsicherung (unkompliziert über Handy) verständigten, weigerte sich die DB, dies in ihren Fahrplanmedien als Anschluß auszuweisen. Durch die Ausklammerung des InterConnex aus dem DB-Vertriebssystem stand Connex fast ohne Vorverkaufsmöglichkeiten da. Inzwischen gibt es im Bahnhof Görlitz eine Mobilitätszentrale von LausitzBahn und VGG, die aber den InterConnex auch nicht mehr retten konnte.

Insgesamt verhielt sich die Region zu passiv: Freizeiteinrichtungen sahen in dem InterConnex vermutlich eher eine Gefahr des Abzugs von Besuchern (Richtung Ostsee), die Werbung für die neue Verbindung durch Kommunen und öffentliche Einrichtungen war eher dürftig. So wurde trotz attraktiver Sondertarife für Studenten das Angebot von Connex an der Hochschule Zittau/Görlitz so schlecht kommuniziert, daß selbst zwei Jahre nach Einführung etliche Studenten die Vorteile der Verbindung nicht kannten. Aufgrund der ständig nachrückenden neuen Studenten wäre hier eine kontinuierliche Informationskampagne erforderlich gewesen.

Zwar dürfen sich die Verkehrsunternehmen in den touristischen Hochglanzbroschüren (für teures Geld) mit Anzeigen präsentieren, in den Übersichtskarten werden für die Anreise aber nur Autobahn und Bundesstraßen dick hervorgehoben. Das Bahnnetz - wenn überhaupt dargestellt - weist häufig Fehler und Unvollständigkeiten auf.

Rettungsversuche

Parallel zum beschriebenen Rückzug von einem täglichen Angebot auf den Zeitraum Freitag bis Montag unternahm Connex etliche Versuche, die Fernverkehrsverbindung attraktiver zu machen und weitere Fahrgastpotentiale zu erschließen:

Ab 4. April 2003 bot Connex mit der Anklamer Verkehrsgesellschaft den „Usedom- Shuttle" als Zu- und Abbringer vom InterConnex vom Bahnhof Anklam zu den Ostseebädern Ahlbeck und Heringsdorf auf Usedom an. Bemerkenswert waren in diesem Zusammenhang die Serviceleistungen im Störungsfalle: Sollte der Buszubringer den InterConnex in Anklam verpassen, sicherte Connex die Weiterbeförderung der betroffenen Fahrgäste per Bus zumindest bis Berlin zu.

Ab 24. Mai 2003 wurde der InterConnex bis Oktober von Stralsund nach Binz auf der Ostseeinsel Rügen verlängert (auch in der Saison 2004 praktiziert). Integriert wurde die Verlängerung in das Tarifangebot Rügencard: Inhaber durften auf der gesamten InterConnex-Linie Binz—Zittau zum Ermäßigungstarif fahren.

Anregungen von Fahrgästen kurzfristig aufgreifend, richtete Connex einen zusätzlichen Halt in Lübbenau ein, so daß nun auch aus der Oberlausitz Tagesausflüge in den Spreewald möglich waren. Den neuen Halt in der Niederlausitz nutzte Connex dann auch aufgrund der guten Autobahnanbindung für einen Buszubringer von Dresden, aus dem sich dann vermutlich der ab 12. Dezember 2004 eingerichtete InterConnex Dresden—Berlin ergab.

Kurz nach der EU-Osterweiterung setzte Connex auch ein verkehrspolitisches Zeichen und band den InterConnex ab 4. Juni 2004 von Zittau bis Liberec in der tschechischen Republik durch. Aber auch hier wirkte sich wieder die fehlende Paarigkeit des Angebotes negativ aus: Der InterConnex fuhr erst nach 21 Uhr in Zittau weiter, morgens startete der Zug zu nachtschlafender Zeit um 4.14 Uhr in Liberec. Wobei hier noch einmal erwähnt sei, daßder InterConnex aufgrund der zu dieser Zeit schon eingeschränkten Verkehrstageregelung (nur Freitag bis Montag) überwiegend dem Freizeitverkehr diente.

Tarife

Bahnhofshalle
Mobilitätszentrale der Connex-Töchter LausitzBahn und Verkehrsgesellschaft Görlitz im prächtigen Empfangsgebäude des Bf. Görlitz - einzige eigene Vorverkaufsstelle des InterConnex in der Oberlausitz. Foto: Matthias Böhm, Zittau

Die InterConnex-Tarife waren anfangs unschlagbar: Selbst für BahnCard-lnhaber war der Haustarif des InterConnex noch günstiger. Da es sich zwischen Cottbus und Ostsee um einen Fernverkehrszug handelte, wurde auf diesem Abschnitt das Schönes-Wochenende-Ticket nicht anerkannt, für Jugendliche bis 26 gab es jedoch eine Ermäßigung von 30 Prozent. Für Gruppen- und Vielfahrer wurde eine 10er-Karte mit 15 Prozent Ermäßigung angeboten. Das Tarifsystem des InterConnex war (und ist für die verbliebenen InterConnex-Linien) somit deutlich übersichtlicher als das von der DB AG zum 15. Dezember 2002 entwickelte Frühbucher-Rabattsystem PEP. Aufgrund der beschriebenen Probleme mit dem Vertriebssystem gilt bei Connex zudem eine sehr kundenfreundliche Regelung: „Einfach einsteigen" - einen Bordzuschlag gibt es hier nicht.

Lange konnte Connex diesen Preiskampf mit der DB nicht durchhalten. Zum Schluß waren die InterConnex-Tarife Zittau—Berlin zwar noch immer deutlich günstiger als der DB-Tarif, bei einer Kombination der beiden Verbundtarife ZVON und VBB ergaben sich für viele Reisende jedoch günstigere Möglichkeiten. So erforderte der reine InterConnex-Haustarif (z.B. Zittau—Berlin: 21 Euro) aufgrund der peripheren Lage der bedienten Bahnhöfe (Berlin-Schöneweide) Berlin-Lichtenberg und Berlin-Hohenschönhausen für fast alle Berlin-Reisende auch immer das Lösen mindestens eines VBB-Berlin-AB-Tickets für 2 Euro. Ein VBB-Fahrschein Berlin—Spremberg, der wie jeder Verbundfahrschein den gesamten Stadtverkehr in Berlin beinhaltet, ist bereits für 15,30 Euro zu haben (da im VBB die BahnCard zum Lösen eines VBB-Ermäßigungsfahrscheines berechtigt, ergeben sich selbst bei einer BahnCard 25 nur 11,60 Euro). Der Anschlußfahrschein zum ZVON-Tarif bis Zittau beträgt dann noch einmal 7,70 Euro (der ZVON-Tarif erkennt zwar keine BahnCard an, bietet aber 4er-Karten an, bei denen eine Fahrt dann umgerechnet 6,33 Euro kostet). Die Verbundgrundtarife ergeben mit 23 Euro zwar einen Gleichstand zum Connex-Haustarif + VBB-Stadttarif, Vielfahrer und BahnCard-Inhaber sparen jedoch erheblich mit den Verbundtarifen.

Nun galt der VBB-Tarif auch im eigenwirtschaftlichen Abschnitt des InterConnex zwischen Cottbus und Prenzlau. Die von Connex verkauften VBB-Fahrausweise unterliegen aber der Einnahmeaufteilung und dürften zu einem erheblichen Anteil an andere Unternehmen (z.B. DB Regio) gewandert sein. Ob die vom VBB gezahlten Ausgleichsbeträge für „verbundbedingte Mindereinnahmen" dies kompensiert haben?

Fahrgastzahlen

So schlecht war die Auslastung des InterConnex zwischen Berlin und Zittau nicht: Bereits kurze Zeit nach Betriebsaufnahme mußte die LausitzBahn auf Doppeltraktion umstellen. Der morgendliche InterConnex Richtung Ostsee fuhr montags noch bis zum Fahrplanwechsel 2004/2005 wegen der Überlagerung mit dem Berufsverkehr zwischen Görlitz und Cottbus sogar in Dreifachtraktion. Erschreckend leer ist der jetzt in Einfachtraktion um 5.07 Uhr in Zittau startende Nahverkehrszug (montags etwa 5 Fahrgäste, während bis zum 11. Dezember 2004 in jeder 4er-Sitzgruppe mindestens 1 Fahrgast gezählt werden konnte).

Bei einer Fahrgastzählung am 10. Dezember 2004 im InterConnex von Berlin nach Zittau wurden in einem der beiden Triebwagen 47 Fahrgäste gezählt. Unter der Annahme einer gleichmäßigen Fahrgastverteilung auf den (bis Görlitz) in Doppeltraktion verkehrenden Zug, dürfte dieser also mit knapp 100 Fahrgästen besetzt gewesen sein. Lediglich der Abschnitt Zittau—Liberec war aufgrund der unglücklich gewählten Fahrzeiten schlecht ausgelastet (ca. 2-5 Fahrgäste pro Zug).

Fazit

Die Einstellung des InterConnex Zittau—Berlin zum 12. Dezember 2004 zeigt, daß es nicht allein an der Unfähigkeit der DB liegt, SPFV flächendeckend eigenwirtschaftlich zu betreiben, wie der Bund sich dies vorgestellt hat: Der Bund muß endlich seine aus dem Grundgesetz abzuleitende Verantwortung wahrnehmen, im SPFV für eine Bedienung zu sorgen, die gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Deutschland schafft. Dafür müssen zusätzliche Mittel bereitgestellt werden. Eine Verlagerung auf die Länder, die mit ihren Regionalisierungsmitteln IR-Ersatzverkehre bestellen müssen, ist verantwortungslos und schwächt den SPNV in der Fläche! Ein Kompromiß könnte sein, daß der Bund beim Fernverkehr in strukturschwachen Räumen nur die hohen Trassenentgelte (Geburtsfehler der Bahnreform) fördert, die übrigen Betriebskosten müßten eigenwirtschaftlich erbracht werden.

Aber auch die regionalen Akteure (kommunale Gebietskörperschaften, Tourismusverbände, Freizeiteinrichtungen, Bus- und Taxiunternehmen usw.) sollten sich fragen, ob man durch Kooperation nicht mehr für sich und die Region erreicht als durch engstirniges Konkurrenzdenken und nur das „Kochen des eigenen Süppchens"

Dem Connex-Konzern gebührt jedoch Dank, zumindest den Versuch gewagt zu haben, eine Fernverkehrsleistung eigenwirtschaftlich in die strukturschwache Oberlausitz anzubieten. Vielleicht ist eine Wiederbelebung bei veränderten politischen Rahmenbedingungen möglich? (mb)

DBV

aus SIGNAL 1/2005 (Februar/März 2005), Seite 28-30

 

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