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So einfach kann eine Endstelle aussehen, wenn Zweirichtungsfahrzeuge eingesetzt werden. Diese neu eingerichtete Endstelle Helleböhn ist aber nur ein Zwischenstop auf der im nächsten Jahr in Betrieb gehenden Verlängerung nach Süden Richtung Oberzwehren. Foto: Matthias Horth |
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Bauen unter Betrieb ist in Kassel und vielen anderen Städten eine Selbstverständlichkeit. “Das würde uns viel zu viel Geld kosten, extra einen Schienenersatzverkehr einzurichten“, meint KVG-Vorstand Prof. Meyfarth zum Thema SEV. Und dies gilt auch für die hier abgebildete Kasseler Hauptmagistrale Wilhelmshöher Allee. Foto: Matthias Horth |
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Den kostenträchtigen Ausbau von Straßenbahnnetzen zu Stadtbahnen mit
teilweise unterirdischem Bahnkörper, Hochbahnsteigen und U-Bahn-ähnlicher
Betriebsführung lehnt Herr Meyfahrt entschieden ab. Den hohen Kosten
stünden nur bescheidene Nutzeneffekte gegenüber, die durch eine
Ertüchtigung des oberirdischen Netzes auch erreicht werden könnten.
Daher konzentriert sich Kassel ganz auf den Ausbau der Straßenbahn und
hat keine Stadtbahnpläne. Gegenwärtig trägt die Straßenbahn hier etwa
75% der Verkehrslast (ca. 30 Mio Fahrgäste jährlich).
Der damalige Kasseler Oberbürgermeister und jetzige hessische
Ministerpräsident, Hans Eichel, hatte Ende der 70er Jahre auf
massiven Bürgerdruck hin Pläne zur Stillegung von Straßenbahnlinien
in Kassel zurückgenommen und Grundsatzentscheidungen zum Erhalt und
Ausbau des Netzes getroffen. Ein Konzept des örtlichen Fahrgastverbandes,
dem Herr Meyfahrt bis zu seinem Wechsel in die KVG vor drei Jahren
angehörte, wurde umgesetzt und brachte erhebliche Attraktivitätsgewinne
durch dichtere Takte und moderne Fahrzeuge. 1990 schließlich wurde von
der Stadt Kassel ein Generalverkehrsplan mit einem Nahverkehrskonzept
beschlossen, das folgende Schwerpunkte beinhaltet:
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Ausbau des Straßenbahnnetzes bis über die Stadtgrenzen hinaus,
- Modernisierung des Fahrzeugparks und der Betriebseinrichtungen,
-
Beschleunigung des Betriebes,
- offensives Marketing.
Kassel habe sich bewußt gegen billige Fahrgastinformationen entschieden,
die schlecht hektografiert an beliebigen Stellen angeschlagen werden.
Die Konkurrenten im Verkehrsmarkt setzten schließlich auch auf teure
Hochglanzinformationen. Der Nahverkehr müsse sein Image als
Almosenempfängerund "billiger Jakob" abschütteln. Herr Meyfahrt
steckt "lieber eine Million in Marketing, weil das mehr
Fahrgäste anziehen kann als eine Million in Beton".
Das veränderte Marketing in Kassel läßt sich an einigen Zahlen deutlich
ablesen. Durch das neue Angebot ab 1985 wurden zunächst kaum neue
Fahrgäste gewonnen. 1987/88 mußte auf Druck der Stadt das Angebot an
einigen Stellen sogar wieder zurückgenommen werden, während aber die
Marketing-Anstrengungen verstärkt wurden. Fahrgastbefragungen brachten
dann das Ergebnis, daß in der Meinung der Fahrgäste der Nahverkehr
besser geworden sei. Seit 1990 habe die
KVG auf diesem Wege die Fahrgastzahlen um 15% steigern können.
Im Umlandverkehr strebt die KVG mit allen Beteiligten eine korridorbezogene
Zusammenarbeit an. Die meisten Linien werden von Bussen jeweils beider
Partner gefahren, wobei die Aufteilung des Fahrzeugeinsatzes anhand rein
betriebswirtschaftlicher Kriterien vorgenommen werde. Die Umlandlinien
sind vollständig in das Tarifangebot der KVG integriert.
Die Öffentlichkeitsarbeit eines Verkehrsbetriebes muß in erster
Linie auf Politiker auf allen kommunalen Ebenen abzielen. Flächendeckende
"Werbung" sei wenig sinnvoll. Ein professionell gestaltetes Magazin wird
regelmäßig an 600 bis 800 Kasseler Entscheidungsträger versandt.
Der Zuschuß der Stadt Kassel zu den Betriebskosten der KVG beträgt etwa
260 DM pro Einwohner (in Berlin etwa 340 DM pro Einwohner). Aufgrund
der Finanznot der Kommune wurde mit der KVG ein Fünfjahresvertrag
abgeschlossen, der vorsieht, daß der Zuschuß in jedem Jahr um eine
Million DM zu senken ist. Den Ausgleich des KVG-Budgets will Herr
Meyfahrt wie folgt erreichen:
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Ein Drittel soll durch Steigerung der Fahrgasi- zahlen erreicht werden.
- Ein Drittel wird durch innerbetriebliche Effizienzsteigerungen erreicht.
- Ein Drittel schließlich wird durch zusätzliche Zuschüsse
des Landes für den geplanten Verkehrsverbund Nordhessen erzielt.
Eine wie auch immer geartete Verschlechterung des Angebotes sei hingegen ein absolut untaugliches Mittel zur Defizitsenkung.
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Gemeinsame Trasse und Haltestelle von (Niederflur-)Tram und Bus - auch hierbei ist Kassel ein Vorbild für Berlin. Foto: Matthias Horth |
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Seit Mai 1994 ist die 1,5 km lange Neubaustrecke bis zur provisorischen Endstelle Porschestraße in Baunatal in Betrieb. An dem 3 km langen Verlängerungsabschnitt nach Baunatal-Großenritte wird bereits kräftig gearbeitet, da dieser im Mai 1995 eröffnet werden soll. Foto: I. Schmidt |
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Zur Frage der Umstellung von Straßenbahnstrecken auf Busbetrieb führte
Herr Meyfahrt aus, daß dies nur rentabel sei, wenn auch der Busbetrieb
zu 70% einen eigenen Fahrweg erhielte. Dies sei jedoch angesichts der
Nutzungskonkurrenz um Fahrmöglichkeiten auf der Busspur nahezu ausgeschlossen.
Sechs der sieben Kasseler Straßenbahnlinien durchfahren eine Fußgängerzone,
die bei etwa 30 Busdurchfahrten je Stunde und Richtung zur Abgashölle werden
würde. Zudem haben alle Umstellungen von Busbedienung auf Straßenbahn in
Deutschland bisher gezeigt, daß mit Fahrgaststeigerungen von 10 bis 50%
zu rechnen ist. Städte mit einem klassischen Straßenbahnsystem haben
häufig bei den Fahrten zum Einkäufen einen hohen ÖPNV-Anteil. Dies liegt
daran, daß die Kunden im Gegensatz zu Bus und U-Bahn unmittelbar vor
die Haustür der Geschäfte und Kaufhäuser fahren können. Die hohe
Bequemlichkeit der Niederflurstraßenbahn, von der in Kassel gegenwärtig
25 Fahrzeuge eingesetzt werden, trage erheblich zum Anteil der Straßenbahn
von 52% an allen Wegen zum Einkäufen in Kassels Innenstadt bei. Hier
seien bei einer Netzerweiterung ins Umland auch erhebliche Potentiale
für Neukunden zu sehen, während der Berufsverkehr die Spitzenbelastung
noch erhöhe, somit sehr teuer sei und potentielle Kunden kaum aus dem
Auto herauslocke.
Zu den Kosten der Neubaustrecken wies Herr Meyfahrt darauf hin,
daß bei der Helleböhn-Strecke elf Busumläufe durch drei Straßenbahnumläufe
ersetzt worden sind und zusätzlich ein Umsteigevorgang für die Fahrgäste
entfallen sei. Bessere betriebswirtschaftliche Bedingungen
seien kaum denkbar. Diese Rechnungen gelten allerdings nur bei einer
Förderung der Maßnahme durch das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz.
Im Vergleich zwischen Straßenbahn und Bus sei das immer wieder
gebrachte Flexibilitätsargument des Busses letztendlich "der Tod des
attraktiven Nahverkehrs", weil niemand mehr weiß, wo der flexible Bus
denn nun gerade fährt. Während die Linienführung der Straßenbahn
als sichtbares System erkennbar ist, sind Bushaltestellen nur punktuell,
nicht linienförmig zu erfassen.
Straßenbahnumläufe in Nebenverkehrszeiten zurück zum Betriebshof zu fahren,
bringe mehr Aufwand als Nutzen. Der somit bestehende starre Takt erhöhe die
Attraktivität der Straßenbahn. In Kassel fahren alle Straßenbahnlinien
tagsüber im 15-, abends im 30-Minuten-Takt, während keine Buslinie ihren
Takt den Tag über beibehält. Ohne Berücksichtigung der Fahrwegkosten kostet
ein Nutzwagen-Kilometer bei der Straßenbahn etwa 13 DM und beim Bus etwa 7
DM. Als Faustformel gelte, daß bei doppelter Fahrgastzahl die Straßenbahn
sich auch wirtschaftlich rechnet.
Um am Verkehrsmarkt bestehen zu können, hält Herr Prof. Meyfahrt
eine hohe Investitionsquote des Verkehrsuntemehmens für unerläßlich.
Einmal verschobene Ausgaben lassen sich später nicht mehr nachholen.
So habe man sich in Kassel als erster Stadt in Deutschland für einen
umfassenden Einsatz von Niederflurstraßenbahnen entschieden, die aus
herkömmlichen Komponenten zusammengesetzt sind, aber 40 Plätze mehr als
ein Hochflur N8C bieten. Durch frühen Vertragsabschluß habe Kassel jedes
Fahrzeug für ca. 2,5 Mio DM bekommen, während Betriebe, die
mit der Beschaffung gezögert hätten, zumeist über 3 Mio DM pro
Zug zahlen müssen.
Die geplante Neubaustrecke nach Baunatal (25.000 Einwohner) verläuft
weitgehend auf der Trasse der privaten Kassel-Naumburger-Eisenbahn (KNE).
Dieses Unternehmen betreibt die Anschlußbahn zum Kasseler Volkswagenwerk
und einen umfangreichen Busverkehr in der Relation Baunatal - Kassel.
Um Arbeitsplatzverlusten vorzubeugen, werden Busfahrer der KNE jetzt zu
Straßenbahnfahrern umgeschult. Der KNE-Busverkehr wird nach Baunatal
zurückgezogen, die Fahrten nach Kassel erfolgen zukünftig viermal so
häufig und schneller mit der Straßenbahn.
Ein Kilometer Neubaustrecke (zweigleisig) einschließlich Ampelbeeinflussung,
Haltestellenbau, Straßenbau und allen weiteren Ausstattungsmerkmalen
kostet etwa 10 Mio DM. Vom Beschluß bis zur Fertigstellung der 3 km
langen Verlängerung nach Helleböhn seien etwa vier Jahre vergangen. Die
KVG bietet für Gemeinden im Umland, die einen Straßenbahnanschluß wünschen,
Planungsleistungen an, die diese Gemeinden bezahlen. Die gesamte
Verkehrsplanung zum Bau von Straßenbahnstrecken wird in Kassel von der
KVG durchgefuhrt. Dies setze eine Unternehmensstruktur voraus, die es
den Verhandlungspartnern ermöglicht, selbst Entscheidungen zu treffen.
Zur Frage der Tarifhöhe sagte Herr Meyfahrt, die KVG nehme jedes Jahr
zum 1. Januar eine Preiserhöhung vor, die aber unter der Steigerung der
Lebenshaltungskosten und unter der Steigerung der Autokosten liegen müsse.
In Kassel werden kaum Automaten zum Verkauf eingesetzt, weil diese mit
120.000 bis 140.000 DM sehr teuer und außerdem sehr unflexibel seien.
Einzelfahrscheine und Tageskarten sind in allen Verkehrsmitteln bei
den Fahrern erhältlich. Dabei beträgt der Unterschied zwischen
Einzelfahrschein und Mehrfahrtenkarte pro Fahrt 1 DM.
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Nur zu 70% in Niederflurbauweise, aber trotzdem mit hohem Fahrgastkomfort: Die neuen Kasseler Niederflurzüge sind daher mit 2,5 Mio DM pro Zug ca. 1 Mio DM billiger als der Berliner Niederflurzug! Foto: Matthias Horth |
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Als weiteren Investitionsschwerpunkt nannte Herr Meyfahrt den Umbau
von Busbuchten zu Buskaps. Jedes Jahr werden aus Unterhaltungsmitteln
und durch GVFG-Förderung etwa 20 Haltestellen derart umgebaut. Dies ist
eine zwingende Voraussetzung, um Niederflurbusse einsetzen zu können.
In Kassel werden die Pausen des Fahrpersonals - wie allgemein in der
Privatwirtschaft und auch in der "normalen" öffentlichen Verwaltung
üblich - nicht bezahlt. Um den Fahrzeugeinsatz gering halten zu können,
werden die Pausen als Blockpausen organisiert. Vorrangschaltungen für
die Straßenbahn haben in erster Linie den Zweck, die Fahrplaneinhaltung
zu ermöglichen. Ein gesparter Fahrzeugumlauf setzt etwa 450.000 DM frei.
Durch eine durchgängige Beschleunigung der Straßenbahn auf der Strecke
nach Baunatal ist es möglich, mit nur einem zusätzlichen Umlauf die
gesamte Neubaustrecke abdecken zu können. Daraus wird deutlich, wie
wirtschaftlich es ist, bestehende Straßenbahnstrecken zu verlängern.
Herr Prof. Meyfahrt erteilte Bestrebungen, vorrangig den Berufsverkehr
mit Öffentlichen Verkehrsmitteln abwickeln zu wollen, eine eindeutige
Absage. Dieser Verkehr ist der teuerste von allen. Der Erfolg
einer Strategie "pro ÖPNV" zeige sich daran, ob es gelingt, den
Freizeit- und Gelegenheitsverkehr anzuziehen. Gelinge dies nicht,
"dann gelingt nichts".
IGEB
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