2002: Aufbruchstimmung in der
Oberlausitz
Mit dem Fahrplanwechsel am 15. Dezember
2002 sollte vieles besser werden in der
Oberlausitz. Der Zweckverband Verkehrsverbund
Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON)
hatte nach seiner ersten Ausschreibung
die SPNV-Leistungen an zwei neue Verkehrsunternehmen
vergeben: Die Sächsisch-Böhmische Eisenbahngesellschaft (SBE)
bediente die zwischen Großschönau und
Eibau für diesen Zweck reaktivierte Strecke
Zittau—Varnsdorf—Eibau und die Connex-Tochter
LausitzBahn übernahm die Relation
Zittau—Görlitz—Cottbus. Das kommunale
Busunternehmen KVG Dreiländereck hatte
zu diesem Zweck zwischen Zittau und Görlitz
den Busverkehr auf die Bahn ausgerichtet
und mit in der Regel täglichen langen
Betriebszeiten vertaktet.
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Vorletzte Fahrt des X 88157 am 10. Dezember 2004 von Stralsund über Berlin-Lichtenberg nach Liberec um 19.45 Uhr im Bf Görlitz (2 VT Desiro der LausitzBahn, hinterer VT wird in Görlitz abgehängt). Foto: Matthias Böhm, Zittau |
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Nach Einstellung der durchgehenden IRZüge
von Berlin nach Zittau hatte die DB
AG dem starken politischen Druck nachgegeben
und zwei Zugpaare des RE 2 (damals
noch die Relation Stendal—Rathenow—Berlin—Lübben—Cottbus)
über Cottbus
hinaus bis Zittau durchgebunden. Im Rahmen
der beschriebenen Ausschreibung sind
diese beiden durchgebundenen Zugpaare
aber „untergegangen" Connex versuchte
noch, den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg
(VBB) zu einer Weiterbestellung
der durchgehenden Züge von Zittau bis
Berlin zu bewegen. Aber der VBB zeigte
kein großes Interesse an der Direktverbindung
in die Oberlausitz, die für ihn mit der
Finanzierung zusätzlicher Zugkilometer
zwischen Cottbus und Berlin (wo DB Regio
ja weiterhin im Stundentakt fahren sollte)
verbunden gewesen wäre.
So entschloß sich Connex, auf eigene
Rechnung zumindest ein Zugpaar über Cottbus
hinaus bis Berlin zu verlängern und in das
noch kleine InterConnex-Netz zu integrieren
(Durchbindung bis Stralsund). Diese zweite
InterConnex-Linie wurde somit geschickt anteilig
über Regionalisierungsmittel des SPNV
mitfinanziert: Zwischen Zittau und Cottbus
verkehrte das Zugpaar als bestellter Nahverkehrszug,
der im Landkreis Löbau-Zittau alle
Stationen, zwischen Görlitz und Cottbus nur
ausgewählte Bahnhöfe bediente. Ab Cottbus
fuhr der Zug dann ohne öffentliche Ausgleichszahlungen
über Berlin an die Ostsee.
Die Zeitlage des InterConnex Zugpaares
war zwar für die Oberlausitzer sehr attraktiv,
da die morgendliche Hinfahrt (Ankunft
vor 9 Uhr in Berlin-Lichtenberg) und nachmittägliche
Rückfahrt (Abfahrt 16.53 Uhr)
ausgedehnte Tagesbesuche in der Bundeshauptstadt
ermöglichte. Auch für Wochenendpendler
aus der von hoher Arbeitslosigkeit
betroffenen Oberlausitz war die Fahrzeit
von rund 3,5 Stunden und die morgendliche
Ankunft in Berlin zum üblichen Arbeitsbeginn
eine Alternative zum Pkw. Für die in der
Oberlausitz sehnlichst erwarteten Touristen
waren diese Zeitlagen aber relativ uninteressant.
Negativentwicklung
Ging der InterConnex mit dem 15. Dezember
2002 noch täglich an den Start, mußte
Connex bereits im Frühjahr 2003 eine Einschränkung
auf die Verkehrstage Feitag bis
Montag vornehmen.
Die KVG begann schon nach wenigen Monaten,
die Ausrichtung ihrer Buslinien auf
die LausitzBahn zurückzunehmen, da ihr
angeblich erhebliche Verluste durch einen
Rückgang der Fahrgastzahlen auf der stark
eingeschränkten schienenparallelen Buslinie
entstanden waren. Zum Herbst 2003 waren
sämtliche Fahrplananpassungen an die LausitzBahn
zurück genommen und eine erst im
Frühjahr 2002 mit Unterstützung des ZVON
(durch die Errichtung einer Schnittstelle
Bus/Bahn am Bahnhof Ostritz) eingerichtete
Ausflugsbuslinie zum Kloster Marienthal
bei Ostritz komplett eingestellt. Nachdem
der InterConnex aufgegeben wurde, fuhr
besagte Linie wieder Montag bis Freitag mit
vier Fahrtenpaaren. Auf geäußerte Wünsche
nach einer Busanbindung von Ulbersdorf
und Oybin an den InterConnex reagierte die
KVG lange Zeit überhaupt nicht.
Aber auch auf der Achse Görlitz—Hagenwerder,
die von der Connex-Tochter Verkehrsgesellschaft
Görlitz (VGG) erschlossen
wird, wurde die von der damals noch gemeinsamen
Geschäftsführung von LausitzBahn
und VGG angekündigte Stadtverkehrsanpassung
nicht umgesetzt. Von den
zuständigen ÖPNV-Aufgabenträgern hätte
man hier im gesamten Einzugsbereich des
InterConnex mehr Druck zur Anpassung des
Busverkehrs erwarten können.
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Sonderfahrt von Connex zu den Feierlichkeiten der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 von Zittau nach Liberec: Aus diesem Pendelverkehr wurde ab 4. Juni 2004 eine regelmäßige Verlängerung des InterConnex von Binz nach Liberec. Stand am Zittauer Neißeufer, Blick Richtung Polen auf das Neißeviadukt. Foto: Matthias Böhm, Zittau |
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Wenig kooperativ war von Anfang an
auch das Verhalten der DB AG: Nach der
anfänglichen Weigerung, den InterConnex
im DB-Kursbuch abzudrucken, erschien
er dann über mehrere Fahrplantabellen
verteilt (darunter die reine RB-Verbindung
Berlin—Lübbenau—Senftenberg—Ruhland).
Die gute Zusammenarbeit zwischen
der LausitzBahn und der SBE wurde von der
DB massiv behindert: Obwohl sich beide
Unternehmen bei einigen (von DB Netz vorgegebenen)
Anschlußbeziehungen in Zittau
mit Null Minuten Übergangszeit auf eine Anschlußsicherung
(unkompliziert über Handy)
verständigten, weigerte sich die DB, dies in
ihren Fahrplanmedien als Anschluß auszuweisen.
Durch die Ausklammerung des InterConnex
aus dem DB-Vertriebssystem stand
Connex fast ohne Vorverkaufsmöglichkeiten
da. Inzwischen gibt es im Bahnhof Görlitz
eine Mobilitätszentrale von LausitzBahn und
VGG, die aber den InterConnex auch nicht
mehr retten konnte.
Insgesamt verhielt sich die Region zu passiv:
Freizeiteinrichtungen sahen in dem InterConnex
vermutlich eher eine Gefahr des
Abzugs von Besuchern (Richtung Ostsee),
die Werbung für die neue Verbindung durch
Kommunen und öffentliche Einrichtungen
war eher dürftig. So wurde trotz attraktiver
Sondertarife für Studenten das Angebot von
Connex an der Hochschule Zittau/Görlitz
so schlecht kommuniziert, daß selbst zwei
Jahre nach Einführung etliche Studenten
die Vorteile der Verbindung nicht kannten.
Aufgrund der ständig nachrückenden neuen
Studenten wäre hier eine kontinuierliche Informationskampagne
erforderlich gewesen.
Zwar dürfen sich die Verkehrsunternehmen
in den touristischen Hochglanzbroschüren
(für teures Geld) mit Anzeigen präsentieren,
in den Übersichtskarten werden für die Anreise
aber nur Autobahn und Bundesstraßen
dick hervorgehoben. Das Bahnnetz - wenn
überhaupt dargestellt - weist häufig Fehler
und Unvollständigkeiten auf.
Rettungsversuche
Parallel zum beschriebenen Rückzug von
einem täglichen Angebot auf den Zeitraum
Freitag bis Montag unternahm Connex etliche
Versuche, die Fernverkehrsverbindung
attraktiver zu machen und weitere Fahrgastpotentiale
zu erschließen:
Ab 4. April 2003 bot Connex mit der
Anklamer Verkehrsgesellschaft den „Usedom-
Shuttle" als Zu- und Abbringer vom
InterConnex vom Bahnhof Anklam zu den
Ostseebädern Ahlbeck und Heringsdorf auf
Usedom an. Bemerkenswert waren in diesem
Zusammenhang die Serviceleistungen
im Störungsfalle: Sollte der Buszubringer
den InterConnex in Anklam verpassen, sicherte
Connex die Weiterbeförderung der
betroffenen Fahrgäste per Bus zumindest
bis Berlin zu.
Ab 24. Mai 2003 wurde der InterConnex
bis Oktober von Stralsund nach Binz auf der
Ostseeinsel Rügen verlängert (auch in der
Saison 2004 praktiziert). Integriert wurde
die Verlängerung in das Tarifangebot Rügencard:
Inhaber durften auf der gesamten
InterConnex-Linie Binz—Zittau zum Ermäßigungstarif
fahren.
Anregungen von Fahrgästen kurzfristig
aufgreifend, richtete Connex einen zusätzlichen
Halt in Lübbenau ein, so daß nun auch
aus der Oberlausitz Tagesausflüge in den
Spreewald möglich waren. Den neuen Halt in
der Niederlausitz nutzte Connex dann auch
aufgrund der guten Autobahnanbindung für
einen Buszubringer von Dresden, aus dem
sich dann vermutlich der ab 12. Dezember
2004 eingerichtete InterConnex Dresden—Berlin ergab.
Kurz nach der EU-Osterweiterung setzte
Connex auch ein verkehrspolitisches Zeichen
und band den InterConnex ab 4. Juni 2004
von Zittau bis Liberec in der tschechischen
Republik durch. Aber auch hier wirkte sich
wieder die fehlende Paarigkeit des Angebotes
negativ aus: Der InterConnex fuhr erst
nach 21 Uhr in Zittau weiter, morgens startete
der Zug zu nachtschlafender Zeit um 4.14
Uhr in Liberec. Wobei hier noch einmal erwähnt
sei, daßder InterConnex aufgrund der
zu dieser Zeit schon eingeschränkten Verkehrstageregelung
(nur Freitag bis Montag)
überwiegend dem Freizeitverkehr diente.
Tarife
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Mobilitätszentrale der Connex-Töchter LausitzBahn und Verkehrsgesellschaft Görlitz im prächtigen Empfangsgebäude des Bf. Görlitz - einzige eigene Vorverkaufsstelle des InterConnex in der Oberlausitz. Foto: Matthias Böhm, Zittau |
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Die InterConnex-Tarife waren anfangs unschlagbar:
Selbst für BahnCard-lnhaber war
der Haustarif des InterConnex noch günstiger.
Da es sich zwischen Cottbus und Ostsee
um einen Fernverkehrszug handelte, wurde
auf diesem Abschnitt das Schönes-Wochenende-Ticket
nicht anerkannt, für Jugendliche
bis 26 gab es jedoch eine Ermäßigung von
30 Prozent. Für Gruppen- und Vielfahrer
wurde eine 10er-Karte mit 15 Prozent Ermäßigung
angeboten. Das Tarifsystem des
InterConnex war (und ist für die verbliebenen
InterConnex-Linien) somit deutlich
übersichtlicher als das von der DB AG zum
15. Dezember 2002 entwickelte Frühbucher-Rabattsystem
PEP. Aufgrund der beschriebenen
Probleme mit dem Vertriebssystem gilt
bei Connex zudem eine sehr kundenfreundliche
Regelung: „Einfach einsteigen" - einen
Bordzuschlag gibt es hier nicht.
Lange konnte Connex diesen Preiskampf
mit der DB nicht durchhalten. Zum Schluß
waren die InterConnex-Tarife Zittau—Berlin
zwar noch immer deutlich günstiger als
der DB-Tarif, bei einer Kombination der beiden
Verbundtarife ZVON und VBB ergaben
sich für viele Reisende jedoch günstigere
Möglichkeiten. So erforderte der reine InterConnex-Haustarif
(z.B. Zittau—Berlin: 21 Euro) aufgrund der peripheren Lage der
bedienten Bahnhöfe (Berlin-Schöneweide)
Berlin-Lichtenberg und Berlin-Hohenschönhausen
für fast alle Berlin-Reisende
auch immer das Lösen mindestens eines
VBB-Berlin-AB-Tickets für 2 Euro. Ein VBB-Fahrschein
Berlin—Spremberg, der wie
jeder Verbundfahrschein den gesamten
Stadtverkehr in Berlin beinhaltet, ist bereits
für 15,30 Euro zu haben (da im VBB
die BahnCard zum Lösen eines VBB-Ermäßigungsfahrscheines
berechtigt, ergeben
sich selbst bei einer BahnCard 25 nur
11,60 Euro). Der Anschlußfahrschein zum
ZVON-Tarif bis Zittau beträgt dann noch
einmal 7,70 Euro (der ZVON-Tarif erkennt
zwar keine BahnCard an, bietet aber 4er-Karten an,
bei denen eine Fahrt dann
umgerechnet 6,33 Euro kostet). Die Verbundgrundtarife
ergeben mit 23 Euro zwar
einen Gleichstand zum Connex-Haustarif
+ VBB-Stadttarif, Vielfahrer und BahnCard-Inhaber
sparen jedoch erheblich mit den
Verbundtarifen.
Nun galt der VBB-Tarif auch im eigenwirtschaftlichen
Abschnitt des InterConnex zwischen
Cottbus und Prenzlau. Die von Connex
verkauften VBB-Fahrausweise unterliegen
aber der Einnahmeaufteilung und dürften
zu einem erheblichen Anteil an andere Unternehmen
(z.B. DB Regio) gewandert sein.
Ob die vom VBB gezahlten Ausgleichsbeträge
für „verbundbedingte Mindereinnahmen"
dies kompensiert haben?
Fahrgastzahlen
So schlecht war die Auslastung des InterConnex
zwischen Berlin und Zittau nicht:
Bereits kurze Zeit nach Betriebsaufnahme
mußte die LausitzBahn auf Doppeltraktion
umstellen. Der morgendliche InterConnex
Richtung Ostsee fuhr montags noch bis
zum Fahrplanwechsel 2004/2005 wegen
der Überlagerung mit dem Berufsverkehr
zwischen Görlitz und Cottbus sogar in Dreifachtraktion.
Erschreckend leer ist der jetzt
in Einfachtraktion um 5.07 Uhr in Zittau
startende Nahverkehrszug (montags etwa
5 Fahrgäste, während bis zum 11. Dezember
2004 in jeder 4er-Sitzgruppe mindestens
1 Fahrgast gezählt werden konnte).
Bei einer Fahrgastzählung am 10. Dezember
2004 im InterConnex von Berlin nach Zittau
wurden in einem der beiden Triebwagen
47 Fahrgäste gezählt. Unter der Annahme
einer gleichmäßigen Fahrgastverteilung auf
den (bis Görlitz) in Doppeltraktion verkehrenden
Zug, dürfte dieser also mit knapp
100 Fahrgästen besetzt gewesen sein. Lediglich
der Abschnitt Zittau—Liberec war aufgrund
der unglücklich gewählten Fahrzeiten
schlecht ausgelastet (ca. 2-5 Fahrgäste pro
Zug).
Fazit
Die Einstellung des InterConnex Zittau—Berlin
zum 12. Dezember 2004 zeigt, daß es
nicht allein an der Unfähigkeit der DB liegt,
SPFV flächendeckend eigenwirtschaftlich zu
betreiben, wie der Bund sich dies vorgestellt
hat: Der Bund muß endlich seine aus dem
Grundgesetz abzuleitende Verantwortung
wahrnehmen, im SPFV für eine Bedienung
zu sorgen, die gleichwertige Lebensbedingungen
in ganz Deutschland schafft. Dafür
müssen zusätzliche Mittel bereitgestellt
werden. Eine Verlagerung auf die Länder,
die mit ihren Regionalisierungsmitteln IR-Ersatzverkehre
bestellen müssen, ist verantwortungslos
und schwächt den SPNV in der
Fläche! Ein Kompromiß könnte sein, daß der
Bund beim Fernverkehr in strukturschwachen
Räumen nur die hohen Trassenentgelte
(Geburtsfehler der Bahnreform) fördert, die
übrigen Betriebskosten müßten eigenwirtschaftlich
erbracht werden.
Aber auch die regionalen Akteure (kommunale
Gebietskörperschaften, Tourismusverbände,
Freizeiteinrichtungen, Bus- und
Taxiunternehmen usw.) sollten sich fragen,
ob man durch Kooperation nicht mehr für
sich und die Region erreicht als durch engstirniges
Konkurrenzdenken und nur das
„Kochen des eigenen Süppchens"
Dem Connex-Konzern gebührt jedoch
Dank, zumindest den Versuch gewagt zu
haben, eine Fernverkehrsleistung eigenwirtschaftlich
in die strukturschwache Oberlausitz
anzubieten. Vielleicht ist eine Wiederbelebung
bei veränderten politischen Rahmenbedingungen
möglich? (mb) DBV
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