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Der Trend der vergangenen Jahre, einer stetigen
Verkehrszunahme im Innenstadtbereich,
wo bereits 55 Prozent des Umsatzes gemacht
werden und einer entsprechenden Abnahme
der Fahrgastzahlen in den klassischen Ausflugsgebieten
Wannsee, Tegel und Müggelsee,
scheint ungebrochen.
Allein 14 Fahrgastschiffe der Stern und
Kreisschifffahrt drängten sich im vergangenen
Jahr gemeinsam mit vielen anderen Reedereien
in den Berliner Innenstadtgewässern, so
dass an manchen Tagen ein regelrechter
Schiffsstau mit schwierigen Fahrverhältnissen
entstand. Auch für die Ausflugsgebiete wurde
die vergangene Saison als zufriedenstellend
bezeichnet, gleichwohl ist der Niedergang gegenüber
vergangenen Jahren unverkennbar.
Wurden in den ersten Nachwendejahren auf
der Relation Wannsee - Potsdam stündliche
Abfahrten angeboten, sind diese nun auf vier
Fahrten geschrumpft. Die klassische Ausflugsfahrt
„ins Grüne" scheint immer weniger anzukommen,
während in der Innenstadt Sightseeing-Tourismus und die „Erlebnisschifffahrt"
ständig zunehmen.
Entsprechend verändert sich der Schiffspark
des Unternehmens. Galten einst die
Groß-Ausflugsschiffe wie „Großer Kurfürst",
„Havelstern" und „Havel-Queen" als die
Top-Schiffe des Unternehmens, sind heute
niedrige innenstadttaugliche Schiffe mit luxuriöser
Ausstattung Trumpf. So sprengt der
Neuzugang „La Paloma" mit 82 Metern Länge
und 11,40 Meter Breite jede Dimension bislang
in der Berliner Fahrgastschifffahrt betriebener
Schiffe, gleicht aber eher einem einzigen
riesigen Restaurant-Saal mit Sonnenterasse
als einem Ausflugsschiff. Es wird deutlich,
dass dieses Schiff mehr für den Charter
an zahlungskräftige Kundschaft für Vorträge
und Konferenzen auf dem Wasser ausgerichtet
ist, als für den Familienausflug mit Kind
und Kegel. Wenn auch mit kleineren äußeren
Abmessungen gilt gleiches auch für die anderen
Neubauten der letzten Jahre, zum Beispiel
für die MS „Sanssouci", mit der die Pressefahrt
durchgeführt wurde. Gehobener Standard
und eine entsprechende Gastronomie der
eigenen Tochtergesellschaft sind Trumpf und
entsprechend gestalten sich die angebotenen
rund 50 unterschiedlichen Programme für
Abendfahrten. Da wird neben einer River-Musical-Night,
einer Elvis- oder Hitparaden-Party,
einer zur Zeit wohl obligatorischen Ostalgie-Party
sogar eine Prohibitionsparty angeboten,
was immer man sich darunter wohl auch vorstellen
mag.
Die Kunden der klassischen Berliner Ausflugsfahrt
müssen sich jedoch mit weiniger
Superlativen begnügen. Auch hier gibt es zwar
durchaus Verbesserungen, wie eine neue Anlegestelle
in Potsdam/Park Sanssouci Nähe Kastanienalle
sowie voraussichtlich ab Juli 2004
eine zusätzliche Haltemöglichkeit nahe dem
Bahnhof in Werder. Es böten sich somit gute
Möglichkeiten kombinierter Ausflugstouren,
zum Beispiel Fahrt von Wannsee nach Werder
mit dem Schiff, zurück mit der Bahn. Leider
werden derartige Möglichkeiten nicht öffentlichwirksam
herausgestellt. So gibt es im Fahrplanheft
keinerlei Hinweise und Fahrplanangaben
für derartige Ausflugsmöglichkeiten,
von einem gemeinsamen Fahrschein für VBB
und Schiffsbetrieb ist man weit entfernt. Gerade
damit aber gäbe es die Möglichkeit zur
Erschließung zusätzlicher Fahrgastgruppen.
Es gibt auf dieser Relation, mit Ausnahme
weniger Einzeltage, nur einen einzigen
Schiffskurs Wannsee - Werder - Wannsee,
faktisch als Non-stop Rundfahrt. Die Aufenthaltsdauer
in Werder beschränkt sich auf eine
gute Stunde. Während so die angebotene
Fahrt lediglich von Ganztags-Fahrgästen,
meist älteren Jahrganges mit sicher geparktem
Auto in Wannsee, wahrgenommen wird,
würden Schiff/Bahn/Bus-Kombinationstouren
ein völlig neues Fahrgastfeld erschließen. Sowohl
eine fast dreistündige Schiffsfahrt als
auch eine individuelle Werder-Stadt-Besichtigung
mit anschließender Bahn Rückfahrt zum
Ausgangspunkt Wannsee in weniger als
20 Minuten wären möglich. Eine echte Alternative
gegenüber einer über sechsstündigen
Schiffsfahrt mit geringer individueller Tagesgestaltungsmöglichkeit.
Ein weiteres nicht unbeträchtliches Fahrgastpotenzial
bleibt ebenfalls weiterhin außen
vor: Fahrrad-Ausflügler. Während zum Beispiel
am Bodensee diese Kundengruppe einen erheblichen
Teil aller Schiffs-Fahrgäste ausmacht,
ist eine Fahrrad-Mitnahme in den
Schiffen der Berliner Ausflugsschifffahrt faktisch
nicht möglich. Zugegeben, ein Bodensee-Schiff
ist deutlich größer als ein Havel-Dampfer,
somit ist die Fahrradmitnahme an Bord hier ein nicht
zu leugnendes Platzproblem. Wollte man das Problem aber
angehen, wäre es gerade bei den in der Havelschifffahrt auf
den in Frage kommenden Relationen eingesetzten Großmotorschiffen
durchaus möglich, mit geringen baulichen Veränderungen
zu Lasten der faktisch nie ausgenutzten Groß-Salons, hier
eine bauliche Lösung zur Erschließung
dieses nicht unbedeutenden Kundenpotenzials zu finden.
Gerade die Veränderung des Kundenpotenzials in der Ausflugsschifffahrt,
von Familien mit Kindern hin
zu Rentner-Ehepaaren, lässt es allein auch aus
wirtschaftlichen Gründen dringend geboten
erscheinen, sich allen Möglichkeiten zur Erschließung
neuer Kundengruppen zu stellen.
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Die Innenstadt-Touren per Schiff erfreuen sich großer Beliebtheit. Foto: Frank Böhnke |
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Gleichfalls schmerzlich und der falsche
Weg ist die Beendigung der Kooperation mit
der Potsdamer Weißen Flotte. Eine Vielzahl
von Fahrtmöglichkeiten, mit deutlich dichterem
Fahrplan auf allen Strecken, erschlösse
deutlich größere Kundengruppen, als Einzelfahrten
mit so gut wie keinen Fahralternativen.
Auch andere dieses Gebiet in Konkurrenz
befahrende Reederein sollten, wenn irgend
möglich, fahrplantechnisch integriert werden,
die bestehende Kooperation mit der Reederei
Winkler weist hier durchaus den richtigen
Weg. Der Abbruch der Zusammenarbeit wird
hier der Weißen Flotte Potsdam nach deren
Privatisierung angelastet, der Verfasser dieser
Zeilen kann das nicht beurteilen. Fakt aber
bleibt, dass nur die Zusammenarbeit der
Schifffahrtsunternehmen auf Dauer einen Erhalt
der Ausflugsschifffahrt sichern kann. Die
weitere wirtschaftliche Verarmung der als
Kunden in Frage kommenden Fahrgastgruppen
ist Tatsache. Schon heute ist es für eine
Familie mit zwei Kindern nahezu unerschwinglich,
eine Fahrt Wannsee - Werder
und zurück für 42 Euro zu unternehmen. Der
„Kundenkuchen" wird also immer kleiner und
ohne neue Kundengruppen ist der schleichende
Tod der Ausflugsschifffahrt letztlich wohl
unvermeidlich und das würde wohl nicht nur
der Autor dieser Zeilen sehr bedauern.
Zum Schluss sei aber auf einen löblichen
Ansatz der Stern und Kreisschifffahrt hingewiesen.
Im Gegensatz zu den Sozial-Streich-Orgien
des Berliner Senats und der Verkehrsbetriebe
gewährt diese private Reederei
werktags bei Linienfahrten Ermäßigungen von
15 Prozent für Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose,
Studenten und Senioren ab 60 Jahren.
10 Prozent Ermäßigung erhalten unter anderem
Inhaber der DB-Bahncard. Bei derartigen
Angeboten sollte es doch auch möglich sein,
ein günstiges Tarifangebot gemeinsam mit
anderen Reederein und dem VBB zu vereinbaren.
Wenn dann noch gutes Wetter ist, kann alles
gut werden. IGEB Stadtverkehr
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