Die Beschwerdeführerin unternahm mit ihren
beiden Kindern eine Fahrt von Stuttgart nach
Ludwigshafen. Auf dieser Fahrt nahm sie insgesamt
vier Fahrräder mit (ihr eigenes, zwei
Kinderfahrräder, ein weiteres Familienfahrrad).
Vor Antritt der Reise habe sie sich im Internet
auf der Seite des Verkehrsunternehmens über
die Konditionen der Fahrradmitnahme informieren
wollen, habe dort aber keine Antwort
auf ihre Frage finden können, ob und wie der
Transport eines zusätzlichen Fahrrades zu erfolgen
hat. Sie habe sich daher an einem Fahrkartenschalter
beraten lassen und schließlich
ein Baden-Württemberg-Ticket sowie eine
Fahrradtageskarte für vier Fahrräder erworben.
Auf der Fahrt bemängelte ein Kontrolleur
die Mitnahme des vierten Fahrrades. Es sei nur
ein Rad pro Person zugelassen und die Beförderung
von drei Personen zusammen mit vier
Fahrrädern daher nicht möglich. Daraufhin
wurde der Beschwerdeführerin eine Fahrpreisnacherhebung
über 40 Euro ausgestellt. Die
Frage, wie das Fahrrad korrekt transportiert
werden müsse, habe vom Kontrolleur nicht
beantwortet werden können.
Die Beschwerdeführerin reichte nach der
Fahrt einen „Widerspruch“ gegen die Fahrpreisnacherhebung
ein und bat um Rücknahme
der Forderung.
Antwort der Beschwerdegegnerin
Das Verkehrsunternehmen lehnte den gegen
die Fahrpreisnacherhebung eingelegten Widerspruch
mit der Begründung ab, dass jeder
Reisende nur ein Fahrrad mitnehmen dürfe.
Dennoch wurde die Forderung auf 20 Euro reduziert.
Zwar zahlte die Beschwerdeführerin
sodann die reduzierte Forderung, doch war
sie weiterhin mit der Fahrpreisnacherhebung
nicht einverstanden. Sie wandte sich an die
söp und bat um Prüfung des Vorganges.
Schlichtungsarbeit
Die söp prüfte das Anliegen der Beschwerdeführerin
und kam zu dem Ergebnis, dass die
Rechtmäßigkeit der ausgestellten Fahrpreisnacherhebung
zweifelhaft ist.
Ausgehend von § 12 Abs. 1 Eisenbahn-Verkehrsordnung
(EVO) ist der Reisende nur
dann zur Zahlung eines erhöhten Fahrpreises
verpflichtet, wenn er keine gültige Fahrkarte
vorzeigen kann oder einer Verpflichtung nach
§ 9 Abs. 3a, b, d EVO nicht nachkommt. Keine
dieser Voraussetzungen war vorliegend gegeben,
da die Beschwerdeführerin insbesondere
für alle mitgeführten Fahrräder eine Fahrradtageskarte
gelöst hatte und auch vorzeigen
konnte.
Die einschlägigen Beförderungsbedingungen
des Verkehrsunternehmens bestimmten
zwar, dass jeder Reisende nur ein Fahrrad mitführen
darf. Die Konstellation, dass von einem
Reisenden mehrere Fahrräder mitgenommen
werden, wurde jedoch nicht explizit geregelt.
Im Falle eines „Verstoßes“ gegen die Mitnahmeregelung
folgte aus den Beförderungsbedingungen
jedenfalls nicht die Ausstellung
einer Fahrpreisnacherhebung.
Gegebenenfalls hätte der Beschwerdeführerin
von vornherein die Beförderung des
vierten Fahrrads untersagt werden müssen.
Dies ist aber offenbar nicht geschehen. Die
Beschwerdeführerin hatte sich vor Fahrtantritt
informiert, wie ein zusätzliches Fahrrad
mitgenommen werden kann. Eine fundierte
Antwort hat sie nach eigenen Angaben
aber nicht erhalten. Auch der Zugbegleiter,
der die Fahrpreisnacherhebung ausgestellt
hat, habe ihr diese Frage nicht beantworten
können.
Eine kostenlose Beförderung als Handgepäck
wäre möglich gewesen, wenn es sich bei
dem zusätzlichen Fahrrad um ein zusammengefaltetes
Faltrad gehandelt hätte. Sofern eine
Faltung nicht möglich war, kann ein zusätzliches
Fahrrad nur als Reisegepäck (Sondergepäck)
befördert werden. Für die Beförderung
als Reisegepäck wären Kosten in Höhe von
25,50 Euro angefallen. Warum der Beschwerdeführerin
diese Informationen nicht vor Reiseantritt
gegeben werden konnten, war für die
söp nicht festzustellen.
Die söp schlug daher vor, die Kosten für die
bereits bezahlte Fahrpreisnacherhebung in
Höhe von 20 Euro zu erstatten. Das Verkehrsunternehmen
teilte mit, dass der Kundenbetreuer
das Fahrrad des Zuges hätte verweisen
müssen. Angesichts der Tatsache, dass die
Reise mit Kindern erfolgte, habe der Kundenbetreuer
aber darauf verzichtet. Die vom
Kundenbetreuer getroffene Maßnahme, ein
erhöhtes Beförderungsentgelt zu erheben, sei
daher situativ die kundenfreundlichste Lösung
gewesen. Dennoch erklärte sich das Verkehrsunternehmen
zur Erstattung der beglichenen
Forderung in Höhe von 20 Euro bereit. Die
Beschwerdeführerin zeigte sich mit diesem
Vorschlag einverstanden und nahm die Erstattung
dankend entgegen.
Dr. Katja Schmidt
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen
Personenverkehr e. V.
Fasanenstraße 81, 10623 Berlin
E-Mail: kontakt@soep-online.de
Internet: www.soep-online.de
söp Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V.
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