Planung und Betrieb

Brandenburgischer Landtag votiert für die S-Bahn

Am 2. März 1994 hat der Brandenburgische Landtag einen Antrag zur “Wiederherstellung aller S-Bahn-Verbindungen zwischen Berlin und Brandenburg“ beschlossen. Dem Antrag stimmten mit Ausnahme der CDU alle Fraktionen zu. Damit bestätigten die Abgeordneten die einstimmige (!) Beschlußempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr vom 17. Februar 1994.

Dieser Beschlußempfehlung ging im letzten November eine Anhörung auf Initiative des verkehrspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Herrn Dr. Günter Neumeister, voraus. Damals konnten sowohl die anwesenden Landräte und Bürgermeister als auch die Vertreter der "Volksinitiative S-Bahn-Havelland" und von PRO BAHN Havelland die Ausschußmitglieder überzeugen. Der jetzige Landtagsbeschluß berücksichtigt die wesentlichen Forderungen der Bahnkunden aus dem Umland. Die damalige Deutsche Reichsbahn konnte sich mit Ihrem als Stadtexpreß getarnten, "gebrochenen" Nahverkehr gegenüber der S-Bahn nicht durchsetzen. Beispielsweise wollte die DR einen S-Bahn-Endpunkt in Spandau mit Umsteigezwang von und nach Nauen.

Gleise
Foto: Frank Lammers
Bahnsteigkanten
März 1994. Die Hamburger Bahn und der an dieser Strecke gelegene Bahnhof Albrechtshof liegen noch im Winterschlaf. Doch bald wird diese Strecke für den Fern- und Regionalverkehr ausgebaut. Schon Ende 1995 sollen auf einem Gleis die ersten Regionalzüge verkehren. Jetzt hat der brandenburgische Landtag beschlossen, daß hier und auf den anderen ehemaligen S-Bahn-Strecken bald auch wieder S-Bahn-Züge nach Berlin fahren sollen. Foto: Frank Lammers

Wesentlich an der verkehrspolitischen Vorgabe des Landtags ist, daß erstmals die S-Bahn-Endpunkte Nauen, Wustermark, Velten und Teltow-Stadt festgeschrieben wurden und daß die schnelle Schließung der S-Bahn-Lücken auch durch den Einsatz moderner, flexiblerer Fahrzeugtechnologie erfolgen soll. So soll die Duo-S-Bahn (Diesel/Gleichstrom) für den Lückenschluß Tegel - Velten und die Zwei-System-S-Bahn (Gleichstrom/Wechselstrom) zur Anbindung von Falkensee/Nauen und Staaken/Wustermark an das Berliner S-Bahn-Netz zum Einsatz kommen. Gefordert sind jetzt der Berliner Senat und die Deutsche Bahn AG. Der Senat muß schleunigst die nötigen Weichen für die Lückenschlüsse auf dem Berliner Gebiet stellen. Die Deutsche Bahn AG wäre gut beraten, endlich ein solides Angebot vorzulegen, daß den verkehrspolitischen Leitlinien ihrer "Besteller" entspricht.

Der Beschluß des Landtages zur "Wiederherstellung aller S-Bahn-Verbindungen zwischen Berlin und Brandenburg" im Wortlaut:

1. Die Landesregierung wird aufgefordert, sich nachdrücklich dafür einzusetzen, daß vordringlich und so schnell wie möglich folgende S-Bahn-Strecken wiederhergestellt werden:

  • Westkreuz - Spandau - Falkensee/Staaken

    Die Wiederherstellung des S-Bahn-Betriebes auf beiden Strecken ins Havelland sollte ebenfalls stufenweise, vorzugsweise mit Mehrsystem-Fahrzeugen (Gleichstrom- und Wechselstrombetrieb) erfolgen. In einer ersten Stufe sollen westlich des Bahnhofs Spandau dazu Gleisanlagen der Fernbahn genutzt werden. In einer zweiten Stufe ist speziell auf der Achse nach Falkensee der Bau separater Nahverkehrsgleise anzustreben. In den Verhandlungen mit der DB AG und dem Senat von Berlin ist auf die Schaffung entsprechender infrastruktureller Voraussetzungen besonders im Bahnhof Spandau zu drängen. Verlängerungsmöglichkeiten der S-Bahn nach Wustermark bzw. Nauen sind zu berücksichtigen.

  • Schönholz - Tegel - Hennigsdorf - Velten

    Für diesen Lückenschluß ist ein Stufenkonzept zu entwickeln und umzusetzen, das gleichzeitig den Aufbau eines Regionalexpreßverkehrs nach Neuruppin ermöglicht. Erste Stufe könnte der Lückenschluß ohne Elektrifizierung sein. Für die S-Bahn könnten Duo-Fahrzeuge und für den Regionalexpreß Dieselfahrzeuge eingesetzt werden.

  • Priesterweg - Lichterfelde Ost - Lichterfelde Süd - Teltow

    Dieser Lückenschluß soll aus verkehrlichen Gründen nicht in seiner ursprünglichen Form erfolgen. Statt zum Bahnhof Teltow, der verkehrlich für Teltow wegen seiner peripheren Lage wenig wirksam ist, soll die S-Bahn auf einer von der Bahn bereits seit den 30er Jahren gesicherten Trasse nach Teltow Stadt fahren. Die Verbindung nach Teltow - Ludwigsfelde soll vorzugsweise mit Wechselstromfahrzeugen hergestellt werden.

2. Die Landesregierung wird aufgefordert zu prüfen, wie weitere S-Bahn-Verbindungen zwischen Berlin und Brandenburg zum frühestmöglichen Termin verkehrlich wirksam werden können.

3. Die Landesregierung legt dem Landtag bis zum 31.5.1994 einen entsprechenden Sachstandsbericht vor.

Begründung

Im Vergleich zum S-Bahn-Netz, wie es vor dem 13. August 1961 bestand, weist das heutige Berliner S-Bahn-Netz noch einige Lücken auf. Diese durch die Teilung Deutschlands bedingten Lücken der S-Bahn-Verbindungen zwischen Berlin und Brandenburg wieder zu schließen, ist eine vordringliche verkehrspolitische Aufgabe der Länder Brandenburg und Berlin und der Bundesregierung.

Bei der Wiederherstellung dieser S-Bahn-Verbindungen liegt die hoheitliche Zuständigkeit und auch die Zuständigkeit für die Bereitstellung der finanziellen Mittel grundsätzlich auf Bundesebene. Eine Einflußnahme der Landesregierung ist nur durch intensive Zusammenarbeit mit dem Nachbarland Berlin, der Deutschen Bahn AG und der Bundesregierung möglich.

Durch die Siedlungscntwicklung im Berliner Umland in den nächsten Jahren - insbesondere im Raum südlich und westlich Berlins - sind besonders hier erhebliche Zuwachsraten im Stadt-Umland-Verkehr zu erwarten.

Deshalb ist die Verbindung zwischen Berlin und seinem Umland bzw. die Verbindung zwischen dem Umland und Berlin mit einem umweltfreundlichen, schnellen und für alle Bevölkerungsschichten verfügbaren Verkehrsmittel besonders wichtig. Regionalverkehrsangebote, die derzeit vom Fahrgast oft mehrmaliges Umsteigen fordern, sind keine adäquate Alternative. Ein attraktives Angebot im ÖPNV durch ein schienengebundes Verkehrsmittel wie die S-Bahn ist dringend erforderlich, um die Verkehrsprobleme im Großraum Berlin zu lösen.

Die vorhandenen Voraussetzungen für die S-Bahn in der Region (vorhandene Flächen und Anlagen) sind eine wichtige Basis für die schrittweise Vervollständigung eines modernen Nahverkehrssystems. Deshalb sollten zur schnellstmöglichen Anbindung des Umlandes an das Berliner S-Bahn-Netz der Einsatz von Mehrsystemfahrzeugen sowie die Flächenvorhaltung für gesonderte S-Bahn-Gleise geprüft und in Gang gesetzt werden.

PRO BAHN
Landesverband Berlin-Brandenburg

aus SIGNAL 4/1994 (Mai 1994), Seite 18-19

 

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