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Historische Bausubstanz der Berliner S-Bahn vernichtet

Ohne Vorankündigung, geschweige denn Diskussion mit der Öffentlichkeit und den Anwohnern, hat die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen in den letzten Wochen für ein einjähriges Fernbahnprovisorium der Hamburger Strecke zwischen Westkreuz und Ruhleben Bahnsteige und Aufbauten (Diensträume, Warteräume und Restaurationskioske) der Bahnhöfe Eichkamp, Heerstraße, Olympiastadion und Pichelsberg vernichtet.

Bahnhof
Foto: Bodo Schulz
Baustelle
Der S-Bahnhof Eichkamp im Mai 1992 und im Februar 1994. Anstatt den Bahnsteig instandzusetzen, wurde er vollständig abgetragen. Foto: Eckart Kuntzsch
Bahnhof
Foto: Bernhard Strowitzki
Bahnhof
Der S-Bahnhof Heerstraße im Dezember 1993 und im März 1994. Der alte Bahnsteig mit den denkmalwerten Aufbauten wurde abgebrochen. Erhalten blieben lediglich die Stützen und Träger des Bahnsteigdaches. Das Dach hätte jedoch vollständig erhalten bleiben können, da sich die für die stillgelegten Strecken zuständige VdeR kontinuierlich um die Instandhaltung gekümmert hatte. Mit der brutalen Abrißaktion hat die Senatsbauverwaltung also nicht nur wertvolle historische Bausubstanz vernichtet, sondern Millionenbeträge verschwendet. Foto: Eckart Kuntzsch
Bahnhof
Foto: Thomas Kubaczewski
alttag
Der S-Bahnhof Pichelsberg im Juli 1989 und während der Abbrucharbeiten im Februar 1994. Auch hier fiel historisch wertvolle Bausubstanz der Spitzhacke zum Opfer. Foto: Eckart Kuntzsch

Die Anwohner stehen zusammen mit den Mitgliedern unseres gemeinnützigen Verbandes, der sich seit 1986 für die Erhaltung und Wiederinbetriebnahme der S-Bahn-Strecke nach Falkensee und Staaken einsetzt, in ohnmächtiger Wut und Trauer vor Sandhaufen und kahl in den Himmel ragenden Dachträgem, wo sich gestern noch drei vollständig erhaltene Bahnsteigensembles aus den Jahren 1909/11 präsentierten.

Rückfragen beim Projektleiter, Herrn Franz, am 24.9. und 2.11.1993 hatten ergeben, daß lediglich die Bahnsteigkanten und die Ränder Bahnsteigdächer abgetragen werden sollten. Der Westbahnverband hatte dagegen Einspruch erhoben, da die Strecke 1909 für den Vollbahnbetrieb (Dampfzüge) geplant wurde und auch heute noch das vorgeschriebene Lichtraumprofil für Bahnhofsdurchfahrten erfüllt.

Die für die Gestaltung der Bahnsteige zuständige Abteilung der DR (Hochbau) wurde ebenfalls im September 1993 auf den wertvollen Originalbestand und die Erhaltungsnotwendigkeit hingewiesen.

Ende Januar 1994 wurde der Berliner Landeskonservator über möglicherweise drohende Zerstörungen im Bahnhofsbereich informiert und gebeten, sich einzuschalten. Bereits 1984 hatte Herr Kloss (als Vertreter des Landeskonservator) den Bahnhöfen der Westbahn "Ensembleschutz" zugesichert.

Nach Eintritt dieser unglaublichen Zerstörung bleibt uns nur zu fordern,

  • a) die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und
  • b) die Bahnsteige mit profilierten Holzdächem, Kleinmosaikpflaster, den Aufbauten (Gebäuden), Bänken und Bahnhofsnamensschildern originalgetreu zu rekonstruieren, d.h. so wiederherzustellen, wie sie 1984 von der Deutschen Reichsbahn übernommen wurden. Die originale Gestaltung aus den Jahren 1909/11, die auf den Bahnsteigen Heerstraße, Olympiastadion und Pichelsberg erhalten war, ist ein Stück lebendige Stadt- und Eisenbahngeschichte, auf das Berlin nicht verzichten kann. (Die Strecke Schöneberg - Wannsee wurde 1984 z.B. vorbildlich restauriert.)

****

[IGEB] Zur Erinnerung: Bereits 1989/90 hatte Prof. Karl Endmann, damals Vizepräsident der Bundesbahndirektion Köln, in einem Gutachten für den Senat zum Südring der Senatsbauverwaltung vorgeworfen, erhaltenswerte Bahnhöfe ohne bautechnische Notwendigkeit abzureißen und so die Kosten in die Höhe zu treiben und eine schnelle Wiederinbetriebnahme zu verhindern.

Interessen verband Westbahn

aus SIGNAL 4/1994 (Mai 1994), Seite 8-9

 

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