Während in Berlin die Bauarbeiten am neuen
Nord-Süd-Tunnel der Bahn nahezu
abgeschlossen sind und am 28. Mai 2006 - mit
sechs Jahren Verzögerung -der fahrplanmäßige
Betrieb aufgenommen werden soll, müssen sich
die Leipziger noch ein
paar Jahre gedulden. Dennoch lohnt sich schon
heute eine nähere Betrachtung dieses
ehrgeizigen Projektes (vgl. auch SIGNAL 5/05 ),
dessen Verzug immerhin noch
unter einem Jahr liegt.
Blick auf die Leipziger Bahngeschichte
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Der ehemalige Kopfbahnhof Bayerischer Bahnhof als Baustelle im Jahr 2005. Foto: Manuel Schubert |
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Der geplante Zugang zur Tunnelstation Bayerischer Bahnhof. Computersimulation: © Freistaat Sachsen |
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- 1839 Eröffnung der ersten deutschen
(Fern-)Eisenbahn Leipzig—Dresden
- 1842 Baubeginn Bayerischer Bahnhof
- 1887 Entschluss, aus Berliner, Dresdener
und Magdeburger Bahnhof einen Hauptbahnhof
zu bauen
- 1891 Gedanken zur Verbindung Hauptbahnhof—Bayerischer
Bahnhof, auch mit Hochbahn- oder Tunnelvarianten
- 1913 bis 1914 Bau eines etwa 700 Meter
langen Großprofiltunnels längs der Bahnhofsostseite
Der Erste Weltkrieg und
dessen Folgen unterbrachen
die Arbeiten. Pläne
zum Weiterbau in den
1930er und 1970er Jahren
scheiterten an Geldmangel.
Als Zwischennutzung
des Tunnels unter
den Gleisen 23 bis 25
der Hbf-Osthalle diente
ein Zeitkino.
Nach der Wende begannen
die Planer mit einer Neuaufnahme des
Projektes. Hierbei wurde
der ursprünglich vorgesehene
Streckenverlauf von Nordost (alter Flughafen)
über Hbf-Osthalle mit einem Innenstadthalt
am Augustusplatz nach Süd (Alte Messe-Markkleeberg) aufgegeben.
Stattdessen ist jetzt eine westliche Trasse mit
direktem Halt im Citybereich Markt und der Station
Wilhelm-Leuschner-Platz im Bau.
Nachdem es schon vor der Unterzeichnung der
Vereinbarung über den Bau des City-Tunnels, die
am 19. März 2000 in Berlin erfolgte, zu Verzögerungen
gekommen war, gab es danach
eine weitere durch die große Flut im Sommer
2002.
Begründung des Bauvorhabens
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Die gesamte Leipziger Altstadt soll vom Citytunnel unterquert werden. Links der Hauptbahnhof, rechts der Bayerische Bahnhof. Für den Bau des fast vier Kilometer langen Tunnels sind 750 Mio. € veranschlagt. Er soll 2009 in Betrieb gehen Computersimulation: © Freistaat Sachs |
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Derzeit wird nur von einer Nahverkehrsanbindung
(Regional- und S-Bahnverkehr) an
das bestehende Netz im Großraum Halle/Leipzig
gesprochen. Das bedeutet in erster
Linie Verkürzung der Reisezeiten von Nord
nach Süd und vor allem in das Stadtzentrum.
Weitere potentielle Wirtschaftszentren sind
dann mit den Regional- und S-Bahnen erreichbar:
Flughafen, neues und altes Messegelände,
Güterverkehrszentrum im Nordwesten,
Medienzentrum an der Semmelweisstraße,
außerdem Schkeuditz, Markkleeberg,
Taucha und Delitzsch.
Aus den Tangential- und anderen Strecken
wird nun ein Nahverkehrsnetz.
Trassenverlauf und Stationen
Die Züge erreichen von Norden kommend in
einer Rampe des Hauptbahnhofsvorfeldes
den ersten Tunnelbahnhof. Dieser unterirdische
Bahnsteig des Hauptbahnhofs wird auf
Wunsch der Stadt Leipzig Richtung Süden
platziert, um einen direkten Ausgang zur Innenstadt
zu ermöglichen. Die Mehrkosten
hierfür übernimmt die Stadt.
Es entstehen insgesamt vier unterirdische
Stationen mit Inselbahnsteigen: Der
Hauptbahnhof (unten) erhält eine nutzbare
Bahnsteiglänge von 215 Metern. Bei späterem
Bedarf kann auf 400 m verlängert
werden. In einem schlanken Bogen mit Unterfahrung
bestehender Gebäude und des
neu erbauten Museums der bildenden Künste
auf dem Sachsenplatz wird die Station
Markt erreicht. Hier im Zentrum der Altstadt
befinden sich die meisten Einkaufs- und
Freizeiteinrichtungen. Nach Unterquerung
der Petersstraße ist der nächste Halt am Wilhelm-Leuschner-Platz.
Hier bestehen zwar
Umsteigemöglichkeiten zur Straßenbahn,
die Stadt Leipzig gibt aber für die erforderlichen
Mittelaufgänge kein Geld.
Weiter geht die Trasse zum Bayerischen
Bahnhof (unten). Die Züge verlassen nun
den Tunnelbereich und erreichen südlich
der Rampe die Station Semmelweisstraße
mit dem neuen Medienzentrum.
Bauausführung und Kosten
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Leipzig Hauptbahnhof ohne Gleise. Für die Bauarbeiten wurden die Gleise 7 bis 7 entfernt. Hierunter entsteht die neue Tunnelstation. Foto: Florian Müller |
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Vor gut einem Jahr hatten im Marktbereich
die Bauarbeiten begonnen. Hier werden
in mehreren Zeitabschnitten Grabungen
durchgeführt, um Archäologen und Kampfmittelräumern
ihre Sucharbeiten zu ermöglichen.
Nach diesen mit Rammträgerwänden
gesicherten Vorarbeiten werden stählerne
Schlitzwände etwa 20 Meter in den Untergrund
eingebracht. Darüber werden Teile
der späteren Tunneldecke hergestellt. Um
das Straßenleben im Bereich der Station
Markt aufrecht zu halten, werden diese Bereiche
wieder zugedeckelt. So werden größere
Veranstaltungen - Weihnachtsmarkt,
Fußball-WM u.a. - nicht unnötig gestört.
Im vergangenen Jahr wurden nun auch
an den übrigen drei Tunnelstationen mit
den Leitungs- und Straßenverlegungen begonnen.
Für diese Zwecke wurden vor dem
Hauptbahnhof zwei kleine quer zur Tunnelachse
verlaufende Bohrungen vorbereitet.
In diesen Sammelkanälen können mehrere
Medienträger untergebracht werden.
Die Baukosten für den City-Tunnel werden
mit insgesamt etwa 750 Millionen Euro veranschlagt.
Der Betrieb ab 2009
Gemäß Prognose sollen vier S-Bahn- und
einige Regionalbahnlinien den Tunnel passieren,
die Hauptrelationen von Nord und
Nordwest (Halle, Flughafen) Richtung Süden.
Auch die älteste Verbindung Würzen—Dresden
fährt dann, betriebstechnisch bedingt,
durch den Tunnel. Es wird von einer
Zugfrequenz von bis zu 13 pro Stunde und
Richtung gesprochen.
Als Fahrzeuge werden voraussichtlich
keine Doppelstockzüge eingesetzt, da (angeblich)
der Fahrgastwechsel den engen
Fahrplan gefährdet. Zu DDR-Zeiten war der
Elektrotriebzug BR 280 angedacht (LEW
Hennigsdorf).
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Geplanter Tunnelbahnsteig unter dem Leipziger Hauptbahnhof. Foto: Computersimulation: © Freistaat Sachsen |
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Angesichts vieler Kritiker des Citytunnel-Projektes bemühen sich Bahn und Stadt um eine vielfältige Öffentlichkeitsarbeit. Foto: Manuel Schubert |
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Eine wesentliche Verbesserung in der Relation
Halle (Saale)—Leipzig wird es durch
die neue S-Bahnstrecke neben der bestehenden
bzw. neuen Fernverbindung über
den Flughafen geben. Die Arbeiten entlang
der 33 Kilometerlangen Linie wurden um die
Stationen Halle-Bruckdorf, Schkeuditz-West
(Roßberg), Lützschena, Sievogtstraße, Mökkern-Nord
und Sozialversicherungszentrum
(SVZ) erweitert. Bei den bestehenden Stationen
wurden Bahnsteigkanten erneuert und
Zugänge verbessert (Füßgängertunnel). Die
S-Bahn-Strecke wird eingleisig betrieben
werden mit zweigleisigen Begegnungsabschnitten.
Nach der Tunneleröffnung wird
die S3 bis zu ihrem Endpunkt Connewitz
geführt.
Die Kosten einschließlich aller erforderlichen
Anpassungsarbeiten liegen bei ca.
180 Millionen Euro.
Der auch von Halle betriebene Regionalverkehr
der RE7, RE8 und RE 16 soll ebenfalls
durch den Tunnel geführt werden. Alle
übrigen Zulaufstrecken zum Tunnel werden
die S-Bahnlinien 2 und 4 übernehmen.
Die alte und neue S1
Leidtragende ist seit Beginn der Bauarbeiten
die alte S 1 (Grünauer Linie). Mit dem Fahrplanwechsel
am 12. Dezember 2004 endete
der 20-Minuten-Takt. Seitdem erleben die
Fahrgäste einen Chaosfahrplan mit Fahrabständen
von 20,24,27,28,36,37 oder gar 40
Minuten. Grund ist der Abbau der Gleise 1
bis 7 im Hauptbahnhof für das Baufeld 1.
Nach Vollendung des Bahntunnels wird
die S 1 von Grünau kommend wieder auf gewohnter
Strecke bis zum Hbf (unten) verkehren.
Nach derTunnelquerung schwenkt sie
hinter der Station Semmelweisstraße Richtung
Nordost über Völkerschlachtdenkmal
(altes Messegelände) bis zum 15-Minuten-Takt-Bahnhof
Stötteritz. Jede zweites 1 wird
dann über Anger—Crottendorf, Paunsdorf
Richtung Würzen verkehren.
Bei dieser neuen West-Ost-Linienführung
wird auf die Bedienung der Stationen Leipzig
Ost und Sellerhausen verzichtet.
Vor- und Nachteile des Tunnels
Nach den vielen Prognosen und auch Vorschusslorbeeren
sollte auch an die möglichen
Nachteile erinnert werden. Wie ist
der gegenwärtige Stand der beiden Stadtlinien
S 1 und S 3 zu werten? Man spricht
von ungenügendem Bahnimage und
schmuddeligen Stationen. Auch erkennt
der Stadtfremde auf dem Hauptbahnhof
weder ein S-Bahnlogo noch die betreffenden
S-Bahnsteige. Aber hier kann und muss
nachgebessert werden. Der „Nahverkehr
Mitteldeutschland" schreibt in seiner Ausgabe
1/05 zum begonnenen Tunnelbau von
einem „europaweit fast unvergleichbaren
innerstädtischen Verkehrsinfrastrukturvorhaben"
sowie von einem „nachhaltigen Regionalzugnetz
für ganz Mitteldeutschland"
Werden die Stationen an den Zugängen als
Bahnhöfe kenntlich sein? Werden auch ausreichend
Fahrgäste neben den ebenfalls im
Bau befindlichen Parkhäusern und Tiefgaragen
mit den Bahnen anreisen?
Die Zeitersparnis von Linien, die früher um
die Stadt gefahren sind, wird durch den Tunnel
nur ca. 5 Minuten betragen. Die Relation
Leipzig Hbf—Würzen fährt etwa die gleiche
Zeit wie früher. Bei den S-Bahnstrecken wird
es sich nur bei den beiden Linien auszahlen,
welche parallel zu Fernstrecken fahren oder
gesonderte Trassen nutzen. Bei den anderen
beiden Linien sind Überschneidungen
zu erwarten: Hier steht die Frage der Fahrzeit
und der Auslastung der Züge im Vordergrund.
Ein lohnender S-Bahnbetrieb endet
meist kurz hinter der Leipziger Stadtgrenze.
Der weit entfernt wohnende Fahrgast wird
den „Milchrampenverkehr" meiden oder
gleich das Auto nehmen.
Doch es ist zu erwarten, dass nach Fertigstellung
aller Maßnahmen insgesamt eine
Verbesserung der Qualität des ÖPNV im Ballungsraum
Halle/Leipzig erreicht wird. Davon
werden nicht nur die beiden Großstädte
Leipzig und Halle profitieren, sondern auch
die übrigen 17 angebundenen Städte und
Gemeinden. Joachim Jarson
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