Überfällig und zugleich sehr erfreulich ist die Ausweitung des
Verkehrsangebotes
der BVG im Jahr 2014 (s. SIGNAL 2/2014 ). Damit reagiert der Aufgabenträger,
das
Land Berlin, endlich auf die steigenden Fahrgastzahlen und die teilweise
veränderten
Zeiten, in denen U-Bahn, Straßenbahn und Bus genutzt werden. Ein kleiner, aber
wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Nachdem die S-Bahn nun nach den Krisenjahren wieder eine stabile Leistungsfähigkeit
erreicht hat und die Fahrgastzahlen auch hier steigen, ist bei der S-Bahn
ebenfalls ein angemessenes Aufstocken der Verkehrsleistungen erforderlich.
Im Innenstadtbereich, also auf der Ringbahn
und den S-Bahn Strecken innerhalb des
Rings, sollte das S-Bahn-Angebot außerhalb
der Hauptverkehrszeit wenigstens einen
5-Minuten-Takt aufweisen, so wie es 2012
bei der U-Bahn eingeführt wurde. Die gute
Nachfrage am Abend und am Wochenende
zeigt, dass die U-Bahn-Taktverdichtung
richtig ist.
So wie gemäß Nahverkehrsplan auf Berliner
Stadtgebiet mindestens ein 10-Minuten-Takt
herrschen soll, so sollte es in der Innenstadt
auf der kompletten Ringbahn, auf der
Nordsüd-S-Bahn zwischen Gesundbrunnen
und Südkreuz sowie auf der Stadtbahn
zwischen Westkreuz und Lichtenberg mindestens
einen 5-Minuten-Takt (auch durch
Linienüberlagerung) geben:
- Montag bis Freitag von 6 bis 20.30 Uhr,
- Sonnabend von 10 bis 20.30 Uhr,
- Sonntag von 12 bis 19 Uhr.
Bisher klaffen zur Erfüllung dieses Standards
noch einige Lücken.
Ringbahn
Am weitesten entfernt von diesem Standard
ist derzeit die Ringbahn. Die S 41/S 42 bietet
bisher folgendes Fahrtenprogramm:
Montag bis Freitag
-
von 4 bis 5.30 alle 10 Minuten,
- von 5.30 bis 9.30 alle 5 Minuten,
- von 9.30 bis 14 Uhr alle 10 Minuten,
- von 14 bis 19 Uhr alle 5 Minuten,
- von 19 bis 1 Uhr alle 10 Minuten,
Sonnabend
-
von 1 bis 5 Uhr alle 15 Minuten,
- von 5 bis 1 Uhr alle 10 Minuten,
Sonntag
- von 1 bis 7 Uhr alle 15 Minuten,
- von 7 bis 1 Uhr alle 10 Minuten.
Der Grundtakt ist also ein 10-Minuten-Takt,
der nur montags bis freitags jeweils
morgens und nachmittags bis zum frühen
Abend (insgesamt nur neun Stunden lang)
auf einen attraktiven 5-Minuten-Takt verdichtet
wird.
Besonderer Beachtung bedürfen hierbei
die Fahrten, die über die Abschnitte Neukölln—Treptower
Park und Schönhauser
Allee—Westend gehen. Hier wird die Ringbahn
S 41/S 42 nicht von anderen Linien
überlagert, und es besteht tatsächlich nur
der 10-Minuten-Takt. Auf den hochbelasteten
Abschnitten Neukölln—Treptower Park
und Schönhauser Allee—Gesundbrunnen—Wedding
gelangt die S-Bahn häufig an ihre
Kapazitätsgrenze.
Um als Grundtakt alle 5 Minuten zu fahren,
sind folgende Verdichtungen nötig:
Montag bis Freitag
- von 9.30 bis 14 Uhr alle 5 Minuten anstatt
alle 10 Minuten,
- von 19 bis 20.30 Uhr alle 5 Minuten anstatt
alle 10 Minuten,
Sonnabend
- von 10 bis 20.30 Uhr alle 5 Minuten anstatt
alle 10 Minuten,
Sonntag
- von 12 bis 19 Uhr alle 5 Minuten anstatt
alle 10 Minuten.
Verkehrsstrukturell besondere Bedeutung
Die Ringbahn hat verkehrsstrukturell eine
besondere Bedeutung, die sie durch den
vorherrschenden 10-Minuten-Takt bisher
nicht angemessen erfüllen kann. Die große
Verknüpfungswirkung mit Umsteigemöglichkeiten
zu radialen S-Bahn-, U-Bahn-,
Straßenbahn- und Buslinien an jeder
Ringstation bedeutet ein hohes Umsteigeraufkommen.
Dementsprechend wirken sich
hier lange Wartezeiten von über fünf Minuten
besonders negativ auf die Reisekette aus.
Es ist bekannt, dass Fahrgäste außerhalb der
Zeiten des 5-Minuten-Taktes die Ringbahn
für spontane Fahrten meiden, weil ohne
genaue Vorausplanung des Fahrplanes die
möglichen 10 Minuten Wartezeit auf den
nächsten Zug abschreckend wirken. Für
spontane Fahrten in der Innenstadt ist nur
ein 5-Minuten-Takt attraktiv.
|
Hier brennts bei der S-Bahn: Auf der Ringbahn, sonntags auf der Stadtbahn und täglich auf der Nordsüd-S-Bahn gibt es derzeit noch fahrplanmäßig Lücken größer als fünf Minuten. Das ist für diese hochbelasteten Innenstadtlinien mit vielen Verknüpfungspunkten nicht angemessen. Ziel für einen attraktiven Schnellbahnverkehr muss es sein, dass mindestens alle 5 Minuten eine Bahn kommt. Auch in anderen Großstädten ist der 5-Minuten-Takt üblich, häufig sogar ein 3-Minuten-Takt. Die Berliner U-Bahn macht es seit 2012 vor. Grafik: Holger Mertens |
|
Mit drei simplen Maßnahmen lassen sich die Taktlücken im S-Bahn-Netz schließen. Dann besteht im Innenstadtbereich auf allen S-Bahn-Strecken mindestens ein 5-Minuten-Takt. Grafik: Holger Mertens |
|
Es geht hier also nicht primär darum, dass
Fahrgäste in den genannten Zeiten bei
pünktlichem Betrieb auf den Bahnsteigen
zurückbleiben müssen, weil die Züge überfüllt
sind (sie sind tatsächlich gut gefüllt
mit 100% Sitzplatzbelegung und vielen
stehenden Fahrgästen), sondern um das
Qualitätsmerkmal des dichten Taktes. Nach
Schätzung der IGEB besteht durch das Mehrangebot
ein Potenzial von 25 Prozent mehr
Fahrgästen für die Ringbahn. Das entlastet
auch den Straßenverkehr.
Da die Verkehrsleistung nicht in der Hauptverkehrszeit
erhöht werden soll, stehen die
Fahrzeuge zur Verfügung, die sonst über
Mittag oder am Wochenende nur abgestellt
sind. Die S-Bahn-Mehrleistung ist damit
ohne Fahrzeugneubeschaffung fahrbar. Um
die zusätzlichen Schichten abzudecken sind
allerdings zusätzliche Triebfahrzeugführer
nötig, die mit entsprechender Planung aber
rechtzeitig eingestellt bzw.ausgebildet werden
können.
Als kleine Einsparung bei einer Ringverdichtung
könnte während des zu verdichtenden
Zeitraumes die S 46 von Westend
nach Südkreuz zurückgezogen werden; die
S 46 würde nur noch während der HVZ nach
Westend fahren.
Außerdem müsste die S 45 ständig nach
Südkreuz zurückgezogen werden, da die
„Rückwärtskehre“ am S-Bahnhof Bundesplatz
nicht mehr in den 5-Minuten-Takt
passt.
Unabhängig von der Ringverdichtung,
aber schon heute sehr wichtig für die Stabilität
des Ringbetriebs ist es, einen Ringbahnhof
mit einem dritten Bahnsteiggleis
auszurüsten, um ein schnelles Auswechseln
von Schadzügen und Aus-/Einsetzen
von Zügen im Verspätungsfall möglich zu
machen. Hierfür bietet sich der Bahnhof
Westend an, der bereits einen zweiten (ungenutzten)
Bahnsteig besitzt. Dieser kann
mit überschaubarem Aufwand durch ein
drittes Gleis genutzt werden. Das mittlere
Gleis hätte dann eine Kante rechts und links,
so dass bahnsteiggleiche Umstiege für die
Fahrgäste bequem für jede Fahrtrichtung
möglich wären. In Westend sind bereits
zwei zweigleisige Kehranlagen nördlich und
südlich angeschlossen. Auch die S-Bahn Berlin
GmbH befürwortet dringend diese dritte
Kante auf dem Ring. Jedoch scheint den Verantwortlichen
bei DB Netz die Bedeutung
dieser kleinen, aber sehr effektiven Infrastrukturergänzung
noch nicht klar zu sein,
denn das Projekt genießt bisher dort keine
Priorität.
Stadtbahn
Auf der Stadtbahn überlagern sich Montag
bis Freitag die Linien S 5, S 7 und S 75 und
bilden so einen dichten Takt von 6 Zügen
pro Richtung in 20 Minuten.
Aber an Sonntagen gibt es durch die Verkürzung
der S 75 unschöne Taktlücken von 7
Minuten, die dem steigenden Fahrgastaufkommen
nicht gerecht werden.
Zur Abhilfe kann die S 75 von Ostbahnhof
bis Westkreuz sonntags auf einen 10-Minuten-Takt
verdichtet werden. Dies ist aufgrund
der zahlreichen Veranstaltungen im
Innenstadtbereich, der hohen Nachfrage
insbesondere durch Touristen und dem
verstärkten Ab- und Anreiseverkehr zum
Fernverkehr in Berlin Hbf dringend nötig.
Als Differenz ist also eine Mehrleistung
nötig
von Ostbahnhof bis Westkreuz
Sonntag
- von 12 bis 19 Uhr alle 20 Minuten.
Diese Maßnahme erfordert drei zusätzliche
Umläufe auf der S 75, die nach Angaben der
S-Bahn Berlin GmbH zu den benötigten Zeiten
zur Verfügung stehen.
Eine solche Mehrleistung hat das Land Berlin
für den Sonnabend ab dem Fahrplanwechsel
im Dezember 2014 bereits bestellt. Die S 75
fährt dann von 8.30 bis 20 Uhr alle 10 Minuten
bis Westkreuz (zzt. nur bis Ostbahnhof). Diese
Leistungsausweitung ist mit angepassten Einsatzzeiten
auch für den Sonntag erforderlich.
Als kleine Kompensation für die Leistungsausweitung
könnte z. B. in den Schulferien auf
die S 5 5-Minuten-Takt-Verstärker Ostbahnhof—Mahlsdorf
verzichtet werden. Ebenso
stehen bestellte Leistungen aus der S 21
sowie aus der Flughafenanbindung zur Verfügung,
die beide aufgrund der Bauverzögerungen
noch nicht gefahren werden können.
Nordsüd-S-Bahn
Im Nordsüd-S-Bahn-Tunnel besteht außerhalb
der HVZ eine unschöne 7-Minuten-Taktlücke,
die geschlossen werden kann,
wenn der 10-Minuten-Takt auf der S 25 nicht
in Potsdamer Platz endet, sondern die Verdichterzüge
bis Gesundbrunnen verlängert
werden.
Als Differenz ist also eine Mehrleistung
nötig
von Potsdamer Platz bis Gesundbrunnen
Montag bis Freitag
- von 9.30 bis 13.30 Uhr alle 20 Minuten,
- von 19.30 bis 20.30 Uhr alle 20 Minuten,
Sonnabend
- von 10 bis 20.30 Uhr alle 20 Minuten,
Sonntag
- von 12 bis 19 Uhr alle 20 Minuten.
Diese Maßnahme benötigt einen zusätzlichen
Umlauf auf der S 25, der nach Angaben
der S-Bahn Berlin GmbH zu den entsprechenden
Zeiten zur Verfügung steht.
Die S-Bahn Berlin GmbH begrüßt nach
eigenen Angaben grundsätzlich eine Ausweitung
ihres Angebots und sieht sich auch
zur stabilen Erbringung der Mehrleistungen
in der Lage. Somit ist also das Land Berlin als
Besteller der Verkehrsleistungen am Zuge.
An fehlendem Geld können die Zusatzleistungen
nicht scheitern, denn wenn die
S-Bahn einen Fahrzeugpark hätte, um die
vertraglich vereinbarten Verkehrsleistungen
fahren zu können, müsste das Land Berlin
ebenfalls deutlich mehr Geld für S-Bahn-Leistungen
einsetzen, als es heute bezahlt.
(fm)
Berliner Fahrgastverband IGEB
|