4 x hintereinander minus
In den letzten vier Jahren ist der Motorisierte
Individualverkehr (MIV) in Deutschland in jedem
Jahr zurückgegangen. Die Verkehrsleistung
mit Pkw, Kombis sowie motorisierten
Zweirädern im Personenverkehr sank von
762 Milliarden Personenkilometern (Pkm)
1999 auf rund 700 Milliarden Pkm in 2003
(Schätzung). Die 762 Milliarden Pkm im Jahre
1999 waren bisher die absolute Spitze. Solch
nachhaltige Rückgänge des Autoverkehrs hat
es seit dem Beginn der Motorisierung nicht
gegeben. Nur zu Zeiten der sogenannten Energiekrise
in den 1970er Jahren gab es Einbrüche.
Danach ging einzig im Jahr 1994 die Fahrleistung
um 1,3 % zurück - in dem Jahr wurde
die Mineralölsteuer unter Kohl deutlich um
25 Pfennig heraufgesetzt.
Seit 1999 nahm damit der motorisierte Personenverkehr
um rund acht Prozent ab (ohne
ÖV) und die rund 700 Milliarden Pkm liegen
noch deutlich unter den 714 Milliarden im ersten
vollständigen Jahr nach dem Anschluss
der DDR an die BR Deutschland 1991.
Entwicklung der
Personenverkehrsleistung
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Tabelle: Personenverkehrsleistung Motorisierter Individualverkehr MIV in Mrd. Personenkilometer. 2003: Schätzung |
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Beim Mineralölabsatz ist der Rückgang beim
Otto-Kraftstoff (Benzin) seit der Spitze 1993
mit 31,5 kontinuierlich bis auf rund 26 Millionen
Tonnen im Jahr 2003. Dies liegt hauptsächlich
an der Zunahme der Dieselfahrzeuge
- Diesel überholte den Absatz von Benzin im
Jahr 2000 - allerdings ist hier auch der Güterverkehr
mit Lkw enthalten. Seitdem sank der
Verbrauch auf rund 28 Millionen Tonnen in
2003. Im Personenverkehr gab es also in diesen
vier Jahren seit 1999 einen Rückgang des
Kraftstoffverbrauchs (Benzin plus Diesel) um
über 10 Prozent. Leicht sparsamere Motoren
(alle ein bis zwei Jahre sank der durchschnittliche
Verbrauch um 0,1 Liter pro 100 Kilometer)
und eventuell sparsame Fahrweise erklären
die deutlichere Abnahme im Vergleich zum
Rückgang der Verkehrsleistung mit acht Prozent.
Konjunktur und Benzinpreis
Was sind die Gründe für den Rückgang der
Verkehrsleistung? Als wichtigsten Grund muss
wohl die Konjunktur genannt werden, sprich
die stagnierende Wirtschaftsentwicklung der
letzten Jahre. Doch so ganz plausibel ist diese
Erklärung heutzutage auch nicht mehr, denn
es scheint sich eine Abkoppelung der Wirtschaftsentwicklung
von der des Verkehrs zu
vollziehen. Dies ist übrigens ein Ziel innerhalb
der Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands.
Die höheren Benzinpreise durch steigende
Weltmarktpreise und zum geringen Anteil
durch die Ökosteuer sind der zweite Grund.
Hierdurch kommt es allerdings zu einem Tanktourismus
ins benachbarte Ausland - diese
Verkehrsleistung mit dem im Ausland gekauften
Kraftstoff geht in die Statistik nicht mit
ein, da die Verkehrsleistung aus dem Kraftstoffabsatz
ermittelt wird. Als dritter Grund
für den Fahrleistungsrückgang muss der demographische
Faktor gesehen werden. Mit
Zunahme des Anteils der alten Menschen in
Deutschland fallen schlichtweg autofahrende
Personen weg. Obwohl sich die Altersgrenze,
bei der noch gefahren wird, nach oben verschoben
hat, kompensiert dieses nicht den
Wegfall vieler autofahrender Menschen.
Erstmals sinkt Lkw-Verkehr
Beim Straßengüterverkehr ist ein kontinuierlicher
Anstieg der Verkehrsleistung in den letzten
Jahrzehnten zu verzeichnen. Auch 1994,
dem Jahr der Personenverkehrs-Abnahme,
nahm dieser zu. Von 2001 auf 2002 kam es
zum ersten Mal seit 30 Jahren zu einer Stagnation
(bei 353 Milliarden tkm). Und schaut
man sich die Gesamtabnahme des Dieselverkaufes
(Pkw und Lkw) mit rund drei Prozent
im Jahr 2003 an, so kann es erstmals in der
Geschichte der Bundesrepublik einen Rückgang
der Fahrleistung im Straßengüterverkehr
geben. Fasst man den rückläufigen Personen- und
den leicht ansteigenden Güterverkehr für
die Jahre 1999 bis 2003 zusammen, so gab es
eine Abnahme des Autoverkehrs in den vier
Jahren um vier bis fünf Prozent.
Ignorante Prognosen
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Straßenbau findet in Deutschland offenbar unabhängig vom tatsächlichen Bedarf statt. Foto: Umgehungsstraße bei Oranienburg, autobahnähnlich ausgebaut Foto: Frank Böhnke |
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Schaut man sich Prognosen der weiteren Verkehrsentwicklung
an, so scheint die Sichtweise
zu sein: „Was nicht sein darf, kann nicht
sein". Die prominenteste Langfristprognose
liegt dem Bundesverkehrswegeplan (BVWP)
2003 zugrunde. Sie fußt auf dem Integrationsszenario
und dient als Rechtfertigung für den
weiteren Straßenbau. Dort ist eine Zunahme
des Motorisierten Individualverkehrs von
750 Milliarden Pkm (1997) auf 873 Milliarden
Pkm im Jahre 2015 = 16 % ermittelt worden.
Da bis heute der Verkehr auf 700 Milliarden
Pkm zurückging, müsste der Personenverkehr
in den zwölf Jahren durchschnittlich jeweils
um 2,1% steigen, um auf den „Ziel"wertzu
kommen. In den 1980er Jahren hat es noch
Zunahmen von durchschnittlich vier Prozent
gegeben, aber selbst in der Auto-Euphorie
nach Vereinigung wurde nur 0,8 % jährlich
bundesweit mehr gefahren. Beim Güterfernverkehr
auf der Straße sieht der BVWP einen
Zuwachs um 58 % bis 2015, was einem jährlichen
Zuwachs um 3,2 % entspricht. Auch hier
ist mit guten 2 % jährlich Zuwachs das „Soll"
nicht eingehalten worden. Aber da wird die
EU-Osterweiterung schon nachhelfen, könnte
man einwerfen ...
Zumindest für den Personenverkehr kann
festgestellt werden, dass die Prognose des
BVWP mit großer Sicherheit nicht aufgehen
wird. Die Forderung nach Revision dieses
Straßenbauplanes - auch gerade angesichts
der Verteilungsprobleme bei den Staatsfinanzen
- sollte lauter werden! Rente und Sozialhilfe
müssen gekürzt werden, aber bei Straßen
wird weiter gebaut, obwohl der Autoverkehr
seit vier Jahren zurückgeht. Die Entwicklung
zeigt, dass Autoverkehr auch abnehmen kann.
Nicht nur der BVWP muss verändert werden.
Quellen: DIW/BMVBW: Verkehr in Zahlen
2003/2004, DIW-Wochenbericht 51-52/2002:
Fahrleistungen und Kraftstoffverbrauch im
Straßenverkehr, Mineralölwirtschaftsverband.
Mineralölabsatz in der Bundesrepublik
Deutschland, lfd. unter www.mwv.de
Aus: mobilogisch! 4/03, erhältlich gegen
4,50 Euro auf Rechnung bei UMKEHR e. V., Tel:
030/49274 73, Fax: - 79 72, info@mobilogisch.
de, www.mobilogisch.de Fuss e. V.
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